Interview mit Clara Luzia Foto Bitzan

Eines meiner Lieblingsalben von 2025 ist erstmals seit längerem wieder einmal ein Album aus Österreich, nämlich "Horelia" von Clara Luzia & The Quiet Version.

Die Besonderheit des Albums beginnt bereits, bevor man auch nur einen Ton hört. Die Cover-Gestaltung mit dem Bild "Screensaver" (2021) von Eva Beresin erzielt Aufmerksamkeit mit den fröhlich anmutenden Farben und den seltsamen Figuren. Hybride, irgendwo zwischen Tier, Mensch und Fantasie. Groteske Körper, die irgendwie unfertig aussehen, vielleicht weil sie grad in Transformation sind. Für Eva Beresin existiere keine falsche Malerei, wie sie einmal betonte. Das erste Mal in einem österreichischen Museum präsent war Eva Beresin 2024 in der Gruppenausstellung "The Beauty of Diversity" in der Albertina Modern und in der Einzelausstellung "Thick Air" in der Albertina. Nun auch auf "Horelia", dem neuen Album von Clara Luzia, das auf Vinyl erhältlich ist. Es fügt sich gut zusammen.

Interview mit Clara Luzia Horelia Cover

The Quiet Version

Elf Lieder präsentiert die Sängerin und Multiinstrumentalistin auf ihrem 10. Album. Im Jahr 2006 erschien mit "Railroad Tracks" das Debüt-Album von Clara Luzia. Bereits für ihr zweites Album "The Long Memory" wurde sie mit dem Amadeus ausgezeichnet. Ein paar Jahre später war sie in der Kino-Doku "Oh yeah, she performs" in ihrem künstlerischen Element zu sehen. Seither hört man ihre begeisternde Musik auch in Spielfilmen, wie z.B. in "Das finstere Tal" und "Waren einmal Revoluzzer", für das sie einen Romy erhielt, sowie in Theaterstücken, wie zuletzt in Alte Meisterin und "Ich bin Ruth", sowie ab Jänner 2026 in "Eskalationsmaschinen". Im darauffolgenden März wird sie auch wieder mit ihrer Band The Quiet Version auf Tour gehen.

Interview mit Clara Luzia Foto Apollonia Theresa Bitzan

Interview mit Clara Luzia

Die Melodie gibt mir vor, welche Sprache besser passt

Auffällig am Album ist auch, dass die A-Seite auf Vinyl mit englischsprachigen Songs daherkommt, während die B-Seite ausschließlich deutschsprachige Lieder enthält. Ob die Auftragsarbeiten für Film und Theater für Clara Luzia ein geeigneter Weg waren nun auch Lieder in deutscher Sprache auf dem Album zu veröffentlichen, beantwortet die sympathische Musikerin so: "Ich habe eh auch immer deutschsprachig geschrieben, aber ich wollte sie nicht als Clara Luzia veröffentlichen, weil das war damals eine bewusste Entscheidung, dass ich englisch singe. Kombinieren wollte ich nicht, weil die jeweilige Sprache ganz andere Welten aufmacht. Durch die Theaterarbeiten der letzten Jahre wo ich fast immer Deutsch gesungen hab, merkte ich, dass ich es eigentlich schade finde, dass ich so wenig deutschsprachiges mache. Bei der Zusammenstellung für Horelia dachte ich, dass es eine gute Möglichkeit ist, die deutschsprachigen Sachen endlich wieder anzubringen." Die Entscheidung in welcher Sprache der Text sein soll, erklärt Clara Luzia damit, dass die Sprache meistens über die Melodie entsteht. "Ich weiß vorher selten, ob ich ein deutschsprachiges Lied schreiben werde oder ein englischsprachiges. Die Melodie gibt mir vor, welche Sprache besser passt."

Dialekt und ich sind nicht die besten Freundinnen

Beim Lied "bla bla bla" wiederum fällt auf, dass man fast schon glaubt, dass sie im Wiener Dialekt singt. Es klingt an manchen Stellen danach, weil sie die Silben so dehnt und manche Wörter stark phrasiert. Clara Luzia: "Das kommt halt raus, wenn eine die nicht Dialekt kann, versucht wie Dialekt zu singen." (Lacht.) Ich wollte dieses Lebensgefühl, wenn man es so nennen möchte, oder diese Stimmung, transportieren – dieses bisschen verhatschte, raunzerte, wurschtige. Zuhause wurde immer hochdeutsch gesprochen und mir wurde oft vorgeworfen, dass ich wie eine Schreibmaschine rede. Dialekt und ich sind jedenfalls nicht die besten Freundinnen."

So nahm das Schicksal seinen Lauf

Dieses Sprachgefühl, und dass Clara Luzia wusste, dass sie Musikerin werden möchte, kam zustande, da sie bereits als Kind sehr gelesen hat und sie quasi mit dem Mindset sozialisiert wurde, dass Kultur und Kunst sehr wichtig ist und dass es einen Wert hat. "Ich hatte außerdem eine beste Freundin vom Kindergarten bis in die Pubertät", so Clara Luzia, "deren Eltern eine riesige Plattensammlung hatten. Die waren auch extrem cool und hatten z.B. ihre Kinder aus der Schule genommen, damit sie nach New York fliegen können, um Prince live zu sehen. Die waren wirklich sehr, sehr cool. Das war dann so meine popmusikalische Erweckung, weil diese Plattensammlung war ein Traum. Da lernte ich sehr viel unterschiedliche Musik kennen und habe dann begonnen erste Lieder zu schreiben. Am Anfang halt nur so zum Spaß und dann in der Pubertät mit dem ganzen Weltschmerz – ja", lacht Clara Luzia, "und so nahm das Schicksal seinen Lauf."

Ohne eigenes Label wäre längst schon alles vorbei

Von Beginn an hat Clara Luzia ihre Alben auf dem eigenen Label Asinella Records veröffentlicht und das war, wie sie im Gespräch betont, eine wahnsinnig gute Entscheidung von ihr damals, ein eigenes Label zu gründen, weil es ihr ermöglicht hat, bis heute von der Musik leben zu können, da sämtliche Rechte bei ihr liegen. "Auf dem Niveau, auf dem ich jetzt unterwegs bin, würde das sonst nicht gehen, wäre ich bei einem Label und bei einem Verlag", erklärt Clara Luzia. "Da wäre längst schon alles vorbei. Ich bin echt froh, dass ich das so gemacht habe. Anfangs war ich auch sehr gerne eine Label-Chefin und hatte auch andere Bands am Label. Ich war dann aber so viel auf Tour und konnte die Bands nicht mehr so betreuen wie ich selber das wollte. Ich finde, das hat auch eine Verantwortung, weil die Künstlerinnen erwarten, dass ein Label für ihr Album Werbung macht und dass ich mich reinhaue. Auch finanziell war's halt, dass ich mit Clara Lucia alles andere querfinanzierte – das kann man auch eine Zeit lang machen aber irgendwann musste ich halt sagen, gut, ich muss schauen, dass ich auch leben kann und dann hab ich aufgehört andere Künstlerinnen und Bands auf dem Label zu releasen."

Interview mit Clara Luzia Bandfoto The Quiet Version

Ich lasse die Türen für möglichst viele offen

Auf "Horelia" gibt es einige Lieder mit deutlichen Statements und Überlegungen zu komplexen und dringenden Problemen unserer Zeit. Für Clara Luzia sind es immerwiederkehrende Themen, die sie ein Leben lang umtreiben. "Mir ist klar", so Clara Luzia, "dass nicht alle die ganze Zeit meine Öko-Ängste hören wollen und viele auch damit nichts anfangen können. Ich lasse die Türen für möglichst viele offen, indem ich nicht immer so eindeutig und explizit bin, sondern halt hoffe, dass die Leute, die es verstehen können, wissen, was gemeint ist, und zugleich auch andere Interpretationen Platz haben."

Zwischen totaler Verzweiflung und Resthoffnung

Im letzten Lied vom Album, "Alles einmal aus", heißt es in der Eingangszeile "Es ist alles einmal aus und dann / werden wir wieder von vorn anfangen / selbst wenn wir liegen schon im Erdenloch / für’n Regenwurm reicht’s immer noch…" Diese Textzeile und der Liedtext insgesamt steht in einer Tradition von Liedern wie "Big Yellow Taxi" von Joni Mitchell ("They paved paradise and put up a parking lot") oder "(Nothing But) Flowers" von Talking Heads ("This was a discount store / Now, it's turned into a cornfield / You’ve got it, you've got it / Don’t leave me stranded here / I can't get used to this lifestyle") oder "Wann" von Rio Reiser ("Du sagst, du willst die Welt nicht ändern / Dann tun's eben andere für dich / Und der Wald, in dem du vor Jahren noch gespielt hast / Hat plötzlich ein steinernes Gesicht / Und die Wiese, auf der du grade noch liegst / Ist morgen 'ne Autobahn / Und wenn du jemals wieder zurückkommst / Fängt alles von vorne an"). Ihr sei natürlich klar, dass sie nicht die einzige ist, die solche Überlegungen in Liedtexte überträgt, sie sei vielmehr froh, dass es auch andere machten und machen und sie da nicht alleine ist. Die Sorge, wie es angesichts der Klimakatastrophe weitergeht fließt wie bereits erwähnt bei einigen Liedern auf "Horelia" ein. Für Clara Luzia gibt es kein größeres Problem als das, wie sie im Interview bestätigt. Auf die Frage, ob sie diesbezüglich einen Optimismus oder einen Zweckoptimismus entwickelt hat oder eher einen Fatalismus oder schlimmstenfalls einen Nihilismus, beantwortete sie sehr zögerlich: "Da habe ich jetzt noch keine Position. Ich bin eigentlich recht ratlos und das changiert zwischen totaler Verzweiflung, Ohnmacht, nicht-packen-können was da passiert und Resthoffnung. Ja, sehr viele Gefühle." //

Text und Interview: Manfred Horak
Fotos: Apollonia Theresa Bitzan

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