Martin Puntigam; Foto: Manfred Horak

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Seit 30 Jahren fordert Martin Puntigam mit seinen radikalen Alter Egos heraus, was sich dem Publikum so alles zumuten lässt.

Martin Puntigam: Ein Porträt zum 30-jährigen Bühnenjubiläum

Martin Puntigam nach seinem Auftritt aufzufinden, braucht ein Sich-zwei-Mal-Umschauen. Der selbsternannte Eyecatcher der Science Busters, der in seinem aktuellen Stück "Glückskatze" im knallpinken Anzug alle Blicke auf sich zieht, sitzt bei schummrigem Licht in legeren Jeans und dunkelblauem Baumwoll-Shirt am Tresen des Kabarett Niedermair. Ein kleiner Rest von Eitelkeit ist geblieben: für Pressefotos hat er seine schönste Maske mit blau-braunem Kunstdruck aus der Garderobe geholt. Verschwunden ist hingegen jede Spur von Präpotenz und radikaler Dramatik, die Martin Puntigam noch Minuten zuvor in seinem Stück verkörperte. Bei der Frage, ob er abseits der Bühne viel mit seinen Alter Egos gemein habe, muss Martin Puntigam lange lachen, bevor er Antwort geben kann. "Meine Frau ist ab und zu gefragt worden, wie sie mit mir zusammen sein kann, weil ich ja so ein monströser Typ bin. Aber privat bin ich ein ganz freundlicher, handzahmer und unspektakulärer Mensch". In der Kategorie Action würde er einen halben Bewertungsstern bekommen und das sei schon dick aufgetragen, verrät er. Es gäbe da eine Faustregel: "Die meisten, die auf der Bühne Arschlöcher spielen, sind eigentlich ganz nette Menschen".

Die Bühnenphilosophie von Martin Puntigam

Martin Puntigam Foto von Manfred HorakDie Karriere von Martin Puntigam startete im Jahr 1989. An seinen ersten Auftritt beim Grazer Kabarett- und Kleinkunstwettbewerb Kleinkunstvogel kann er sich noch genau erinnern. Wiederholen würde er ihn aber nicht, sagt Martin Puntigam spitzbübisch verlegen. "Ich war damals ein schlichtes Gemüt aus einer kleinen Stadt und habe gedacht, ich bin der Größte. Eine ungünstige Kombination. Schon fünf Jahre später habe ich mich dafür geniert." Ein bisschen Stolz steckt in seiner Anekdote aber doch: Seine jugendliche Überheblichkeit hat dem Kabarettisten, der auf der Bühne keinen Genierer kennt, letztendlich den Erfolg gebracht: "Ich war überzeugt, dass ich gewinne. Bei der Vorentscheidung habe ich sogar das schlechtere meiner zwei Sets gespielt, um mit meinem Bracholder [Urwienerisch für Fausthieb; Anm.] im Finale aufzutreten." Er muss kopfschüttelnd lachen. Denn viele Jahre später hat Martin Puntigam erfahren, dass die Jury im Theatercafé seinen Auftritt ganz furchtbar gefunden hat. Während es anderen nicht an Talent, sondern an Mut gefehlt habe, sei ihm seine Scheiß-drauf-Mentalität und sein Hang zur Theatralik und Kostümierung - ein Relikt aus seiner langjährigen Ministrantenkarriere - zugute gekommen. "Ich bin oben ohne auf die Bühne gegangen und habe einen mordsdrum Saustall gemacht. Ich dachte, wenn ich damit durchkomme, dann geht sich's aus. Wenn man sich nur traut, ist das schon die halbe Miete." Diese Bühnenphilosophie hat Martin Puntigam sich beibehalten. Selbst als das Kabarett begonnen hat, "schlichter und unterhaltsamer" zu werden.

Gegen den Strom

Seine ersten Auftritte hatte Martin Puntigam in der Blütezeit des österreichischen Kabaretts. "Als es noch ein politisch relevantes Medium war", merkt er an. Das habe sich nämlich Ende der 1990er Jahre geändert. Martin Puntigam wollte - wie seine Vorbilder Josef Hader oder Gerhard Polt - Abende mit drastischen Figuren entwerfen und eine Geschichte erzählen. "Die gesellschaftspolitische Entwicklung aufs familiäre herunterbrechen, damit sich selbst politisch uninteressierte Menschen über die Lage im Land Gedanken machen." Das ist ihm wichtig. Ende der 1990er Jahre wäre das Kabarett zu einem Riesengeschäft und darum auch gefälliger geworden. "Ich bin in die Gegenrichtung gegangen und probierte, was man dem Publikum so alles zumuten kann. Obwohl es schwieriger wurde, für meine aversiven Charaktere eines zu finden", so sein Resümee. Sich für das Stück "Spam" (2000) nackt, nach vorne übergebeugt zu fotografieren, sei "überraschend schlecht angekommen".

Enfant terrible mit Sympathie für Hamster

Martin Puntigam Pic by Manfred HorakMartin Puntigam ließ sich aber nicht davon abhalten, seine "gierigen, verlogenen, wehleidigen und dann doch auch grausamen Charaktere, die sich die Welt zurecht lügen" in Variationen weiterzuspielen. Lange überlegt er bei der Frage, worüber er in seinen Satiren niemals Witze machen würde. "Solange meine Figuren sich auf die Seite der Schwächeren stellen und die Dramaturgie es verlangt, wüsste ich nicht, wo es eine Schmerzgrenze gibt", sagt Martin Puntigam überzeugt und rutscht ein Augenzwinkern später in die Rolle des provokativ-charmanten Entertainers. "Aber ich denke mir keine Stücke aus, wo ich auf der Bühne auf einen Hamster draufsteige und den ums Eck bringe! Wehrlose Kreaturen aus dramaturgischen Gründen zu quälen, das würde ich bleiben lassen", kann er sich sein Lachen nicht verkneifen.

Wissenschaft verpackt in Humor

Sein Medizinstudium hat Martin Puntigam zugunsten einer Karriere auf der Bühne nach vier Semestern abgebrochen. Den faustschen Moment Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, hat Martin Puntigam aber nie gehabt: "Ich habe mir gedacht, entweder ich werde ein mittelmäßiger Arzt oder ein mittelmäßiger Kabarettist. Oder: Ich versuche, eins von beiden ordentlich zu machen." Mit Blick auf seine Karriere erscheint diese Entscheidung nicht groß ins Gewicht zu fallen. Denn seine naturwissenschaftlichen Interessen hat Martin Puntigam nicht aufgegeben, sondern schon in den 1990er Jahren zu seinem Markenzeichen gemacht, das ihm spätestens Mitte der 2000er Jahre als MC der Science Busters zum großen Durchbruch verholfen hat: die Liebe zur Wissenschaft in Humor verpackt, um selbst die schwierigsten Rätsel des Universums einem breiten Publikum begreiflich zu machen. //

Text: Jutta Steiner
Fotos: Manfred Horak

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