Bud Spencer war für die Öffentlichkeit längst nicht mehr greifbar, schirmte sich und vor allem seine Familie beinahe vollständig ab. Und trotz einer immer noch schier unglaublichen großen Zahl an Fans hatte er weder eine eigene Website noch ein Management. Nur eine Sekretärin, die wohl aufgrund ihres stolzen Alters ohne Computer arbeitet und ausschließlich italienisch spricht. Ganz abgesehen davon musste die gesamte ambitionierte Produktion "Sie nannten ihn Spencer" von den beiden jungen österreichischen Filmemachern Sarah Nörenberg und Karl-Martin Pold komplett eigenfinanziert werden. Hier hielt man sich wohl eher unfreiwillig an einen von Spencers frühen Filmtitel "Die letzte Rechnung zahlst du selbst". Doch man gab nicht auf und fand über die Internet-Fangemeinde weit mehr als nur "Zwei bärenstarke Typen", die bei der Finanzierung halfen, und spätestens ab da hieß es dann "Zwei sind nicht zu bremsen".
Quentin Tarantino's Hommage
Das Endergebnis, "Sie nannten ihn Spencer", ist auf kurzweilige Art unterhaltsam und nicht nur für echte Fans informativ. Zu Wort kommen Filmwissenschaftler, Regisseure, Freunde, Wegbegleiter, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Stuntleute, Schauspielerkollegen, sowie Terence Hill und Bud Spencer himself. So erfährt man unter anderem, dass viele der Gags erst unmittelbar am Set entstanden sind, es in Quentin Tarantino‘s "Django Unchained" eine kleine Hommage an die Spencer/Hill-Filme gibt und Komponisten stolz darauf sind, dass es ihre Musik auch heute noch zahlreich im Internet als Klingeltöne zu finden gibt.Bemerkenswert ist die interessante Herangehensweise, mit der sich die jungen Filmemacher der Materie nähern. So werden zwei Fans beim Versuch ihr großes Idol persönlich zu treffen, mit der Kamera auf einem amüsanten Road-Trip quer durch Europa begleitet. Beide tragen ihr Schicksal gleichsam würde- wie humorvoll. Jorgo liebt die Spencer-Filme, wiewohl er von Geburt an blind ist, Marcus brach sich bei einem Schiunfall einen Halswirbel und drohte gelähmt zu bleiben. Letzterer möchte sich bei Spencer persönlich dafür bedanken, dass er in den zermürbenden Monaten, die er ans Bett gefesselt war, dank seiner Filme erstmals wieder lachen konnte.
Bud und Terence schlagen den weißen Hai
Beide finden auf einem Fantreffen zueinander und beschließen im Zuge dessen, sich auf die abenteuerliche Suche nach Spencer zu machen. Das ungleiche Paar, das optisch frappant an Spencer und Hill erinnert, begibt sich in einem alten VW-Bus auf die Reise, die sie unter anderem nach Berlin, Paris und Rom führt. Dabei liefern sie sich wie ihre Vorbilder verbale Scharmützel und stellen Filmszenen nach. Immer wieder wird das Geschehen mit original Filmausschnitten von markigen Sprüchen aus den kultigen Filmen passend kommentiert und aufgelockert. Untermalt wird das Ganze mit einem scheinbar unerschöpflichen Fundus an Titeln des bereits zur Filmgeschichte zählenden, Original-Soundtracks von "Oliver Onions". Erwähnung finden auch ebenso beeindruckende, wie unerwartete Fakten: Der Film "Vier Fäuste für ein Halleluja" war im Zeitraum der 1970er Jahre in Deutschland der erfolgreichste Film mit 11,3 Millionen Besuchern. Klassiker wie "Krieg der Sterne" und "Der weiße Hai" brachten es im selben Zeitraum zusammen auf "nur" 12 Millionen Kinogänger.
Das Leben vor dem Film
Seltene Archivaufnahmen und Fotos von Bud Spencers Sportler-Karriere sind ebenso sehenswert. Sie zeigen Carlo Pedersoli (so Spencers bürgerlicher Name) als Vorzeigeathlet mit entsprechend muskulöser Figur. Nicht allen dürfte bekannt sein, dass er im italienischen Wasserball-Nationalteam, neunfacher italienischer Schwimmmeister, sowie zweifacher Olympiateilnehmer war. Dort im Schwimmklub sind sich Spencer und Hill auch erstmals über den Weg gelaufen. Hill war damals zwölf Jahre alt und Spencer für ihn ein unerreichbares Vorbild. Damals dachte wohl noch niemand daran, dass beide später gemeinsam Filmgeschichte schreiben würden. Dass die von Spencer im Film dargestellte Figur noch immer auf der ganzen Welt populär ist, über 5000 Fangruppen im Netz hat, und die Resonanz auch nach 30 Jahren noch riesig ist, liegt einerseits in der Darstellung von Spencer und Hill begründet, andererseits an der universellen Sprache der Filme, die auf der ganzen Welt funktioniert. Denn wie im Märchen gewinnen die Guten und die Bösen werden bestraft. Fans der Beiden bezeichnen sich selbst als "eine große Familie von Bekloppten" und Spencer als einen Freund, den man nie getroffen hat. Die beiden Protagonisten dieser Doku haben dieses Glück letztendlich. Allen anderen bleibt nach dem Tod von Big Bud immerhin noch "Sie nannten in Spencer" und sein lebensbejahendes filmisches Vermächtnis, welches man standesgemäß am besten mit Bohnen und Speck genießt. //
Text: Bernd Kronawetter
Fotos: epo film
Diese Filmkritik entstand beim Workshop "Filmkritiken schreiben" im Rahmen der Diagonale 2018 unter der Leitung von Manfred Horak (Kulturwoche.at) in Kooperation mit Diagonale - Festival des österreichischen Films, Kleine Zeitung und Radio Helsinki. Bei Radio Helsinki entstand mit der Moderatorin Irene Meinitzer auch nachfolgende 60-minütige Live-Sendung.
Film-Info:
Sie nannten ihn Spencer
Bewertung: @@@@@
Dokumentarfilm, AT/DE 2017, 122 min, dOV
Regie und Buch: Karl-Martin Pold
Darsteller/innen: Marcus Zölch, Jorgo Papasoglou, Bud Spencer, Terence Hill
Kamera: Jens Fischer, Serafin Spitzer
Schnitt: Thomas Vondrak
Originalton: Daniel Fischer
Musik: Oliver Onions
Produzent/innen: Dieter Pochlatko, Jakob Pochlatko, Karl-Martin Pold, Thomas Král
Produktion: epo-film
Koproduktion: Departures Film (DE), Buddy Lane Productions