24 Weihnachtsalben by pixabay

Inhalt

Vom 1. bis 24. Dezember wird täglich ein Weihnachtsalbum vorgestellt und in diesem Artikel hinzugefügt, gewissermaßen als musikalischer Wegweiser durch die Adventszeit. 24 Weihnachtsalben, die es wert sind gehört zu werden.


 

1. Dezember

Samara Joy: A Joyful Holiday (Verve Records, 2023)

Die Zeiten sind dunkel, aber es gibt auch Licht, das immer wieder (verzweifelt oder nicht) die Düsternis zu durchbrechen versucht. An dieser Stelle soll daher ein freudvolles Weihnachtsalbum den Beginn machen, nämlich das Mini-Album "A Joyful Holiday" von der Jazzsängerin Samara Joy, die für ihr Album "Linger Awhile" (Verve Records, 2022) und der Single "Tight" mit zwei Grammy Awards (bestes Vokal-Jazz-Album und Bester Neuer Künstler) ausgezeichnet wurde.

24 Weihnachtsalben Samara JoyDie Weihnachts-EP der jungen Sängerin liefert den perfekten Einstieg in den Dezember, heißt das erste Lied doch "Warm in December". Ein Song, der erstmals 1956 von Julie London für das Album "Calendar Girl" aufgenommen wurde, das auf dem Cover eine Fotografie von ihr für jeden Monat des Jahres zeigt, ähnlich wie die Posen im Playboy-Magazin. Dieser Idee folgend brauchte die Sängerin freilich auch für jeden Monat einen Song, und so entstanden exquisite Versionen von Liedern wie "June In January", "I’ll Remember April", "Sleigh Ride In July" und eben auch "Warm in December". Samara Joy zollt aber nicht nur Julie London Tribut, sondern folgt auch Vocal-Jazz-Vorbildern wie Ella Fitzgerald, wenn die 1999 geborene z.B. in großartiger Manier "Have Yourself a Merry Little Christmas" intoniert. Das einzige Manko von "A Joyful Holiday" besteht eigentlich darin, dass nur sechs Lieder enthalten sind, neben den zwei erwähnten sind da noch "The Christmas Song" (eine Studio- und eine Live-Version) sowie "Twinkle Twinkle Little Me", das 1965 von den Supremes aufgenommen und etwas später auch von Stevie Wonder veröffentlicht wurde. Mit "O Holy Night" beweist Samara Joy schließlich, welch außergewöhnliche Sängerin sie ist, die sämtliche Vergleiche mit all den großen Namen locker Stand hält. "O Holy Night" erweist sich als eine umwerfende Gospelversion, so wie auch die Live-Version vom "Christmas Song", den sie gemeinsam mit ihrem Vater im Duett singt, von atemberaubender Schönheit ist. Musikalisch kann jedenfalls in den Dezember kaum besser gestartet werden. Diese Weihnachts-EP gibt es in unterschiedlichen Formaten, so u.a. auch erfreulicherweise in einer klanglich sehr schön aufbereiteten Vinyl-Version, die an dieser Stelle besonders ans Herz gelegt wird. //

2. Dezember

Kate Bush: 50 Words For Snow (Fish People, 2011)

Um über den strengsten Winter zu kommen gibt es einige nützliche Rezepturen, eine davon ist "50 Words For Snow" auf CD oder Vinyl zu hören, das 10. und weiterhin aktuelle Studio-Album mit neuen Liedern von Kate Bush, das nun auch als limitierte Vinyl-Edition erhältlich ist, illustriert von Timorous Beasties, gestaltet von Fish People und ausgeliefert mit einer speziellen Weihnachtskarte. Die sich küssenden zieren das Originalcover von 2011, der Schneemann mit Hut und Karottennase ziert das Cover der Mitte November 2024 veröffentlichten Sonderpressung.

24 Weihnachtsalben kate bush24 Weihnachtsalben 50 words for snow

Dennoch ist "50 Words For Snow" per se kein Weihnachtsalbum im eigentlichen Sinne und auch kein Album, das den Adventszauber (oder was davon übrig blieb) besingt, die darauf enthaltenen sieben Lieder sind vielmehr Schnee- und Winterlieder ohne "Last" oder sonstige "Christmas-es". Man hört zwar winterliche Impressionen wie z.B. Schneesturm und Glocken im Song "Wild Man" - andere Klischees wie wir sie aus der Weihnachtsliedliteratur kennen, kommen bei Frau Bush jedoch nicht vor. Mystik gibt den Ton an, aber auch Themen wie Vergänglichkeit und Wiedergeburt.

Drei Lieder auf dem Album besitzen fast schon einen Popsong-Charakter, eines davon, "Snowed In At Wheeler Street" mit einem unglaublich starken Gesangsauftritt von Elton John, erzählt die Geschichte zweier Königskinder, die nicht zueinanderfinden. Besonders auffällig ist auch der Titelsong. Fünfzig Wörter für Schnee in fast ebenso vielen Sprachen, u.a. in der Sprache der Fantasie. Und da hört man dann so schöne Begriffe wie "Vanilla Swarm. Whippoccino. Boomerangablanca. Whirlissimo.", vorgetragen von Professor Joseph Yupik alias Stephen Fry (ja, der Schauspieler), durchnummeriert und angetrieben von Kate Bush.

Aber, Vorsicht! Das mit einem aufwändig gestalteten Booklet versehene Album funktioniert nicht, wenn man es nur beiläufig und nebenher hört. Man benötigt 65 Minuten 11 Sekunden Zeit, um den sieben Songs die ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Es zahlt sich aus. //

3. Dezember

Vince Guaraldi: A Charlie Brown Christmas (Fantasy Records, 1965)

Ein zeitloser Jazz-influenced Soundtrack, der genauso wenig altert wie Peanuts, Woodstock, Sally, Lucy, Linus, Schroeder und all die anderen Freund*innen von Charlie Brown, die der US-amerikanische Autor und Zeichner Charles M. Schulz 1950 zum Leben erweckte, ist genau die richtige Musik für den 3. Dezember (und natürlich auch darüber hinaus).

24 Weihnachtsalben Vince GuaraldiVince Guaraldi komponierte in genuiner Form die Musik dazu, als 1965 erstmals ein längeres Charlie-Brown-TV-Special realisiert wurde, und zwar mit eben diesem Weihnachtsbezug.

Zur Erinnerung die Story in aller Kürze: Obwohl er weiß, dass das bevorstehende Fest ihn fröhlich stimmen sollte, ist Charlie Brown in der Weihnachtszeit immer nur deprimiert. Er fühlt sich von der Kommerzialisierung abgestoßen, die selbst seine engste Umgebung erfasst hat...

Die Verantwortlichen des Senders waren zunächst mehr als skeptisch und glaubten, dass dieser erste Fernseh-Zeichentrickfilm A Charlie Brown Christmas (dt. Die Peanuts – Fröhliche Weihnachten) zum Misserfolg wird. Grund für diesen Zweifel waren die schlichten Animationen, die Erzählweise, der Verzicht auf Lachkonserven und die Verwendung von Jazz.

Die Herren Verantwortlichen lagen in allem falsch: Nicht nur der Zeichentrickfilm, sondern auch der Soundtrack wurden längst zum Weihnachtsklassiker. Alleine das Album A Charlie Brown Christmas verkaufte sich bis heute weit über fünf Millionen Mal und ist seit 2009 regelmäßig in den US-amerikanischen Billboard-Albumcharts vertreten. Billboard kürte das Album sogar zum besten Weihnachtsalbum aller Zeiten und bei Rolling Stone landete es auf Platz 4. Der wichtigste Effekt des Albums liegt allerdings darin, dass Vince Guaraldi mit diesem Album Kindern Jazz näher bringt, näher als z.B. ein Miles Davis, dessen Kind of Blue das meistverkaufte Jazz-Album ist. Dahinter rangiert aber bereits A Charlie Brown Christmas. Zudem wurde die Guaraldi-Komposition "Christmas Time Is Here" auch als einzelnes Musikstück zum Weihnachtsstandard, gecovert u.a. von Tony Bennett, Mariah Carey, Al Jarreau, Norah Jones, Diana Krall, R.E.M., Steve Vai...

Die Erstveröffentlichung auf LP erschien im Dezember 1965 als Stereo- und als Mono-Version, seither sind etliche weitere Versionen in allen möglichen Formaten erschienen, u.a. 2019 als 3“-Single in begrenzter Stückzahl mit den vier Songs "Christmas Time Is Here" (Vocal), "Skating", "Linus and Lucy" und "Hark, The Herald Angels Sing". Ein Remaster des Albums (auf Blu-ray, CD und Doppel-Vinyl) wurde zuletzt 2022 veröffentlicht. //

4. Dezember

The Burns Sisters: Tradition: Holiday Songs Old & New (Philo Records, 1996)

Eine meiner Reisen durch die USA führte mich zu einigen Folk-, Blues- und Jazzfestivals. Bei einem dieser Festivals, irgendwo in Colorado mit Blick auf die Rocky Mountains, lernte ich The Burns Sisters kennen. Obwohl es Sommer war, kaufte ich mir auf Verdacht hin auch deren Weihnachtsalbum "Tradition: Holiday Songs Old & New".

24 Weihnachtsalben The Burns Sisters24 Weihnachtsalben The Burns Sisters Tradition Back Cover

Das Album gibt es nur auf CD und im Streaming, bis heute leider nicht auf Vinyl. Das ist auch schon das einzige Manko, denn dieses Weihnachtsalbum hebt sich wohltuend vom Gros an Alben in diesem Konzeptgenre ab. Jeannie, Annie und Marie Burns liefern hier ein völlig unkitischiges, dafür umso stimmigeres und mit wunderschönen Harmonien versehenes Statement ab, worum es in Weihnachten geht.

Gleich zu Beginn des Albums heißt es, "and we'll sing the songs that we love. / When we sing the angels look down from up above. / Oh holy night, stars so bright. Singing the songs we love." Marie Burns schrieb dieses flotte Country-Lied mit dieser großen Melodie, das eigentlich das Zeugs zu einem Standard hat, so wie auch die zweite Eigenkomposition, "This Christmas" von Annie Burns, aber, nun ja, weder diese zwei Lieder noch das Album wurde aus kommerziellen Gründen veröffentlicht. Marie Burns: "We consider this a special album, because we decided to do it strictly for love. We didn't make it for radio airplay or for record companies. We just wanted to make a recording for ourselves and our families."

Das Album bekam (in der Folk-Communitiy in den USA und Kanada) jedoch ein Eigenleben und wurde zu einem respektablen Erfolg. Auch große Zeitungen bedachten The Burns Sisters für dieses Album mit viel Lob. Nicht ohne Grund: "Tradition: Holiday Songs Old & New" ist nämlich beileibe kein herkömmliches Folk- oder Country-Album mit den üblichen Weihnachtsliedern, sondern liefert eine Reise quer durch unterschiedliche Kulturen.

Die Lieder reichen vom Afro-amerikanischen Gospel ("Children Go Where I Send Thee"), führen ins 13. Jahrhundert der persischen Poesie von Jellalluddin Rumi ("Come Come") und bis nach Israel, um für Frieden für Jerusalem und für Israel zu beten ("Shaloo Shalom Y'Rushalayim"), sowie nach Irland ("Golden Cradle"), in die römisch-katholische Kirche St. Nikola in Oberndorf bei Salzburg ("Silent Night") und nicht zuletzt zu den tibetanischen Friedensgebeten ("Tibetan Prayer for Peace"). Ein Album, das jedes Jahr wieder sehr viel Freude bereitet und auf Discogs recht preiswert erhältlich ist. //


5. Dezember

Frank Sinatra: A Jolly Christmas From Frank Sinatra (Capitol, 1957)

Long Playing  . High Fidelity kann man auf frühen Pressungen von "A Jolly Christmas From Frank Sinatra" lesen – ein Attribut, das im Jahr 1957 nicht selbstverständlich war, denn das Medium Vinyl-Schallplatte als 12“-LP steckte da noch in den Kinderschuhen.

24 Weihnachtsalben Frank Sinatra Cover24 Weihnachtsalben Frank Sinatra Vinyl Seite 1

Auf der Coverrückseite des Original-Art-Work liest man, dass Frank Sinatra die genau richtige Wahl für ein solches Album sei, die Brücke gekonnt schlagen zu können auf Plattenseite 1 junge, populäre Weihnachtslieder zu interpretieren und auf Seite 2 die traditionellen, festlichen Lieder aus der Kirche zu singen. Es war nicht das erste Mal, dass er Weihnachtslieder aufnahm (1948 erschien "Christmas Songs by Sinatra" als Schellack bei Columbia Records), aber es war sein erstes full-length Weihnachtsalbum, und es sollte auch nicht sein letztes bleiben – drei weitere folgten: "Have Yourself a Merry Little Christmas" (mit diversen Gaststars, Reprise, 1963), "12 Songs of Christmas" (mit Bing Crosby, Reprise, 1964), sowie "The Sinatra Family Wish You a Merry Christmas" (mit Nancy Sinatra, Tina Sinatra und Frank Sinatra jr., Reprise, 1968).

"A Jolly Christmas From Frank Sinatra" war das neunte Album beim Capitol Label, wobei sämtliche Arrangements von Gordon Jenkins stammen. Gesangliche Unterstützung erhielt Ol’ Blue Eyes zudem mit den Backgroundstimmen der Ralph Brewster Singers. Das Album erschien zunächst (wie üblich in jener Zeit) in Mono, einige Jahre später dann auch in einer "duophonic" Version und – bis heute – in unterschiedlichen Aufmachungen. Die Tracklist mit den ursprünglichen 12 Liedern blieb gleich, bei späteren Neuauflagen finden sich mitunter noch zusätzliche Songs drauf – auf Discogs finden sich unter diesem Album-Titel bzw. als "The Sinatra Christmas Album" (wie es ab 1965 auch hieß) insgesamt 167 Versionen. Um der Unübersichtlichkeit der Vielzahl an Weihnachtsaufnahmen von The Voice Abhilfe zu schaffen, hier die Original-Tracklist des Albums:

A1 Jingle Bells
A2 The Christmas Song (Merry Christmas To You)
A3 Mistletoe And Holly (Frank Sinatra wird hier als Co-Komponist genannt, zugleich war es die Single-Auskopplung des Albums.)
A4 I'll Be Home For Christmas (If Only In My Dreams)
A5 The Christmas Waltz
A6 Have Yourself A Merry Little Christmas
B1 The First Noel
B2 Hark! The Herald Angels Sing
B3 O Little Town Of Bethlehem
B4 Adeste Fideles
B5 It Came Upon A Midnight Clear
B6 Silent Night

Definitiv ein Weihnachtsalbum, das man kennen sollte. (Diana zum Geburtstag gewidmet.) //

6. Dezember

Sabrina Carpenter: Fruitcake EP (Island, 2023)

2024 war ein gutes Jahr für Sabrina Carpenter. Im April veröffentlichte sie mit "Espresso" eine Single, die zu den größten Hits dieses Jahres zählt, ebenso wie die Nachfolgesingle "Please, Please, Please", die im Juni erschien. Im August veröffentlichte sie schließlich ihr sechstes Album "Short n’ Sweet", was mit mehr als eineinhalb Millionen verkaufte Alben ebenfalls zum außerordentlichen Erfolg wuchs. Seit 6.12.2024 gibt es eine Neuauflage ihrer Weihnachts-EP "Fruit Cake" vom Vorjahr in limitierter Auflage als Fruitpunch Vinyl, sowie als Olive Green Vinyl + Postcard, die sich geradezu hervorragend eignen zur Bescherung die Sammlung rarer Vinylscheiben zu erweitern.

24 Weihnachtsalben Sabrina Carpenter Fruitpunch24 Weihnachtsalben Green Olive Fruitcake

Die EP beginnt mit einer Neudeutung ihres früheren Hits "Nonsense" (vom 2022er-Album Emails I Can't Send) und heißt jetzt (mit entsprechend neuen Textteilen) "Nonsense Christmas". Da heißt es z.B. "I might change your contact to ’Has a Huge North Pole’”, oder auch "I’m talkin’ deckin’ all the halls / I’m talkin’ spikin’ eggnog / I’m talkin’ big snowballs”. Das zweite Lied, "Buy Me Presents" vermittelt das real good feelin’ von Weihnachtsromanzen, und dennoch bietet der Song eine Überraschung, da hier tatsächlich ein (wenn auch nur kurzes) Saxofon-Solo vorkommt, was im gegenwärtigen Pop für die (sehr breite) Masse als echte Rarität gewertet werden kann. Die Pop-Ballade "Santa Doesn’t Know You Like I Do" bewegt sich wiederum in der Vertrautheit von 1980er/1990er-Soundklischees.

Zurück in eine mögliche Zukunft des Pop führen schließlich die letzten drei Lieder auf der EP. Das sparsam arrangierte "Cindy Lou Who" erzählt die Geschichte jener Ortsbewohnerin von Whoville, die sich für den Grinch einsetzt und ihm hilft, die Vergangenheit zu verarbeiten. Eine schöne Piano-Ballade, zartbitter statt zuckersüß. Als musikalischer Höhepunkt der EP erweist sich der stark retrolastige Disco-Pop Beat von "Is it New Year’s Yet?", der einerseits zum Tanzen einlädt und andererseits Rache, Herzschmerz und weihnachtlichen Pessimismus besingt, Old-School-Rap Einlage inklusive. Very tricky. Fehlt nur noch der Rausschmeißer, der Bing-Crosby-Signature Song "White Christmas", bei Sabrina Carpenter als "White Xmas" firmierend. Eine sehr eigenständige Version mit unerwartetem Ausgang. Ein echter Gewinn. Alles in allem sehr schön anzuhören diese EP, vor allem, wie erwähnt, die letzten drei Lieder. Hat was. Kann was. //

7. Dezember

Cheap Trick: Christmas Christmas (Big Machine, 2017)

Wenn man einen Glühwein oder Weihnachtspunsch zu viel intus hat, kann es schon vorkommen, dass man einiges doppelt sieht oder vielleicht sogar aufzählt. "Christmas Christmas" ist ein Cheap Trick von Cheap Trick und das Album für die nächste Weihnachts-Party Partie.

24 Weihnachtsalben Cheap Trick Christmas ChristmasEine Woche, nachdem die US-amerikanische Band Cheap Trick aus Rockford in Illinois ihr 17. Studio-Album "Bang, Zoom, Crazy... Hello" veröffentlichten, wurden sie in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Das war im Jahr 2016 und bis dahin verkauften sich Ihre Alben weit über 20 Millionen mal. Im Jahr darauf brachte die Band der Herren Robin Zander, Rick Nielsen und Tom Petersson zwei weitere Alben raus, "We're All Alright!" und "Christmas Christmas".

Ein lautes Rock-Album, das die stillste Jahreszeit besingt. Kann das gut gehen? Es kann. Mit Abstrichen. Drei Eigenkompositionen stehen neun Fremdkompositionen gegenüber, darunter (wenig verwunderlich) ein Lied aus Österreich, sowie jeweils ein Song von Ray Davies (The Kinks), Harry Nilsson, Slade, Ramones, Roy Wood (Wizzard), Chuck Berry, Charles Brown und eines aus der Comedy-Serie Saturday Night Life.

Das Album zelebriert im klassischen Sinne nicht eine Weihnachtsseligkeitsstimmung, sondern vielmehr eine Party-Ausgelassenheit. Dementsprechend passen die Lieder sehr gut in die Vorweihnachtszeit, in der sich eine Weihnachtsfeier nach der anderen reiht. Die Höhepunkte sind die eigenen Songs "Merry Christmas Darlings“ zum Einstieg und der Titelsong als Rausschmeißer, sowie "Remember (Christmas)" von Harry Nilsson. Der Rest ist guter bis sehr guter Power-Pop-Rock-and-Roll mit vielen eingängigen Melodien, jedoch mit einer Spur zu wenig weihnachtlichen Effekten, was dennoch dem Spaß keinen Abbruch leistet. Das Weihnachtsalbum von Cheap Trick gibt es auf CD und auf Vinyl, beide sind nicht mehr ganz einfach und günstig zu erwerben, vor allem die Vinyl-Ausgabe zählt mittlerweile als Rarität. //

8. Dezember

Nils Landgren: Christmas With My Friends VIII (ACT, 2023)

"Ich freue mich wie ein Kind bei der Bescherung an Heilig Abend", erzählte mir einmal der Posaunist und Sänger Nils Landgren aus Schweden, als seine Album-Reihe "Christmas With My Friends" noch recht jung war. 18 Jahre später hält sein Album-Konzept bei acht Alben, die es allesamt auch auf Vinyl gibt, wobei die ersten fünf Folgen ausschließlich in der schmucken Vinyl-Box Christmas With My Friends – The Jubilee Collection erhältlich ist, die nur sehr schwer zu bekommen ist und dementsprechend lange bereits auf meiner persönlichen Wunschliste steht.

24 Weihnachtsalben Nils LandgrenDas aktuelle Album mit der Nummer VIII hält das hohe Niveau wie alle anderen Vorgänger-Alben, was mittlerweile niemandem mehr wundern sollte, der eines dieser Alben kennt und zu schätzen weiß. Alle zwei Jahre packt Nils Landgren seine rote Weihnachtsposaune aus und lädt Freund*innen zum gemeinsamen Musizieren ein. Bei der achten Ausgabe mit dabei sind Clas Lassbo (Bass), Johan Norberg (Gitarre), Jonas Knutsson (Saxofon), Ida Sand (Piano, Gesang), sowie die Sängerinnen Jeanette Köhn, Jessica Pilnäs und Sharon Dyall. Bunt ist nicht nur das Album-Cover, sondern auch die Auswahl der Lieder, die von klassischen Weihnachtsliedern bis hin zu Christmas-Songs aus der großen, weiten Pop- und Jazzwelt reichen. Evergreens und Raritäten wechseln sich dabei ebenso ab, wie die Herkunftsländer der Songs unterschiedlich sind.

Während z.B. auf "Christmas With My Friends VI" eine wunderschöne Version von "Little Drummer Boy/Peace On Earth" (Bing Crosby und David Bowie) zu hören ist und ein paar Lieder danach "I Have A Dream" von ABBA in ungewohnt unkitschigem Glanz strahlt (und sich tatsächlich wie ein Weihnachtslied anfühlt), wird auf dem aktuellen achten Weihnachtsalbum u.a. Elvis Presley Tribut gezollt. Nils Landgren: "Als wir alles eingespielt hatten, sagte Ida Sand: Was ist mit Blue Christmas? Und so startet das Album mit dem gleichnamigen, wundervoll dahinrollenden Blues von Bill Hayes und Jay Johnson, den einst Elvis Presley berühmt gemacht hat." Dennoch leuchtet das Album-Cover nicht in blauer Farbe, sondern in Orange, und auch das hat seinen guten Grund. Nochmals Nils: "Ich war als Kind nicht scharf auf Geschenke. Mehr interessiert war ich an dem Essen, das es zu dieser Jahreszeit gab und mein Weihnachten ausmachte: Meine Mutter Margareta brachte einen großen Sack voller frischer Orangen. Ich erinnere mich noch immer daran, wenn ich die erste Orange schälte und dann den Duft und den wundervollen Geschmack genoss. Deshalb leuchtet das Cover von Christmas With My Friends VIII nun auch ganz in Orange." //


9. Dezember

Enya: And Winter Came… (Warner Bros. / Reprise, 2008)

Jetzt, wo die U2 in Wien wieder durchgehend fährt, kann man auch wieder mal die Band U2 erwähnen als the best-selling music act from Ireland overall. Da U2 bis dato allerdings kein Weihnachtsalbum veröffentlichte, wenden wir uns an dieser Stelle dem second-best-selling music act from Ireland overall zu, Eithne Pádraigín Ní Bhraonái.

24 Weihnachtsalben EnyaMit mehr als 80 Millionen verkauften Alben weltweit ist sie zugleich the best-selling solo artist aus Irland. Der Name sagt euch nichts? Ja, das kann durchaus sein, denn besser bekannt ist sie als Enya. 2008 veröffentlichte die im New Age und Celtic angesiedelte Sängerin und Multiinstrumentalistin ihr Weihnachtsalbum And Winter Came…, 12 Songs, die sich thematisch in erster Linie der Jahreszeit Winter widmen, wie ja auch bereits der Album-Titel suggeriert,

Weihnachtslieder allerdings sind freilich auch darauf vertreten, so u.a. White is in the winter night. Dieser Song wurde aus der Inspiration heraus geschrieben, ein 21st century Christmas carol zu schaffen. Im Song heißt es denn auch, “Green is in the mistletoe and red is in the holly ... Gold is in the candlelight and crimson in the embers“. Die Single-Auskopplung des Albums, "Trains and Winter rains", erweist sich wiederum als eine dunkle Winterreise ins Unbekannte, "and I think", so Enya, "everybody has taken this journey where it's time to leave home".

Von den 12 Songs sind nur zwei klassische Weihnachtslieder vertreten, "O Come, O Come, Emmanuel“, das Enya auf Latein singt, sowie "Oíche Chiúin (Chorale)“, die gälische Sprachversion von Stille Nacht, heilige Nacht. Insgesamt punkten die 12 Lieder mit ihrer atmosphärischen und bezaubernden Beschwörung irgendwo zwischen Winterlandschaft und Weihnachtsfreude, dementsprechend gut verkaufte sich das Album bis heute, nämlich über drei Millionen mal, und seit 2017 gibt es And Winter Came… von Enya auch auf Vinyl. //

10. Dezember

Bob Dylan: Christmas in the Heart (Columbia, 2009) am Tag der Menschenrechte

Weihnachtsalben mit deutlichem Bezug zu der Erklärung der Menschenrechte ausfindig zu machen, ist nicht ganz so einfach. "Christmas in the Heart" von Bob Dylan erfüllt diesen Anspruch.

24 Weihnachtsalben Bob DylanDer Tag der Menschenrechte wird von der internationalen Gemeinschaft jedes Jahr am 10. Dezember begangen. Dieser Tag findet im Gedenken an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte statt, die im Jahr 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde.

Darin heißt es im Artikel 25:
1. Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.
2. Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung. Alle Kinder, eheliche wie außereheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz.

Sämtliche Erlöse von "Christmas in the Heart" fließen zu 100 % – je nachdem, ob das Album in den USA, in Europa, oder anderswo gekauft wird – an Feeding America bzw. an zwei Charity Projekte der United Nations, die sich auf diesen Artikel 25 beziehen. Bob Dylan: "That the problem of hunger is ultimately solvable means we must each do what we can to help feed those who are suffering and support efforts to find long-term solutions. I'm honoured to partner with the World Food Programme and Crisis in their fight against hunger and homelessness“.

Aber ist es deswegen auch wert, sich das Album zuzulegen? Spenden kann man ja auch direkt. Musikalisch bietet das Album mit den 15 ausgewählten Liedern eine gelungene Mischung aus altbekannten Weihnachtsklassikern wie "Here Comes Santa Claus", "Winter Wonderland", "Silver Bells", und deren mehr, bis hin zu weniger vertrautem wie "Christmas Blues", "Must be Santa" und "Christmas Island“. Im Klangbild und in der Umsetzung wurde mit Bedacht der Idee des Weihnachtsliedes besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ein weicher Sound, wie man es sonst nur von alten Weihnachtsliedaufnahmen eines Nat King Cole, Bing Crosby, Dean Martin und Frank Sinatra kennt. Hier setzt Bob Dylan an und geht gleichzeitig noch einen Schritt weiter, indem er zur Gänze die dicken Streichersätze weglässt, und nur auf seine Band, auf einen 7-köpfigen Chor und auf ein paar Glockenspiele, sowie auf seinem Crooning vertraut. Heraus kommt dadurch ein unpathetisches, homogenes Ganzes. Ein echtes Hörerlebnis.

Sehr erfreulich ist, dass einiges an Geld zusammengekommen sein dürfte, denn "Christmas in the Heart" erreichte die höchste Position der US-Billboard Holiday Album chart, sowie No. 5 in den Folk Album chart, No. 10 in den Rock Album chart und No. 23 in den overall album charts. Außerhalb der USA kam das Album ebenfalls gut an und erreichte in fast allen europäischen Charts Spitzenplatzierungen. “Christmas in the Heart“ wurde zudem 2023 auf Vinyl neu aufgelegt. //

11. Dezember

Götz Alsmann und die WDR Big Band: Winterwunderwelt (ROOF Music, 2006)

"Das beste Weihnachtsalbum seit vielen Jahren. Seit sehr vielen Jahren", schrieb ich in der Rezension 2006 über das zu diesem Zeitpunkt neu erschienene Album "Winterwunderwelt" von Götz Alsmann und die WDR Big Band.

24 Weihnachtsalben Götz Alsmann und die WDR Big BandDas Album gefiel nicht nur mir, sondern verkaufte sich unglaublich gut, bis heute über 100.000-mal, was bei einer deutschsprachigen Jazz-Weihnachtsplatte nicht häufig vorkommt. Mehr noch, es ist eine der meistverkauften Jazz-Weihnachtsplatten überhaupt. Daher wurde recht bald auch die Frage gestellt, wie es mit einer Winterwunderwelt Vol. 2 wäre? Gute Idee!, meinten die Verantwortlichen, aber – nun ja, die muss man nicht unbedingt kennen.

Die originale Winterwunderwelt dafür umso mehr und besser, denn wer hätte nämlich gedacht, dass die WDR Big Band einmal ein räudiges Weihnachtsalbum einspielt? Götz Alsmann, der Mann am Mikrofon, sorgt dafür, dass die Hochheiligkeit der Lieder nicht ganz so hochheilig rüberkommen und begibt sich mitunter in die Tradition vom guten alten Cab Calloway, dessen "Minnie the Moocher" hier eben zum Nikolaus mutiert. Mutig, mutig, und es geht voll auf. Rasanz in der Bläsersektion, Lockerheit im Umgang mit der Sprache, was wegfällt ist der Schein, übrig bleibt das Sein. Das Dasein einer Jazzbigband, die alle Stückerln spielt und so ziemlich alles an die Wand spielt, Weihnachten, Schnee und Winter betreffend.

Die Symbiose Götz Alsmann – WDR Big Band unter der Leitung von Ansgar Striepens, der auch zum Großteil für die herausragenden Arrangements verantwortlich ist, greift tief in die Schatzkiste, und holte dabei wahrlich wundersames hervor, angefangen von der wunderbaren Ballade "Die Frau vom Nikolaus" bis hin zum spaßigen "Hei, hei, hei, so eine Schneeballschlacht", vom beinahe schon mysteriös anmutenden "Kling Glöckchen Klingelingeling" bis zur Humoreske "Eine Muh, eine Mäh, eine Täterätätä" und deren mehr. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich diesem Götz Alsmann in der Figur als Nikolaus bzw. Weihnachtsmann vertrauen kann bzw. will, wenn er von den Glocken, die süßer nie klingen singt, und wenn er um Einlass bittet, weil er ja der fromme Nikolaus vorgibt zu sein, oder uns einfach auffordert froh und munter zu sein. Aber genau diesen Kick macht die Stärke des Dargebotenen aus.

Ein ganz großer Wurf dieses Album. Auf "Winterwunderwelt" hören wir 13 Stücke – allesamt hervorragend abgestimmt im schwierigen Balanceakt: humorvoll-ironisch aber auf Dauer nicht nervend, weihnachtliche Stilmittel aber nicht dröge einlullend, ein Schuss Anarchie in der Seele aber immer Jazz in der Musik, glatt genug für die Familie und enorm kantenreich für den Rest. //

12. Dezember

Mackay & Manzanera feat. The Players: Christmas (Expression Records, 1989)

In der Adventszeit, also im vorweihnachtlichen Rausch- und Konsumdrang, wenn man eilends durch Supermärkte, Kaufhäuser und sonstige Shopping-Erlebnis-Zentren drängelt, ist es ratsam, sich Petersilie in die Ohren zu stopfen, damit das formatierte Weihnachtslied außen vor bleibt. Es geht natürlich auch anders. Ganz anders.

24 Weihnachtsalben Mackay Manzanera ChristmasZur Halbzeit daher ein kurzes Innehalten mit Andy Mackay (sax) und Phil Manzanera (guit), den zwei Gründungsmitgliedern von Roxy Music, die 1989 das Album "Christmas" veröffentlichten. Ein Album mit 26 Instrumental-Versionen von Christmas Carols, die zumeist aus dem 19. Jahrhundert stammen und erstmals 1833 im Liederbuch "Christmas Carols Ancient and Modern" von William B. Sandys abgedruckt wurden – Lieder wie "God Rest Ye Merry, Gentlemen" und "Hark! The Herald Angels Sing", aber auch Weihnachtslieder aus Neuengland von Edmund H. Sears und Richard S. Willis, sei es "Good King Wenceslas" und "It Came Upon the Midnight Clear". Zu hören ist außerdem das bekannteste und vermutlich weltweit am weitesten verbreitete Weihnachtslied "Stille Nacht, heilige Nacht", das ja ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammt.

All diese Lieder sind angenehm schlicht gehalten, frei von jedweder Kommerzialisierung, frei von jedweder Pop-Orientierung. Umgesetzt mit den rein akustischen Instrumenten Appalachian dulcimer (Bordunzither), Banjo, Mandoline, Knöpferlharmonika, Oboe, Geige, Cello und Maultrommel, glaubt man sich inmitten der viktorianischen Zeit oder man glaubt sich zu Weihnachten in einem Pub eine sehr entspannte und ausgelassene Band zu hören.

Phil Manzanera fungiert bei diesem Album einzig als Produzent. Rund um Andy Mackay versammelte er die für dieses Album zusammengewürfelte Band The Players, bestehend aus sieben Straßenmusiker*innen aus dem Folk- und Blues-Genre. Dieses Zusammenspiel funktionierte unglaublich gut und lassen diese Christmas Carols sehr spontan und frisch klingen. Lange Zeit war das Album so gut wie verschollen, doch seit 2023 gibt es eine Neuauflage auf CD und auf Vinyl. //


13. Dezember

Karin Bachner Group: Winter Wonder Songs (ATS, 2009)

Es groovt im Jazz, swingt beherzt und wärmt die Seele. Dergestalt kann über "Winter Wonder Songs" von Karin Bachner Group berichtet werden, oder, wie es Karin Bachner selbst beschreibt: "Weihnachtsklassiker und Pop Hits von New York bis Mistelbach verschmelzen als interkulturelle Fusion. Winter Wonder Songs zum Entschleunigen und Auftanken. Eine musikalische Melange, die nicht nur die Adventszeit versüßt, sondern auch zum Entspannen in hektischen Zeiten einlädt.“

24 Weihnachtsalben Karin BachnerNeben der Sängerin, die auch an der Flöte und Percussion zu hören ist, emotionalisieren Robert Schönherr (Piano, Fender Rhodes), Karl Sayer (Bass) und Peter Kronreif (Drums, Percussion), sowie Richard Oesterreicher an der Mundharmonika. Spezielle Weihnachtsstimmung kommt in "Baby, it's cold outside" auf. Karin Bachner und Special Guest Rob Bargad erweisen sich dabei als wunderbar ergänzendes Gesangs-Duo. Der Weihnachtsbaum funkelt in all seinem Glanz und Glimmer. Weihnachtsromantik pur. Das Repertoire besteht aber nicht nur aus Liedern der großen amerikanischen Weihnachtsliedära 1929 bis 1950, also Songs von Cole Porter ("In the still of the night"), Frank Loesser ("Baby, it's cold outside"), Felix Bernard ("Winter Wonderland"), Leroy Anderson ("Sleigh Ride"), Vivian Ellis, Greatrex Newman, Clifford Grey ("Spread a little happiness") und Hugh Martin, Ralph Blane ("Have yourself a merry little christmas"), sondern bringt auch jüngere Songs zu Gehör. Sehr schön z.B. die Interpretation von "River" (Joni Mitchell), vernachlässigbar hingegen "Frozen" von Madonna, prachtvoll swingend wiederum "White is in the winter night" von Enya. Sehr hübsch anzuhören ist diese Winterzeit auch mit der Karin Bachner Interpretation von "Es wird scho glei dumpa". Besonders auffällig bei diesem Album die Weihnachtsverpackung, sprich, die Arrangements, hübsch, aber nicht zu gefällig, geglättet, aber nicht kantenfrei. Auf vor Kitsch triefenden Zierrat wurde verzichtet. //

14. Dezember

Mariah Carey: Merry Christmas (Columbia, 1994)

Mariah Carey und Weihnachten, das ist eine Erfolgsgeschichte: 1994 veröffentlichte die Sängerin ihren bislang erfolgreichsten Song, "All I Want for Christmas is You“ als erste Single-Auskopplung des Albums "Merry Christmas", das sich zum meistverkauften Weihnachtsalbum aller Zeiten mit über 15 Millionen verkauften Einheiten entwickelte.

24 Weihnachtsalben Mariah CareyZudem gilt der darauf enthaltene Song "All I Want for Christmas Is You" längst als "neues modernes Weihnachtslied neben den Klassikern". Dieser Erfolg hat Mariah Carey auf die Idee zum gleichnamigen Kinderbuch gebracht, und dieses Buch wiederum ist die Vorlage für den Animationsfilm "Mariah Carey’s All I Want For Christmas Is You". Dieser Film von 2017 besitzt durchaus Witz und Charme und die animierte Haartolle von der kleinen Mariah ist auch nicht zu übersehen, genauso wenig wie die Überdrehtheit mancher Szenen, als Weihnachtsfilmklassiker wird es dennoch nicht in die (Film)Geschichte eingehen.

Aber wieder zurück zum Album, das 2024 das 30-jährige Jubiläum feiert. Dem Anlass entsprechend gibt es einige spezielle Neuauflagen, und zwar in vier verschiedenen Versionen. Die günstigste Variante ist eine Musikkassette in Weiß und Rot, ein paar Euro mehr kostet die limitierte Zoetrop-Vinyl-Edition (siehe Abbildung). Nicht ganz so billig ist hingegen eine 180g Doppel-Vinyl-Variante, abspielbar auf 45RPM und streng limitiert mit 4.000 nummerierten Exemplaren, sowie die auf 3.000 nummerierten Exemplaren limitierte UltraDisc One-Step 180g 33RPM LP. Gepresst wurden diese zwei Sammlerkaufreizvarianten bei Fidelity Record Pressing. Abgeleitet von den Original-Masterbändern ist das Album "Merry Christmas"  von Mariah Carey somit erstmals seit der Originalveröffentlichung vor drei Jahrzehnten in audiophiler Qualität erhältlich, das "mit einer neu gefundenen Transparenz die Spiritualität, die Leidenschaft und den festlichen Tenor von Careys Gesang unterstreicht". //

15. Dezember

B.B. King: A Christmas Celebration of Hope (MCA Records, 2001)

Der Blues begleitet dich jeden Tag durchs Leben, egal wer du bist, egal wo du bist und egal wie es dir geht. Wo es den Blues gibt, gibt es auch Hoffnung und wo es Hoffnung gibt, gibt es auch Gründe zu feiern. Das 39. Studioalbum vom großen, einzigartigen Blues-Sänger und -Gitarristen B.B. King, zollt in diesem Sinne den Feierlichkeiten rund um Weihnachten Tribut.

24 Weihnachtsalben BB KingVeröffentlicht im zarten Alter von 76 wurde sein einziges Weihnachtsalbum ein veritabler Erfolg. "A Christmas Celebration of Hope" erhielt den Grammy als das Best Traditional Blues Album und der letzte Track am Album, "Auld Lang Syne", erhielt zudem einen Grammy als die Best Pop Instrumental Performance. Diese Auszeichnungen widerspiegeln die Qualität des Albums und die Darbietungen der darauf enthaltenen 13 Songs, angefangen von "Please Come Home For Christmas", "Lonesome Christmas" und "Christmas in Heaven", bis hin zu den B.B. King Kompositionen "Christmas Celebration" und "Christmas Love".

Diese Sammlung von weihnachtlichen Blues-Songs treffen den festiven Kern wie kaum ein anderes Blues-Album im weiten Feld von Blues-Weihnachtsalben. Alleine das Gitarrenspiel von B.B. King ist eine wahre Pracht. Eine Schönheit, wie sie nicht viele Blues-Gitarristen drauf haben (bzw. hatten), seine Gesangstimme sein zweites unverwechselbares Markenzeichen. Auch wenn viele Kritiker*innen ihm immer wieder vorgeworfen haben, seine Songs einer Überproduktion zukommen zu lassen, sprich, mit String-Arrangements und Keyboards-Flächen nicht allzu sparsam umzugehen; er hob den Blues gerade dadurch auf eine neue Ebene, denn er verkitschte ja nie, sondern ließ einfach nur viele Gestaltungsmöglichkeiten zu.

"A Christmas Celebration of Hope" ist ein künstlerischer Triumph, der im Prinzip keine Wünsche offen lässt, auch, weil B.B. King auf die typischen Songs verzichtete, die auf fast jedem Weihnachtsalbum vertreten sind. Trotz der künstlerischen Qualität und des kommerziellen Erfolgs ist dieses sehr kurzweilige Album bis heute leider nur auf CD erschienen. //

16. Dezember

Aniada a Noar & Prijatelji feat. Natasa Mirkovic-De Ro / Matthias Loibner: Liacht / Svjetlo (Extraplatte, 2010)

Viel Licht verspricht das Album "Liacht / Svjetlo" mit Volksliedern aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Sizilien und aus dem Salzkammergut. Keine leichte Kost, aber eine, die es wert ist, dass man sich näher damit beschäftigt. Kein zwischendurch Hören bitte schön, sondern gute Sitzposition einnehmen, ruhig einatmen und hören.

24 Weihnachtsalben Aniada a Noar Liacht24 Weihnachtsalben Aniada a Noar Es wird scho glei

Andächtig folkloristisch mit Drehleier, wunderbar gespielt vom Drehleier-Meister aller Drehleier-Meister Matthias Loibner und ebenso gefühlvoll gespielt von der steirischen Band Aniada a Noar. Die Band legte bereits einmal mit der EP "Es wird scho" (Extraplatte, 2000) ein außergewöhnlich gutes Weihnachts-Mini-Album vor, auf der leider nur fünf Lieder drauf sind. Das Quartett beweist damit, dass Lieder wie "Hiaz is da raue Winter do", "Es wird scho glei dumpa", "Still", "Es hat sich halt eröffnet das himmlische Tor" und "Andachtsjodler" hohe Qualität besitzen, es kommt halt immer nur darauf an wie es interpretiert wird. Diese Aufnahmen passen zwar sicherlich besser in eine Bauernstube als in eine Großstadtwohnung, dennoch empfehle ich es ohne wenn und aber auch allen Großstadtindianern, die mutig genug für individuelle Weihnachtstimmung sind.

Die vier Narren mit den Weihnachtszipfelmützen aus der Steiermark verzichten auf etwaige Erneuerungen - eine weise Entscheidung, die diese Hausmusik zu einer besonderen Spezialität macht. Auf diesem Niveau sind auch die 13 Lieder auf "Liacht / Svjetlo“ und ein Genuss für die Sinne. Stille mit Stil. "Jetzt fangen wir zum Singen an", heißt ein Lied, aber da sind wir bereits längst ergriffen. Oh du fröhliche! //


17. Dezember

Ann Malcolm and Cojazz: Scenes of Christmas (TCB Records, 2001)

Wenn man durch die musikalische Weihnachtslandschaft stapft, führt oft nur der Weg über abgelegene Schneestraßen zu Weihnachtsjazzalben, die ebenso rar wie ernst zu nehmen sind. Die US-amerikanische Sängerin Ann Malcolm begab sich mit dem Schweizer Trio Cojazz auf das Terrain von konsequenter Vermeidung kommerzieller Weihnachtsmusikregeln und realisierte mit "Scenes of Christmas" ein umso freudvolleres Weihnachtsalbum.

24 Weihnachtsalben Ann MalcolmIm Begleitheft zur CD "Scenes of Christmas" wird Ann Malcolms Stimme als "absolut einzigartig und sofort identifizierbar" beschrieben, was nicht übertrieben ist, denn ihr feiner Gesang und dazu die individuelle Qualität des Trios Andy Scherrer (Piano), Isla Eckinger (Bass) und Peter Schmidlin (Schlagwerk), machen jeden der 12 Songs zu einem unaufdringlichen Großereignis, die CD zu etwas Besonderem. Hinzu kommt, dass die Musiker*innen es nicht dabei belassen, auf gängige Weihnachtsstandards zu setzen, sondern sie bringen auch weniger bekannte Weihnachtssongs zu Gehör.

Mit Leichtigkeit und Seriosität führt uns die Band durch mehr als ansprechende Titel wie "Caroling, Caroling", "I Heard the Bells on Christmas Day", "We Three Kings of Orient Are", bis hin zu bekannten Liedern in umwerfend kongenialen Versionen wie "Santa Claus is Coming to Town" und "Silent Night", die sich stilistisch auf die Jazzpianisten und -komponisten Ahmad Jamal und Fred Hersh beziehen. Zum Jazz kam die in Iowa (USA) geborene Ann Malcolm über ihre Großmutter Goldie, die als Pianistin und Organistin für Stummfilme gespielt hat. Ann Malcolm: "Die schwungvollen Melodien, die meine Großmutter spielte und die spirituellen Lieder, mit denen ich allsonntäglich den Gottesdienst begleitete, bilden das musikalische Fundament meiner Beziehung zur Jazzmusik." Neben Gesang studierte die Sängerin seit ihrem zehnten Lebensjahr auch Saxofon und dieses Instrument unterrichtet sie aktuell in Basel (Schweiz), während sie Vocal-Workshops in Bern gibt.

"Scenes of Christmas" erschien ausschließlich als CD in einer Einmalauflage im Jahr 2001 beim damals noch recht jungen Schweizer Montreux Jazz Label TCB (Abkürzung von Taking Care of Business) und wartet seither auf eine längst fällige Neuauflage. Bis es soweit ist, bleibt "Scenes of Christmas" von Ann Malcolm eine gesuchte Rarität für Weihnachtsjazzliebhaber*innen. //

18. Dezember

Attersee / Christine Jones: Weihnacht zu zweit (Yedermann Productions, 1983)

Manche Weihnachtsalben sind, oberflächlich gehört, eine skurrile Angelegenheit, die schnell in die Ecke gestellt werden und ohne Bedeutung bleiben, mitunter auch in einer regionalen Musikgeschichte. Ein Schicksal, das "Weihnacht zu zweit" von Attersee und Christine Jones ereilte.

24 Weihnachtsalben weihnacht zu zweit24 Weihnachtsalben attersee und christine jones

Christian Ludwig Attersee, der (sich selbst) als "der große Einzelgänger der österreichischen Kunst der 60er Jahre und Gegenpol zum Wiener Aktionismus" sieht, und in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre als Gründerfigur der 'Neuen österreichischen Malerei', begann bereits Lieder zu texten, bevor seine ersten Bilderzyklen entstanden. Das "Berliner Konzert" von 1978 war die erste Platte, auf der er (gemeinsam mit u.a. Günter Brus, Hermann Nitsch, Arnulf Rainer) zu hören war. Weitere Veröffentlichungen folgten, so z.B. mit Gerhard Rühm das Album "Klaviertreiben" (1981) und jenes Weihnachtsalbum mit Christine Jones zwei Jahre später. Die 2017 verstorbene Fluxus-Künstlerin war keine ausschließliche Bluessängerin, denn sie konnte alles singen, wie ihr beschieden wurde, und gemeinsam mit Attersee entstand neben dem Weihnachtsalbum auch das entzückende Album "Äpfel der Liebe" (2011).

Ja, "Weihnacht zu zweit" ist ungewöhnlich. Das beginnt beim Gesang von Attersee, der ausschließlich frei improvisiert zu singen imstande ist. Das ungewöhnliche der darauf enthaltenen fünf Lieder beginnt möglicherweise aber bereits bei den Texten von Attersee. Ein Liedtext entstand im Jahr 1966, die vier anderen im Jahr 1969. Die Texte lagen also lange in der Schublade, bevor sie 1983 vertont wurden, dies mit den arrivierten Musikern Hans Salomon (Saxofon), Mischa Krausz (Bass), Robert Schönherr (Keyboards), Erwin Kienast (Synthesizer), Tommy Böröcz (Schlagzeug), Peter Schrammel (Keyboards) und Peter Paul Skrepek (Gitarre, Akkordeon, Chor).

Die Texte: "Das Christkind kommt, sein Augenlicht / zündet alle Kerzen an / und an meinem Weihnachtsbaum / hängen junge Kätzchen dra -an -an", oder: "Kling, kling, klinge-linge-ling / schellts Glöckchen am Butterbrot / wir essen gern zur Weihnachtszeit / A-alle Glöckchen tot". Und genau darin liegt auch der Reiz des Albums, da bekannte christliche Weihnachtslieder mit jazzigen und schlagerhaft-rockigen Texturen versehen sich mit der Attersee’schen Lyrik verbandelt und verwoben werden. Die Ernsthaftigkeit darf sich dabei hinten anstellen.

Und wem das zu schräg (oder sonst was) ist, dem sei die Plattenseite B empfohlen, um mit Attersee und Christine Jones in die "Himmlische Ruh" einzutauchen. Das Album wurde ursprünglich auf Vinyl veröffentlicht und 1992 auf CD neu aufgelegt. Beide Varianten sind auf Discogs erhältlich. //

19. Dezember

Steve Tyrell: This Time of the Year (Columbia Records, 2002)

Der Swing-Sound einer Big Band ist in Kombination mit amerikanischen Weihnachtsstandards fast schon eine aufgelegte Sache, bei der nicht wirklich viel schief gehen kann. Die großen Orchester aus der Frühzeit des Jazz bewiesen es hinlänglich, nachfolgende Big-Band-Generationen bildeten da keine Ausnahme. Das kann auch dann klappen, wenn für ein spezielles Album Studio-Musiker*innen zu einer Big Band zusammengetrommelt werden, wie im Falle von "This Time of the Year" von Steve Tyrell.

24 Weihnachtsalben Steve TyrellDer Jazz-Sänger Steve Tyrell formierte um sich ein klassisches Jazz-Quartett mit Randy Kerber bzw. Elliot Douglass (jeweils Piano), Bob Mann (Guitar), Bob Magnusson bzw. Chuck Berghoffer (jeweils Bass), John Guerin (Drums) und erweiterte dieses Fundament mit einem Klangkörper aus 10-köpfiger Horn Section und 8-köpfiger String Section. Mit Clark Terry (Trompete), "Toots" Thielemans (Harmonica) und Plas Johnson (Saxofon) holte er sich außerdem noch drei Jazz-Legenden für diverse Soli ins Weihnachtsstudio. Heraus kam ein erkleckliches Dutzend von zwar gängigen Weihnachtsliedern, umgesetzt allerdings in einer ungemein freudvollen und stets von Neuem gerne gehörten Interpretationen. Das alles klingt sehr frisch und munter, dargebracht in hoher Spieleleganz und Spaß.

Die Tracklist ist gewissermaßen das Who-is-Who der amerikanischen Weihnachtsstandards und beginnt mit "Santa Claus Is Coming To Town", der uns geradewegs ins "Winter Wonderland" führt und zwar, genau, mit "Rudolph The Red-Nosed Reindeer", um dort "The Christmas Song" abzuliefern. Nach der Aufforderung "Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!", am Besten noch "This Time Of The Year", findet Steve Tyrell, dass weder "Have Yourself A Merry Little Christmas" noch "I'll Be Home For Christmas" auf dem Album fehlen darf, ebensowenig "The Christmas Blues" und schon gar nicht "Merry Christmas Baby". Die auf fast jedem Weihnachtsalbum gestellte Frage "What Are You Doing New Year's Eve?" findet sich hier ebenfalls wieder, so auch die Feststellung "Here Comes Santa Claus".

Wie erwähnt, es gibt, was die Songs anbelangt, keine Überraschungen auf diesem Weihnachtsalbum von Steve Tyrell. Die Überraschung liegt vielmehr darin, wie die Lieder performt werden. Es ist nicht die Sentimentalität an irgendein Gestern, das in den Interpretationen liegt, sondern die ewige Jugend in den Songs. //

20. Dezember

The Brian Setzer Orchestra: Dig That Crazy Christmas (Surfdog Records, 2005)

Klassischer Rockabilly gekreuzt mit klassischen Swing-Arrangements und großartigen Bläsersätzen ist ein Markenzeichen vom Brian Setzer Orchestra rund um den Namensgeber mit der Dauertolle, der beste Rockabilly-Gitarrist aller Zeiten an der Gretsch-Gitarre, Mr. Stray Cats Brian Setzer.

24 Weihnachtsalben Brian SetzerSein erstes Weihnachtsalbum "Boogie Woogie Christmas" (2002) bescherte ihm für seine Darbietung der "Nutcracker Suite" prompt eine Grammy Nominierung für die Best Pop Instrumental Performance, mit dem Album "Dig That Crazy Christmas" legte er ein ordentliches Schäuferl Weihnachtsrockabilly nach. "Hier wird gerockt, gerollt, geswingt, gegroovt, gebopt, getwängt, gejingelt, gejangelt, geklingelt, gesäuselt, gejazzt was das Zeug hält", wie es Olaf Oetken auf rocktimes.info so schön beschrieb. Das zweite Weihnachtsalbum von Brian Setzer war nicht sein letztes – dieses Kapitel wird eventuell noch einige Male fortgesetzt – "Christmas Comes Alive!" (2010) und "Rockin' Rudolph" (2015) waren ebenso perfekt, um jede Weihnachtsparty in Schwung zu bringen aufgrund der Interpretationen bekannter amerikanischer Weihnachtslieder im unverwechselbaren, tanzbaren und mitreißenden Retro-Swing-Sound seines Orchesters.

Setzers erste zwei Weihnachtsalben "Boogie Woogie Christmas“ und "Dig That Crazy Christmas" sowie die Best Of Collection "Christmas Rocks" (2008) haben sich insgesamt 750.000 Mal verkauft, und vor allem sein "Dig That Crazy Christmas" ist qualitativ hochwertig und energiegeladen wie kaum ein anderes Weihnachtsalbum, das ich kenne. Es ist zudem jenes Album, das auch seitens der Mascot Label Group als 2000-Stück-limitiertes 180g Splatter Rot/Weiß Vinyl im Gatefold Sleeve besonders gewürdigt wurde. Letzten Endes sind es nur Kleinigkeiten, das "Dig That Crazy Christmas" über die anderen hebt, vielleicht, weil hier mit Rockabilly-Rhythmen kongenial kombiniert der Glenn Miller-Klassiker "In The Mood" weihnachtlich verpackt wurde, vielleicht, weil "Peggy Sue" von Buddy Holly Eingang im Engelschor jubilierenden "Angels We Have Heard On High“ fand, vielleicht, weil eben neben diesen zwei Beispielen weitere Zitate mit erstaunlicher Leichtigkeit einfließen konnten, wie auch immer es Brian Setzer schaffte, dabei nie den musikalischen Blick auf Weihnachten zu verlieren.

"Dig That Crazy Christmas" ist ein ungemein abwechslungsreiches und grooviges Spektakel, das keine Wünsche offen lässt, und mit "Hey Santa!" und "Santa Drives A Hot Rod" sind sogar nicht nur mehr oder weniger bekannte Weihnachtslieder vertreten, sondern auch zwei Brian Setzer Originale. Dringende Hörempfehlung! //


21. Dezember

The Chieftains: The Bells of Dublin (RCA Victor, 1991)

Wie kann man den Klang der Glocken von einem Glockenturm bestmöglich einfangen? Richtig, man klettert mit Mikrofonen rauf. Brian Masterson, der Tontechniker von The Chieftains machte genau das. Er kletterte für die Aufnahmen zum Album "The Bells of Dublin" auf den Glockenturm von der Christchurch Cathedral in Dublin. Den gibt es bereits seit 1738, hat also viel gesehen, einen Tontechniker möglicherweise bis dahin allerdings noch nicht.

24 Weihnachtsalben The ChieftainsDie dort angebrachten zwölf Glocken werden jeden Sonntag zweimal geläutet und erklingen auch zu besonderen Anlässen wie der Amtseinführung des Präsidenten. Traditionell versammeln sich die Einwohner*innen von Dublin auf dem Christchurch Place, um das neue Jahr mit den Glocken einzuläuten. In diesem Fall läuten sie das Album "The Bells of Dublin" von The Chieftains ein, die mit jeder Menge Gastsänger*innen Weihnachtslieder zum Besten geben. Mit dabei sind The Renaissance Singers Belfast, Elvis Costello, Kate und Anna McGarrigle, Burgess Meredith, Marianne Faithfull, Nolwen Monjarret, The Voice Squad, Nanci Griffith, Jackson Browne, Rickie Lee Jones sowie das Northumbrian Pipe-Spiel von Kathryn Tickell und das Akkordeon von Brendan Begley.

Vollgepackt mit 24 Tracks bietet "The Bells of Dublin" eine wunderschöne Reise quer durch alle Farben der festlichen Jahreszeit von Weihnachten anhand eigens für diese CD geschriebene Lieder bis hin zu traditionellen Christmas Carols. Neben den zwei (damals) neuen Liedern von Elvis Costello ("St. Stephen’s Day Murders") und Jackson Browne ("The Rebel Jesus") zählt vor allem das Medley "The Wren! The Wren!" zum großen Highlight des Albums. The Wren ist ein Vogel und wird auf deutsch Zaunkönig genannt. Das Lied folgt der Tradition in Irland am 26.12. diesen Vogel einzufangen. "The wren, the wren, the king of all birds / On St. Stephen′s Day got caught in the furze / So it's up with the kettle and down with the pan give us a penny to burry the wren", heißt es in dem Lied. So einfach ist das aber halt nicht, den Zaunkönig zu fangen, da er ja nicht besonders groß ist, eher im Gegenteil, ist er doch der drittkleinste Vogel Europas, noch dazu besitzt er den Ruf der Schlauheit und List.

Der Name "The Wren" kommt zwar eigentlich aus dem altgermanischen (wrendo), wurde aber im Englischen ursprünglich "Winter Wren" (Winterkönig) genannt. Lange Zeit wurde The Wren "Schneekönig" genannt, da dieser Vogel im Winter lebhaft singt, wovon sich wiederum die Redensart "sich freuen wie ein Schneekönig" ableitet. Schließlich gibt es dann noch die Legende, dass der Heilige Stephanus ständig lauthals von The Wren begleitet wurde, als er sich vor seinen Feinden zu verstecken suchte. Daher wird u.a. in Irland am 26. Dezember (St. Stephen’s Day) durch das Jagen und Töten von Zaunkönigen an Stephanus, dem ersten Märtyrer des Christentums, erinnert, um die gefangenen Tiere danach in einer Prozession durch das Dorf oder die Stadt zu tragen.

Der Ablauf dieser Tradition wurde in verschiedenen weihnachtlichen Liedern verewigt, und bei The Chieftains klingt das wie eine ausgelassene Weihnachtsfeier im kleinen Rahmen, quasi Stubenmusik vom Feinsten. Die 24 Stücke sind insgesamt wohlfeil aufeinander abgestimmt und ergeben als Ganzes eine dementsprechend runde Angelegenheit mit wohltemperierten Gastauftritten. Ein Weihnachtsalbum, das für mich ganz oben im Ranking steht, schön, klug und berührend wie es ist. //

22. Dezember

Diverse Interpreten: Christmas Rules (CD; Hear Music/MPL, 2012) // Holidays Rule (Vinyl; Craft Recordings, 2022)

Die Kompilation "Christmas Rules" (CD) bzw. "Holidays Rule" (Vinyl) mit eigens für dieses Album eingespielten Liedern ist eine 17 Song starke Zusammenstellung auf Initiative von Paul McCartney mit unter anderem Rufus Wainwright feat. Sharon Van Etten, Calexico, fun., The Shins und Irma Thomas with The Preservation Hall Jazz Band. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Kompilation in einigen Jahren ein gesuchtes Album sein wird, alleine, weil etliche der darauf enthaltenen Versionen gängiger Klassiker und neuer(er) Songs unglaublich gut gelungen sind.

24 Weihnachtsalben Holidays Rule24 Weihnachtsalben Holidays Rule Red Vinyl24 Weihnachtsalben Christmas Rules

Bereits der Einstieg von fun. mit "Sleigh Ride" bereitet große Freude, bei dem man in den ersten 40 Sekunden die ganz großen Weihnachtsgefühle serviert bekommt. Verspielt und sinnlich gelingt der Truppe eine hervorragende Mischung aus Drum Programming und echtem Orchester. Es ist was es ist: fun. Interessant ist auch, was The Shins aus dem McCartney-Hit "Wonderful Christmastime“ aus dem Jahr 1979 macht, nämlich eine zeitgemäße Auffettung mit Stil, Lust und Freude. Sir Paul McCartney himself singt hingegen "The Christmas Song" (eh schon wissen, der Mel Tormé Klassiker, der in der Interpretation von Nat King Cole eine Steilvorlage bekam). Begleitet wird er dabei von Diana Krall am Piano und John Pizzarelli an der Gitarre. Die Chestnuts Roasting On An Open Fire hört man hier sehr genau und Sir Paul singt sich einmal mehr in die Herzen. Auf diesem hohen Niveau ist auch "Baby, It's Cold Outside" in der Version von Rufus Wainwright featuring Sharon Van Etten, begleitet von Andy Burton am Piano, angesiedelt. Die vom Arrangement her extreme Reduktion ist ein ungemeiner Gewinn fürs Allgemeinwohl und lässt die meisten Interpretationen dieses Songs (vielleicht mit Ausnahme von Dean Martins Version aus dem Jahr 1959) weit hinter sich.

Eine weitere Großtat auf der Kompilation kommt von der Band Black Prairie featuring Sallie Ford und deren Beitrag "(Everybody's Waitin' For) The Man With The Bag". Man denkt dabei an ein Shanty und hört irgendwie auch Weihnachten, man hört den extra special fun, eine Tanzmusik für Fortgeschrittene und eine Sängerin mit Verve und Esprit. "Green Grows The Holly" heißt es dann später bei Calexico, einem uralten Song, geschrieben von King Henry VIII aus England. Hat daraus Leonard Cohen dereinst die melodiöse Inspiration für "Who By Fire" erhalten? Gut möglich, aber in diesem Falle egal. Calexico gehen es sehr atmosphärisch an, lassen natürlich die Trompeten singen und somit alle frohlocken. Sehr hübsch ist auch "Blue Christmas" von den Heartless Bastards und "Santa, Bring My Baby Back To Me" von Eleanor Friedberger, sowie "That's What I Want For Christmas" von Holly Golightly geworden. Bei letztgenanntem haben wir die Situation, dass es schon sehr spät ist und das Tanzlokal schön langsam zur Sperrstunde aufruft. "Kiss me, that's what I want for Christmas" heißt es da, bevor wir alle rausgeschmissen werden. Aber keine Sorge, das Lokal nebenan ist noch offen, und dort hören wir Irma Thomas with The Preservation Hall Jazz Band ein Weihnachtslied von Louis Jordan (also ebenfalls ein uraltes) singen. "May Ev'ry Day Be Christmas", singt sie und dazu schwingt es wie früher in der Carnegie Hall, als der Jazz noch jung war.

Egal, welches Lied von diesem Album man sich hernimmt, jedes für sich ist ein Highlight, ein großes Vergnügen, ein musikalisches Fest für Musikliebhaber*innen. Ein Weihnachtsalbum, wie man es sich wünscht. Abwechslungsreich. Sinnlich. Originell. Einzig verwirrend ist, dass die Kompilation bei der Erstveröffentlichung auf CD "Christmas Rules" hieß und 10 Jahre später auf Vinyl mit identer Tracklist unter dem Titel "Holidays Rule" auf Red Translucent Vinyl bzw. Clear with Red/Green Splatter Vinyl wiederveröffentlicht wurde. //

23. Dezember

Emmylou Harris: Light of the Stable (Warner Bros., 1979)

Christmas time is comin’, die Snowflakes are falling und die fröhliche Leichtigkeit kehrt in die Stube. Die Vorfreude und der Glanz bestimmen die Sinne und der Gesang der Sängerin ist Engelsgleich. Die Sängerin: Emmylou Harris.

24 Weihnachtsalben Emmylou HarrisDie kristalline Reinheit ihrer Stimme zeugt von einer ehrlichen und geerdeten Menschlichkeit, als wäre sie dafür geboren ein großartiges Weihnachtsalbum zu veröffentlichen. Emmylou Harris, eine der wesentlichen Stimmen im Country-Genre realisierte im Jahr 1979 mit "Light of the Stable" ein 10-Song-starkes monumentales Weihnachtsalbum, also noch im strikt analogen Zeitalter, und das hört man den frühen Vinyl-Pressungen auch an.

Abgesehen davon liefert Emmylou Harris nicht nur prachtvolle Versionen bekannter Weihnachtsklassiker wie "The First Noel", "Little Drummer Boy" und "Silent Night", sondern auch stimmungsvolle Lieder jüngeren Datums wie die Rodney Crowell Komposition "Angel Eyes (Angel Eyes)", "Beautiful Star of Bethlehem" von Arthur Leroy Phipps oder der Titelsong, komponiert von Steven und Elizabeth Rhymer, den Emmylou Harris auf diesem Album als erste veröffentlichte. Wertvolle musikalische Unterstützung erhielt die Country-Sängerin aus ihrem Freundeskreis, den Kolleg*innen Linda Ronstadt, Dolly Parton, Neil Young, Ricky Scaggs, Brian Ahern, Albert Lee, James Burton, Glen D.Hardin, Willie Nelson uvm. Es ist ein Album, das trotz (oder wegen?) des Starensembles mit Unaufdringlichkeit die Herzen erreicht und das positive des Weihnachtsgedankens hervor zu streichen versteht.

Das Instrumentarium ist mit wenigen Ausnahmen akustisch ausgelegt: Banjo, Kastenzither (Auto Harp), Mandoline, Violine, Pedal Steel, Clavinet (ein analoges, elektro-mechanisches Tasteninstrument mit 60 Tasten) und akustische Gitarre bestimmen das Klangbild, angereichert mit dezent eingesetztem E-Bass und Schlagzeug und manchmal gesellt sich auch eine elektrische Gitarre dazu. Hinzu kommt, vielleicht sogar als größte Stärke des Albums, die Zeitlosigkeit der Arrangements. Es scheint, als ob "Light of the Stable" aus jeglichem Zeitgefüge gefallen ist. All das jedenfalls plus die Solo-Stimme von Emmylou Harris plus die Harmonie-Gesänge ergeben ein stilvolles Ganzes, das vollkommen von Kitsch befreit Freude vermittelt. Diese Freude erzeugt wiederum eine positive Energie und eine Idee von Humanismus, den die Weltgemeinde heute genauso braucht wie bei der Geburt dieses Albums. //

24. Dezember

Ella Fitzgerald: Ella Wishes You a Swinging Christmas (Verve Records, 1960)

Es gibt gute Weihnachtsalben, es gibt bekannte Weihnachtsalben, es gibt erfolgreiche Weihnachtsalben – und es gibt aus der Summe all dessen die Quintessenz aller Weihnachtsalben, "Ella Wishes You a Swinging Christmas" von Ella Fitzgerald.

24 Weihnachtsalben Ella FitzgeraldThe Great American Songbook ist der Kanon der wichtigsten und einflussreichsten Jazz Standards und populärer Lieder in den USA aus dem frühen 20. Jahrhundert von den 1930er bis 1960er Jahren. Darin enthalten sind auch einige Weihnachtslieder wie z.B. "White Christmas" (1942) von Irving Berlin, "Winter Wonderland" (1934) von Felix Bernard und Richard Bernhard Smith, "The Christmas Song" (1945) von Mel Tormé und Robert Wells, "Have Yourself a Merry Little Christmas" (1944) von Hugh Martin und Ralph Blane, "Santa Claus Is Coming to Town" (1934) von J. Fred Coots und Haven Gillespie, sowie "Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!" (1945) von Sammy Cahn und Jule Styne. Diese sechs Lieder finden sich auch in der Original-Tracklist von "Ella wishes you a Swinging Christmas", das zugleich das erste Weihnachtsalbum einer weiblichen Sängerin überhaupt war.

Die First Lady of Song, wie sie auch genannt wird, nahm für das Label Verve zwischen 1956 und 1964 acht Alben auf, die sich allesamt dem Songbook von bestimmten Komponisten widmeten. Zwischendrin entstand jenes epochale Weihnachtsalbum, das nicht nur Standards beinhaltete, sondern selbst auch Standards setzte. "So here is Ella for Christmas", heißt es auf der Plattenrückseite der Originalausgabe, "Twelve happy, winter songs, happily sung to happily suggest that yours be a Swinging Christmas – anytime – all the time!" Die oben erwähnten sechs Lieder aus dem Great American Songbook werden mit sechs weiteren festlichen, aber nicht religiösen, Weihnachtsliedern ergänzt, die allesamt ebenso als Klassiker angesehen werden können, auch wenn sie nicht zum Kanon zählen: "Jingle Bells" (1857) von James Lord Pierpont, "What Are You Doing New Year's Eve?" (1947) von Frank Loesser, "Sleigh Ride" (1950) von Leroy Anderson und Mitchell Parish, "Good Morning Blues" (1937) von Count Basie, Eddie Durham und Jimmy Rushing, "Rudolph, the Red-Nosed Reindeer" (1949) von Johnny Marks, sowie "Frosty the Snowman" (1950) von Steve Nelson und Jack Rollins.

Letztlich ist dieses Jazz-Weihnachtsalbum jenes, das alle anderen (Genre übergreifend) in den Schatten stellt, da es mit einer Leichtigkeit, Schönheit und Beschwingtheit daherkommt wie kein anderes, umgesetzt mit einer unfassbar exquisiten Phrasierung von Ella Fitzgerald. Die Band rund um den musikalischen Leiter Frank Denny De Vol swingt mit eben diesem gewissen leichten Touch durch die Lieder und bringt dabei die ganze Spielfreude zum Leuchten und Ella Fitzgerald zur gewohnten Höchstform an Gesangskunst. Ein legendäres Weihnachtsalbum, das heute noch so frisch klingt wie zur Erstveröffentlichung 1960 und jeden 24.12. mit einer friedlichen Stimmung ausstattet. Merry Christmas and a joyful 2025! //

Alle Texte: Manfred Horak
Foto: Pixabay by Van3ssa_

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