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Tag 3

Am dritten Tag des Festivals merkt man manchen Besuchern bereits die Anstrengungen eines 3-tägigen Konzertmarathons und des Alkoholkonsums, der für manche damit einhergeht, an.
Zeit also, sich eine Band anzusehen, die selbst Tote wieder auferwecken könnte. "Wir sind Gewalt und das klingt so", leitet Patrick Wagner den Auftritt seiner Band ein und Sekunden später hämmert eine Drum Machine durch die WUK-Halle, deren bedrohlicher Sound von blauem Sirenenlicht untermalt wird. Den Rat einer Freundin, zum Auftritt der Band unbedingt Oropax mitzubringen, geflissentlich ignoriert, ist mein Trommelfell nun ungeschützt den aggressiven Industrial/Post-Punk-Lauten der Band aus Berlin ausgesetzt, gewöhnt sich aber schnell an den Lärm. 
"Nach Wien zurückzukommen, ist wie zu einer Seemannsbraut zurückzukehren. Einer alternden Seemannsbraut", sinniert Wagner in Richtung Publikum, das nicht ganz weiß, ob diese Worte nun als Kompliment oder als Kritik aufzufassen sind und dessen Applaus daher eher verhalten ausfällt. Das registriert der Sänger der deutschen Post-Punk Band jedoch sofort und kontert mit "Ja, Ihr seid die strengsten, Wien, aber wir sind auch die strengste Band." Und schon geht es weiter, mit Lärm, Lärm, Lärm und Texten über Arbeit, Krankheit, Tod und Trennungen. 
Patrick Wagner trägt bei allen Auftritten seinen Hochzeitsanzug, der - rostverschmiert und verschwitzt - wohl sinnbildlich für das Einrosten und Enden seiner mittlerweile geschiedenen Ehe steht. 
Während aus dem Publikum ironisch anmutende lauter!-Rufe ertönen, spielen Gewalt den laut Wagner "zweitbeste Song, den ich je geschrieben habe", gefolgt von dem "besten Song, den ich je geschrieben habe", am Schluss verabschiedet er sich mit "Wir sind die beste Band der Welt!" Superlative und Arroganz passen zum Auftreten der Gruppe. Man glaubt ihnen in dem Moment auch tatsächlich, dass sie die beste Band der Welt sind. Wie soll man auch anders, wenn man die Statements der Band so reingeprügelt bekommt, wie es Gewalt mit ihrem bis zum Anschlag aufgedrehten Verstärken machen.

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Die Ohren rauschen noch und verlangen dennoch nach mehr, also Szenenwechsel auf die Deezer Next Stage, wo gleich Pom Poko aus Norwegen ihren Auftritt bestreiten werden. 
Die Band ist gekleidet, wie eine Gruppe Tanzwütiger aus einem 1980er Jahre Aerobic Video, Shorts und Sportshirts in grellen Farben und Mustern und machen damit schon Lust aufs Tanzen, noch bevor sie überhaupt mit ihrem Auftritt begonnen haben. Es ist schon ziemlich lustig, dass die Band in einem Raum spielt, der ja eigentlich zu einer Schule gehört. Die Bandmitglieder sehen in ihren Outfits nämlich aus wie Charaktere aus einem High School Film, die Sängerin Ragnhild Fangel wie die Homecoming Queen, der Drummer wie der Geek, der Gitarrist wie der Jock, und der Bassist wie der Kapitän der Football Mannschaft. Der Pop Punk der Band klingt dann auch sehr nach 1980ern, mit einfachen, eingängigen Riffs und Lyrics und Beats, die selbst dem größten Melancholiker im Publikum ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Den Abend und damit das gesamte Waves Festival schließt für mich Tamino ab, Indie -Dreamboat aus Belgien.
Der in Antwerpen aufgewachsene junge Mann mit ägyptischen Wurzeln, wird andächtig vom Publikum angehimmelt, während er seine vor Poesie und tiefen Gefühlen triefenden Songs vorträgt. Die andächtige Stimmung wird jedoch immer wieder von laut redenden und lachenden Menschen unterbrochen. Dauerredende Menschen sind leider generell ein immer wiederkehrendes Ärgernis auf Konzerten, meistens zeigen sich Bands davon jedoch relativ unbeeindruckt. Nicht so Tamino. Dieser unterbricht mehrmals seine Songs und weigert sich, weiterzuspielen, bevor sich die Menge nicht beruhigt hat. "Fuck this, if you want to talk, do it somewhere else", raunzt er in verletztem Tonfall ins Mikrofon. 
"It's a showcase festival, I know and it's always the music industry people who tend to talk the most during concerts, because they know oh so much about music", meint er sarkastisch und erntet damit Gelächter und Applaus.
Bei aller berechtigten Kritik an Kommerzialisierung von Musik und Konzertgängern, die den Menschen auf der Bühne und ihrer Kunst zu wenig Respekt zollen, muss ich Thirsty Eyes und Tamino in einem widersprechen: Das Waves Festival ist schon ziemlich liebenswert! //

Text: © Christina Masarei

Fotos: © Anja Pöttinger