Karl Valentin bestehe aus drei Dingen, schrieb dereinst Theaterkritiker Alfred Kerr: "Aus Körperspaß. Aus geistigem Spaß. Und aus gewollter Geistlosigkeit. Sein Mittel: Die Ruhe. Die Unbeirrbarkeit."

Nun denn, vielleicht würde Karl Valentin alljährlich seinen Geburtstag am 4. Juni gefeiert haben, wäre ihm nicht der 31. Januar 1948 dazwischengekommen. An diesem Abend wurde er nämlich aus Versehen nach dem Ende einer Vorstellung eingeschlossen und musste so die ganze Nacht in der ungeheizten Garderobe - nur mit einem Stück Bühnenrasen zugedeckt - verbringen. Fatal war das, denn erholt hat sich der eh schon körperlich völlig geschwächte und seit Monaten kränkelnde Karl Valentin nicht mehr davon. Und so kam es wie es kommen musste. Karl Valentin starb im Alter von 65 Jahren in seinem Haus in Planegg am 9. Februar 1948.

Liesl Karlstadt: "Sie können ja wunderbar pfeifen".
Karl Valentin: "Ja, ich pfeife auf jede Platte." (aus: "Im Schallplattenladen")

Mit der 5-CD-Box "Karl Valentin im Besonderen" erschienen im Hörverlag Originalaufnahmen von und mit Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Es ist freilich nicht die erste Werkschau des genialen Duos [erinnert sei z.B. an die großartige Vinyl-Ausgabe zum 100. Geburtstag mit dem Titel "Sein Unvollständiges Gesamtwerk Mit Und Ohne Liesl Karlstadt" aus dem Jahr 1980; Anm.], aber eine hervorragend editierte. Einerseits. Andererseits, dies das Besondere von "Karl Valentin im Besonderen", wird damit erstmals eine Auswahl von Karl Valentins Originalaufnahmen unter bestimmten - Karl Valentin spezifischen - Themen veröffentlicht. Diese da wären:

  • valentin_frauen
  • valentin_gesundheit
  • valentin_musik
  • valentin_wahrhaftigeweltbetrachtung
Und somit kommt man in den wahrhaftigen Genuss unzähliger Kuriositäten und Genialitäten, fein sortiert, je nach Wunsch und Geschmacksrichtung, bzw. persönlicher Befindlichkeit zur Stunde des Hörens, in bester Übersicht.

Der Ding ist hier - na, der Buchbinder Wanninger

valentin_karl_alpensaengerringsgwandl_1988presley_elvis_hayride1954-2Freilich trifft man dabei in fast jeder Originalaufnahme auf bekannte Schätze, und auf alte Bekannte, wie z.B. auf den Buchbinder Wanninger - Valentins Telefonschmerzen aus dem Jahr 1940 über die tagtägliche Lebenserfahrung beim Versuch einer telefonischen Kommunikation. Heute noch saukomisch, und genauso aktuell, wenn es darum geht mit Ämtern oder Konzernen telefonisch in Kontakt zu treten. Unglaublich, und unglaublich gut, auch "Der Sprachforscher" über die Verzwickung und Doppeldeutigkeiten in der deutschen Sprache, wie auch z.B. seine Parodie von "Ein Vogel wollte Hochzeit machen", das bei Karl Valentin zum "Maskenball der Tiere" verkommt. Und überhaupt, "Karl Valentin und die Musik": Im wunderbar gestalteten Booklet sieht man auf Seite 118 ein Foto, das Karl Valentin als Alpensänger zeigt. Posierend mit Dirndl und akustischer Gitarre spielend nahm er Elvis Presley genauso vorweg wie Ringsgwandl [der ja von der Wochenzeitung Die Zeit als "Ein Punk-Qualtinger, ein Valentin des Rock'n 'Roll, ein bayerisches Genie" bezeichnet wurde; dass Presley hingegen jemals mit Valentin in Verbindung gebracht wurde, ist bislang noch nicht überliefert; Anm.].

Wir beginnen mit dem Anfang, oder: Eine Schallplatte müsste eigentlich einen Meter Durchmesser haben

Meine zwei ganz persönlichen Höhepunkte dieser 5-CD-Box sind ebenfalls in der Valentinschen Musikabteilung zu finden, und zwar das Lied mit Gesang, "In einem kühlen Grunde" und "Die Uhr von Loewe". Beide Stücke bestechen weniger durch Gesang denn durch Valentins Unterbrechungen. Valentin, der G’schichtlerzähler - uneinholbar und unübertroffen in "Die Uhr von Loewe", und nicht minder unberechenbar in "In einem kühlen Grunde", in dem er behauptet eine wunderbare Stimme zu haben, "ich habe das Singen gelernt auf einer Maschine - auf einer Singermaschine". Blöd nur, dass ihm der Anfang des Liedes nicht einfällt, sondern nur der Schluss, um, als ihm der Anfang einfällt, gleich wieder zu stoppen: "Das ist ein schönes, altes Lied, aber ich find das furchtbar blöd." Genial auch "Wo die Alpenrosen blühen", zu finden ebenfalls auf der Musik-CD, das aber ebenso gut zu den "sprachlichen Wirrungen" passt: "Anlässlich des Umzugs des Einzugs von Kaiser Nepomuk - nein, Kaiser Ludwig - erlauben wir uns umständlich ... anzüglich ... hinlänglich ... für zweieinhalb Trompeten, also ein halbes Quartett ..." Sprachsalate, Sprachtumulte, immer auf den Punkt gebracht, so umständlich es auch immer formuliert wurde. Chaos in Perfektion. //

Text: Manfred Horak
Fotos: Karl Valentin Museum, Bernd Schweinar, RCA

valentin_imbesonderenCD-Tipp:
Karl Valentin im Besonderen
Inhalt: @@@@@@
Klang: @@@
Label/Vertrieb: der hörverlag (2007)