für jenni mahnwache

Am Sonntag, 14.12.2025, findet um 16 Uhr die Mahnwache "Für Jenni" am Wiener Heldenplatz statt, um Jennifer Scharinger und allen Opfern von Femiziden zu gedenken.

Für Jenni

Jennifer Scharinger war vor acht Jahren aus ihrer Wohnung in Wien verschwunden. Von Anfang an unter Verdacht war ihr damaliger Freund. Keine Jenni. Keine Leiche. Kein Verbrechen. Nur eine Mutter, die nach ihrer Tochter in Waldstücken gräbt. Ihr damaliger Freund gestand nun die Tat. Nach acht Jahren Ungewissheit kann Jennis Familie endlich anfangen zu trauern.

Mahnwache

Am Sonntag, dem 14.12.2025, findet um 16 Uhr die Mahnwache "Für Jenni" am Heldenplatz statt, um Jennifer Scharinger und allen Opfern von Femiziden zu gedenken. Die Veranstaltung wird begleitet von Musik der Sängerin OSKA, Redebeiträgen von Rosa Logar, der Gründerin des ersten österreichischen Frauenhauses, und einem Lichtermeer, das die Namen jener sichtbar macht, deren Leben durch Männerhand ausgelöscht wurde. Für Jenni. Für alle Frauen in Österreich, die durch Femizid ihr Leben verloren haben. Es ist diese Geschichte – schmerzhaft, real, unnötig – die uns zwingt, eine andere Frage zu stellen. Eine, die uns als Gesellschaft herausfordert.

Was ist mit den Männern los?

Es ist eine Frage, die niemand gern stellt, und doch drängt sie sich mit brutaler Macht in die österreichische Gegenwart: Was ist mit den Männern los? Wenn jedes Jahr Tausende Frauen die Polizei rufen müssen, weil ein Mann als Gefahr eingeschätzt wird; wenn Betretungs- und Annäherungsverbote zur Routine polizeilicher Arbeit werden; wenn psychische, körperliche und sexualisierte Gewalt weiterhin Teil des Alltags so vieler Frauen ist – dann reicht es nicht mehr, von "tragischen Einzelfällen" zu sprechen.

Eine Illusion

Die Zahlen entlarven diese Erzählung als Illusion. Sie sind eindeutig – und sie sind männlich. Allein im Jahr 2022 wurden 14 643 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen, 2023 stieg die Zahl auf 15 115, bevor sie 2024 leicht auf rund 14 583 sank. Hinter jeder Ziffer steht ein Fall, in dem die Polizei einschreiten musste, weil eine Frau oder ein Kind akut bedroht war. Diese Maßnahmen sind nicht bürokratische Routinen, sondern letzte Schutzwälle: Situationen, in denen ein Mann zur Gefahr für seine Partnerin wurde.

Grundsteine der Eskalation

Doch bevor Gewalt sichtbar wird, bevor Türen eingetreten und Wohnungen geräumt werden, beginnt sie an einem anderen Ort – im Verborgenen. Psychische Gewalt, die häufigste Form von Gewalt in Paarbeziehungen, ist kaum messbar, aber allgegenwärtig: Erniedrigungen, Kontrolle, Isolation, Drohungen, die permanente Unterhöhlung der Selbstachtung. 38 % der Frauen in Österreich erleben psychische Gewalt durch ihren (Ex-)Partner. Diese Gewalt hinterlässt keine blauen Flecken, aber sie legt die Grundsteine der Eskalation.

Fast immer hätte es verhindert werden können

Die Statistik Austria zeigt, dass 34,51 % der Frauen körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erleben – jede dritte. Sexualisierte Gewalt bleibt tabuisiert, körperliche Gewalt oft relativiert, doch beide sind Teil eines Kontinuums, das vor allem eines ist: männlich. Am Ende dieses Kontinuums steht der Femizid. Europaweit liegt der Durchschnitt bei 4,1 getöteten Frauen pro eine Million Einwohner, Österreich liegt mit rund 5 pro Million darüber. Jedes Jahr werden hierzulande 25 bis 30 Frauen von Männern getötet. Fast immer durch Partner oder Ex-Partner. Fast immer nach Jahren der Vorwarnungen, Anzeigen, Drohungen. Fast immer hätte es verhindert werden können.

Warum?

Der Fall Jennifer Scharinger wird in Statistiken als eine Zahl geführt werden. Doch er steht exemplarisch für die Geschichten hinter diesen Zahlen: Frauen, deren Verschwinden als "Beziehungskonflikt" abgetan wurde, deren Tod als Schicksal interpretiert wurde, deren Warnungen ignoriert wurden. Mutter, Freundinnen, Geschwister, die mit dem Gefühl leben müssen, dass man früher hätte sehen, früher hätte handeln können. Die entscheidende Frage ist daher nicht, warum Frauen "bleiben", warum sie "nicht früher gehen", warum sie "nichts sagen". Die entscheidende Frage lautet: Warum hören Männer nicht auf, Gewalt auszuüben? Warum glauben so viele Männer, ihre Partnerinnen kontrollieren, bedrohen, bestrafen oder töten zu dürfen?

Veränderung ist möglich

Österreich hat kein geschlechtsneutrales Gewaltproblem. Österreich hat ein männliches Gewaltproblem. Die Zahlen sind kein moralischer Vorwurf – sie sind eine Realität. Eine, die nicht verschwinden wird, wenn wir sie nicht beim Namen nennen. Doch Veränderung ist möglich. Die zunehmende Sichtbarkeit von Betretungsverboten, die Arbeit der Interventionsstellen, die Mahnwachen, die Lichtermeere, die Namen – all das zeigt: Frauen sind nicht mehr bereit, im Schatten zu bleiben. Und viele Männer, Institutionen und gesellschaftliche Gruppen sind es ebenfalls nicht.

Mehr als ein Gedenken

Die Mahnwache "Für Jenni" ist deshalb mehr als ein Gedenken. Sie ist eine kollektive Aussage:
 Wir sehen hin. Wir hören nicht auf. Wir geben den Frauen ihre Namen zurück. Und wir stellen die Frage, die zu lange ungestellt blieb. Nicht, weil sie bequem ist, sondern weil sie notwendig ist. Was ist mit den Männern los? //

Veranstaltungs-Tipp:

Mahnwache "Für Jenni". Für Jennifer Scharinger und für alle Opfer von Femiziden 
14.12.2025, 16 Uhr
Heldenplatz, Erzherzog-Karl-Denkmal, 1010 Wien

Text: Manfred Horak
Foto: webandi / pixabay

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