Corona Dramolette; pixabay

Viele Gesichter und noch mehr Schicksale versammeln sich in den sechs Szenen dieser Corona Dramolette, die zeitlich knapp vor dem Neustart nach dem coronavirusbedingten Lock-down ansetzt.

1. Szene

Zwei Männer vor der Wirtschaftskammer.

Erster: Servus. Wo gehst hin?

Zweiter: Hinauf.

Erster: Wozu?

Zweiter: Mirs richten. Und du?

Erster: Ich auch.

Zweiter: Gehn wir halt miteinand. (Ab.)

(Verwandlung.)

2. Szene

Wien. Vor einem Café. Ein Kabarettist und ein Musiker, die mit leicht gerötetem Kopf nach der Demo für Kunst und Kultur miteinander reden - quasi über das Labyrinth, in dem sich jeder auskennt. Was für eine Wirtschaft!

Der Musiker: Wir sind keine Kulturnation, sondern eine Makulaturnation.

Der Kabarettist: No, geh, sog. Wie meinst denn das jetzt schon wieder?

Der Musiker: Unser Vizekanzler hat das g'sagt. Und der muss des wissen, is er ja doch auch für Kunst und Kultur zuständig.

Der Kabarettist: Und, wos hod er g'sogt?

Der Musiker: No, dass die im Budget für Kunst und Kultur vermerkten Zahlen durch die Coronavirus-Pandemie Makulatur sind, hat er g'sagt. Und er hat betont, dass man schon vor der Krise dem Bereich eine entsprechende Wichtigkeit gegeben hat, mit dem Nachsatz, immerhin seien elf Millionen Euro mehr budgetiert worden.

Der Kabarettist: Na bumm, des is jo... - Wie soll ma des jetz'n versteh'?

Der Musiker: Der Stolz auf das Kulturland Österreich ist nur ein Fähnchen am Stock.

Der Kabarettist: Elf Millionen mehr ... Da fällt mir ein - die Post hat rund 50 Millionen Euro in ihr neues Paketzentrum investiert. 13.500 Pakete pro Stunde können dort sortiert werden. Das meiste dort machen Maschinen. ... Paket sollte ma hoit sein und ned a Kabarettist oder Musiker.

Der Musiker: Ich hab auch g'les'n, dass ein Postvorstand im Schnitt 6.300 Euro am Tag verdient! Er hat also in drei Tagen mehr verdient als ein selbständiger Paketzusteller für die Post im ganzen Jahr…

Der Kabarettist (mit leicht wütend zittriger Stimme): Ich bin Witzezusteller, verdien' aber auch ned mehr.

Der Musiker: Wut ist gut. Da geht wos weiter. Ich schreib a Protestlied.

Der Kabarettist (mit resignierendem Tonfall): Ich glaub, mir fallen viel bessere Pointen ein, wenn ich satt bin.

Der Gutscheinhändler (geht draußen am Café vorbei): Gutscheine! Frische Gutscheine! Schweinshaxengutscheine! Achselhaargutscheine! Frische Gutscheine! Neu: Mit Makulatur-Bonus! Gutscheine! Frische Gutscheine! (ab.)

(Verwandlung.)

3. Szene

Zwei Zeitungsabonnenten treten auf.

Ein junger Zeitungsabonnent: Bei uns kommen die Züge meist zu spät.

Ein alter Zeitungsabonnent: Darum erwischt man sie ja noch.

Ein junger Zeitungsabonnent: Apropos: Nicht nur die Italiener sind bereit, österreichische Touristen wieder willkommen zu heißen. Weil, es ist eh schon alles wurscht und Corona haben sie schließlich auch überwunden.

Ein alter Zeitungsabonnent: Die Behörden haben alles richtig gemacht!

(Verwandlung.)

4. Szene

In der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Ein Telefongespräch.

Abteilungsleiter Vlk: Ja... Ja... Nein ... Ja, Ihnen wird geholfen ... 500 ... Wie meinen? ... Das ist so, wie wenn Sie einem Ertrinkenden zurufen, dass Sie Ihm den Schwimmkurs zahlen, aber nur, wenn er im Turnen einen Einser hatte? ... Dos vasteh i ned. ... Wie? ... Das ist zu wenig? Sind eh Euro ... Schau'n Sie, wir haben uns das ganz genau ausgerechnet ... Ja, 500 ... Wie? ... Kulturnation hin oder her ... Also, bitte ... Sie mich auch ... (legt erzürnt auf.) ... - Undankbare G'fraster, diese Leut' ... Kennt jo eh niemand... (schüttelt den Kopf) ... (schreit ins Nachbarzimmer) Gehn's Fräu'n Sibylle, bitte komman's ma her!

Fräulein Sibylle: Ja, bitte schön, Herr Vlk?

Abteilungsleiter Vlk: Ich diktierat ihna an formellen Brief an meinen lieben Freund Walther. Also: Sehr geehrter Herr Schrauber, lieber Walther. - (überlegt kurz) - Nein, das lieber Walther lassen's weg; Dass wir uns so gut kennen, tut ja nix zur Sache, nicht wahr? ... - Also: Sehr geehrter Herr Schrauber! Wie ich Ihnen mit großer Freude berichten darf, erhalten Sie für Ihr mit Stichtag 1. April 2020 neu gegründetes Partner-Unternehmen, der "International Trading Company", gemäß Ihres Angebots 4,5 Millionen Euro in den nächsten Tagen auf Ihr Konto gutgeschrieben. Hochachtungsvoll, und so weiter.

(Verwandlung.)

5. Szene

Marktplatz in Vorarlberg. Vor einer Konditorei. Eine Tänzerin und eine Schauspielerin im Gespräch über digitale Welten. Ein Passant, seine Begleitung und die Kellnerin der Konditorei, die vor dem Geschäftslokal zu tun hat, hören zu.

Die Schauspielerin: Kennst du TikTok?

Die Tänzerin: Kenn ich nicht. Ich hör' lieber Michael Jackson.

Die Schauspielerin: Was reimt si scho auf Michael Jackson ... - Nein, das ist keine Musikband. Das ist ein Soziales Netzwerk, von dem mitunter 14-Jährige erklären, sie seien bereits zu alt dafür.

Die Tänzerin: ...Satisfaction?...

Die Schauspielerin: Unser Kanzler flutet TikTok, heißt es.

Ein Passant: Als Mensch ein Genie, als Staatsdiener nur ein Talent.

Seine Begleitung: Norbert Hofer auch. Der ist dort mit Hundeschnauze und Hundeohren zu sehen.

Die Kellnerin der Konditorei (kehrt mit einem Besen vor dem Geschäftslokal): Apropos Hund: Doja Cat ist erst seit Februar auf TikTok, aber laut Pitchfork schon jetzt die Queen des Netzwerks.

Die Schauspielerin: Auf TikTok spielen Political-Correctness-Debatten keine wirkliche Rolle.

Die Tänzerin: Gefährlich ist nicht irgend eine App ...

Die Schauspielerin: ... sondern die Dummheit der Menschen.

Die Tänzerin (zur Kellnerin gewandt): Und, was glauben Sie?

Die Kellnerin: Ich bin Veganer.

(Verwandlung.)

6. Szene

Zwei Männer vor der Wirtschaftskammer nach dem Besuch bei eben dieser. Ein Streitgespräch, das keine Argumente mehr zulässt, sondern nur noch Beschimpfung.

Erster: Du Trump!

Zweiter: Du Volltrump! (Ab.)

(Verwandlung.)

Text: Manfred Horak
Ursprungstext 1. Szene: Karl Kraus
Foto: pixabay

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