Sigrid Horn; Foto: Magdalena Blaszczuk

Sigrid Horn veröffentlichte knapp vor der Corona-Krise das Album I bleib do und stand - noch ganz klassisch - für ein Interview zur Verfügung.

Ebenfalls knapp vor der Corona-Krise fand in der Hamburger Elbphilharmonie das Festival "Ganz Wien" statt. Sigrid Horn trat dortl neben prominenten Kollegen wie Willi Resetarits, Der Nino aus Wien oder Die Strottern u.v.a. auf. Anlässlich der Album-Veröffentlichung von "I bleib do" gab es die Möglichkeit für ein Interview mit Sigrid Horn. Die Dialekt Singer/Songwriterin hat 2018 das von Ernst Molden produzierte Debütalbum "Sog i bin weg" veröffentlicht. 2019 gewann Sigrid Horn mit ihrem Lied "Bau", in dem sie gegen die zunehmende Zersiedelung der österreichischen Landschaft protestiert, den FM4-Protestsongcontest.

Kulturwoche.at: Sigrid, vor kurzem bist du in der Hamburger Elbphilharmonie aufgetreten. Wie war das für dich?

Sigrid Horn: Sehr cool! Wir haben es sehr genossen, in diesem Raum mit dem tollen Klang zu spielen, der auch perfekt zu unseren akustischen Instrumenten passt. Wir haben da ja mit Stimme, Akkordeon, Ukulele und Harfe fast ein kammermusikalisches Set-Up, das passt perfekt in diesen Raum hinein. [Sigrid Horn in der Elbphilharmonie Hamburg.]

Das neue Album trägt den Titel "I bleib do". Wie ist das gemeint?

Sigrid Horn: Für mich bedeutet das eine gewisse Versöhnung mit sich selbst. Dazu zu stehen, dass man machen darf, was man macht. Dass man eine Berechtigung hat, da zu sein. Aber es geht auch um eine gewisse Widerständigkeit im Sinne von: Ihr kriegt´s mich nicht weg!

Bedeutet das, du hast früher Zweifel gehabt, ob deine Karriere längerfristig als nur für ein Album andauern wird?

Sigrid Horn: Am Anfang bin ich eigentlich gar nicht davon ausgegangen, dass sich irgendwer meine Lieder anhören wird. Die Songs, die am ersten Album "Sog i bin weg" drauf sind, habe ich eigentlich nur für mich selbst geschrieben. Als dann Ernst Molden vorgeschlagen hat, damit ein Album aufzunehmen und auf seinem Label zu veröffentlichen, war das im ersten Moment total absurd für mich! Ich habe das erst richtig realisiert, als das Album fertig war. Dass auch wirklich Leute zu meinen Konzerten gekommen sind, wie z.B. bei meinem Auftritt am Wiener Volksstimme-Fest, wo ca. 400 Zuschauer waren, ist am Anfang echt arg für mich gewesen! Für mich war diese Zeit nach der Veröffentlichung des ersten Albums ein sehr intensiver Entwicklungsprozess und ich habe viel dazu gelernt.

Deine musikalischen Partner am neuen Album sind wieder Sarah Metzler sowie Bernhard Scheiblauer. Wie hast du sie kennengelernt?

Sigrid Horn: Bernhard kenne ich schon seit dem Kindergarten (schmunzelt). Er war schon Gast auf meiner ersten Geburtstagsparty mit sechs Jahren, und wir haben schon im Kindergarten gemeinsam Musik gemacht. Das war quasi unsere erste gemeinsame Live-Performance (schmunzelt)! Später haben wir gemeinsam in der Kirche ministriert bzw. sind auch in der Schule jahrelang nebeneinandergesessen. Sarah kenne ich seit dem ersten Tag an der Uni. Das ist auch schon wieder zehn Jahre her. Die beiden sind auf jeden Fall meine beiden engsten Partner in der Musik. Es ist herrlich, dass die beiden auch noch zufällig genau die Instrumente Ukulele, Concertina und Harfe spielen, die gut zu meinen Songs passen! Das empfinde ich wirklich als großes Glück!

Hast du die Songs für das neue Album schon fertig geschrieben gehabt, bevor ihr ins Studio gegangen seid?

Sigrid Horn: Ja, die Songs kommen einfach. Da kann man eh nichts dagegen machen! Also waren die Songs im Prinzip schon fertig, als wir ins Studio gegangen sind, aber ich hatte dann einen Fahrradunfall und wir mussten mit den Aufnahmen etwas warten. Wir konnten nämlich dadurch auch nicht proben, und so hat sich das Ganze etwas verzögert. Aber wir haben es dann letztendlich doch geschafft! Wegen meiner Verletzung hat Bernhard dann auf zwei Tracks die Ukulele für mich eingespielt bzw. war sozusagen mein Double!

Welche Rolle hat Ernst Molden bei den Aufnahmen zum neuen Album gespielt?

Sigrid Horn: Ernst hat uns ein paar Mal im Studio besucht, und hat auch bei zwei Songs mitgespielt. Er gab mir auch Feedback zu den neuen Songs. Er wollte sich bei dieser Produktion eher mehr heraushalten, aber ich habe Ernst dann doch bei den Aufnahmen immer wieder eingebunden. Ernst ist zwar nicht sehr glücklich, wenn ich ihn als eine Art "Coach" bezeichne, aber für mich hat er schon ein bisschen diese Funktion. Es ist so angenehm, wenn er manchmal genau die richtigen Fragen im richtigen Moment stellt. Zusätzlich hat Ernst auch ein irrsinnig gutes Gespür für Texte.

Kommt bei dir der Text oder die Musik zuerst, wenn du neue Lieder schreibst?

Sigrid Horn: Meistens beides gleichzeitig. Hin und wieder zuerst der Text und dann die Musik. Bei dem Lied "Mea" z.B. habe ich zuerst den Text geschrieben, und dann hat Bernhard bei mir zuhause in der Küche auf der Ukulele irgendwas dahin gejammt und ich sagte: Stopp, das passt super zu meinem Text! Dann habe ich einfach meinen Text zu seiner Melodie dazu gesungen. Wir haben es aufgenommen und das Lied war fertig!

Die erste Single des Albums, zu dem es auch ein feines Video gibt, ist "Radl". Was ist der Hintergrund zu diesem Song?

Sigrid Horn: Das ist quasi die einzige Auftragsarbeit unter den neuen Liedern. Da hat meine Mutter vorgeschlagen, ich soll einen Text für meine Großeltern schreiben zum 60. Hochzeitsjubiläum. Eigentlich hätte das nur ein Text für ein gemeinsames Buch der Gratulanten werden sollen, aber ich habe dann ein bisschen über die Stränge geschlagen, und gleich ein ganzes Lied geschrieben (schmunzelt)! Für das Video waren meine Großeltern so nett, persönliche Fotos aus Ihrem Familienalbum zur Verfügung zu stellen. Auch andere Verwandte, die auf manchen Fotos im Video zu sehen sind, haben der Veröffentlichung zugestimmt. Hinter dem Video steckt also sozusagen Unterstützung von meiner ganzen Familie, das finde ich echt cool und hat mich sehr gefreut!

Vielleicht kannst du noch mehr über die Entstehung von zwei Liedern des neuen Albums mehr erzählen wie z.B. zu "Frühling" und "Herzen"?

Sigrid Horn: Gern! "Frühling" habe ich geschrieben, nachdem ich etwas beendet habe und mich damit abfinden musste, dass es aber eh weitergeht, weil, der nächste Frühling kommt ja bestimmt! Lustig, die beiden Lieder passen irgendwie gut zusammen. Auch auf meiner Konzert-Setliste kommen die beiden immer hintereinander, also zuerst "Herzen" und dann "Frühling". Beides sind Liebes- bzw. so Beziehungs-Herz-Schmerz-Lieder. Obwohl es auch politische Lieder auf dem neuen Album gibt. "Herzen" ist der Versuch Herz-Schmerz mit verschiedenen Essens-Metaphern zu erklären.

Welche Lieder am neuen Album haben einen politischen Hintergrund?

Sigrid Horn: "Heiti" ist für mich sehr stark politisch, aber auch "Sirenen". Auch in "Radl" - da geht es um so eine "Hackler"- bzw. Arbeiterfamilie. Die lassen sich auch nicht unterkriegen und durchstehen alle Probleme gemeinsam. Aber auch "Mea" ist genauso politisch, weil eine Frau, die über Sexualität singt, auf die Art und Weise, wo nicht die Frau das Objekt der Begierde ist, sondern das Gegenüber, das ist auch etwas Politisches, finde ich. Diese Lieder funktionieren auch live gut. Bei "Radl" sehe ich z.B. im Publikum jedes Mal Leute weinen. Ich habe dieses Lied noch nie live gespielt, ohne dass wer weint. Ich habe schon fast ein schlechtes Gewissen deswegen! Ich habe mir echt schon überlegt, ob wir deswegen nicht Taschentücher in unser Merchandising-Angebot aufnehmen sollen! Mit irgendeinem tröstenden Spruch drauf...

Eines der großen Themen derzeit ist der Klimawandel. Was hältst du von einer Person wie Greta Thunberg?

Sigrid Horn: Die finde ich super! Das ist ein wichtiges Anliegen! Ich freue mich total, dass das Interesse für dieses Thema bei der jetzigen Generation anscheinend größer ist als bei meiner. Als ich noch in der Schule war, vor 15 Jahren, und so was Ähnliches wie Greta machen wollte, hat das nicht funktioniert (schmunzelt)! Wenn ich in der Schule damals Klimaschutz zum Thema machen wollte, hat mich niemand ernst genommen! Ich finde es sehr cool, dass es jetzt unter den Jugendlichen eine Art Wut-Bewegung gibt, die definitiv sagt: Wir wollen nicht, dass unsere Welt untergeht, bitte könnt's euch alle einmal zusammenreißen! Ich finde, das ist eine total legitime Forderung! Darum geht es auch in meinen neuen Liedern "Heiti" und "Sirenen": dass die Leute oft einfach die Augen zumachen, vor dem was auf der Welt heute gerade passiert!

Live hast du auch immer wieder eine tolle Dialekt-Cover von Johnny Cash "Man in Black" im Programm. War das jemals eine Überlegung, diesen Song im Studio für das neue Album aufzunehmen?

Sigrid Horn: Ja, leider hat es das Stück nicht aufs Album geschafft, weil der Verlag von Johnny Cash dagegen war. Schade! //

Interview: Robert Fischer
Foto: Magdalena Blaszczuk

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