Leonard Cohen 1976

Ein Tribute-Abend im TAG mit Talk-Gästen und Live-Musik in Erinnerung an den großen Leonard Cohen (1934-2016).



Mit "Let Us Compare Mythologies", erschienen 1956, startete Leonard Cohen seine Karriere als Schriftsteller. Bereits mit seinem zweiten Buch, "The Spice-Box Of Earth" (1961), erlangte er eine gewisse Berühmtheit in Kanada, wo er, in Montreal, am 21. 9. 1934, geboren wurde. Zwischen 1960 und 1967 lebte Cohen gemeinsam mit Marianne Ihlen auf der griechischen Insel Hydra. Dort entstand sein Roman "The Favourite Game" (1963), der Kultroman und internationale Bestseller "Beautiful Losers" (1966), sowie der Gedichtband "Flowers for Hitler" (1964). In dieser Zeit hörte er irgendwann auch "Desolation Row" von Bob Dylan, das ihn dazu bewog, selbst zur Gitarre zu greifen und ebenfalls Musiker zu werden. Sein erstes Album, "Songs of Leonard Cohen" (1967) erschien, das ihn prompt (neben Bob Dylan) als einer der wichtigsten Interpreten der Singer-Songwriter-Zunft etablierte. Auf diesem Debüt-Album ist mit "So long, Marianne" ein Lied zu hören, das zu den 200 besten Songs der 1960er Jahre zählt. Das Lied selbst ist seiner damaligen Freundin Marianne Ihlen gewidmet, deren Beziehung er im Lied allerdings in Frage stellt und es nicht klar ist, wie die Zukunft aussieht.

Die Zeichen standen jedenfalls auf Veränderung, denn aus dem Romanautor wurde ein Singer-Songwriter, auch wenn Leonard Cohen ursprünglich seine musikalischen Avancen nur darin sah, um schnell Geld zu verdienen, um sich danach wieder verstärkt seiner literarischen Tätigkeit zu widmen. Aus diesem Plan, wie wir alle wissen, wurde nichts, und Leonard Cohen blieb Musiker. Große Alben wie "Songs from a Room" (1969), "Songs of Love and Hate" (1971) und das wuchtige "New Skin for the Old Ceremony" (1974) folgten, und festigten Cohens Stellung als Songwriter. Katastrophal, wie es Leonard Cohen selbst formulierte, endete hingegen seine Zusammenarbeit mit Phil Spector zum Album "Death of a Ladies' Man" (1977), das Leonard Cohen hasste und bei Fans und Kritiker polarisierte. Grund war die Wall of Sound Produktion von Spector. Die darauf enthaltenen Lieder griff Leonard Cohen nie in seinem Live-Repertoire auf.

Mit Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre war es dann mit der Popularität von Leonard Cohen zunächst mal vorbei - zumindest in den USA. Seine Alben "Recent Songs" (1979) und "Various Positions" (1984) wurden dort nicht veröffentlicht. Das US-Amerikanische Publikum versäumte somit Jahrhundertsongs in Kathedralengröße wie "Hallelujah" und "If It Be Your Will". In Europa hingegen war die Popularität von Leonard Cohen ungebrochen. So war er (u.a. neben Georg Danzer und den Schmetterlingen mit Willi Resetarits) der wohl prominenteste Teil der Arena-Besetzer, nachdem im Jahr 1976 mit der Arena-Besetzung schlussendlich sogar in Wien das Jahr 1968 Einzug hielt. Ich konnte aus Altersgründen dort leider nicht dabei sein, und somit war Cohens Konzert im damals gruseligen Austria Center Vienna mein erstes Leonard Cohen Konzert. Das muss so um 1988/1989 gewesen sein, denn "I'm Your Man" (1988) ist gerade mal veröffentlicht worden.

Das vermutlich beste Album in seiner gesamten Karriere veröffentlichte der Kanadier vier Jahre später mit "The Future" (1992) als ein Stück düstere Poesie in rhythmisch leichter Liedform. Lieder über Staatsgrenzen, Fall der Berliner Mauer, Demokratie und, klar, über die Zukunft. "Ich habe die Zukunft gesehen, Bruder, sie ist mörderisch", singt Leonard Cohen im Titelsong. Das Lied schrieb der kanadische Poet bereits einige Jahre vorher, nämlich während des Mauerfalls in Berlin am 9. November 1989. So sehr Leonard Cohen den Fall der Berliner Mauer und die Aufhebung der Staatsgrenze auch begrüßte und das Glück der Menschen bejahte, so hatte er doch die klare Vorstellung, dass dies eine Menge Leid hervorrufen würde, oder, wie er in einem Interview erklärte: "Ich glaubte nicht daran, dass die osteuropäischen kommunistischen Republiken sich Hals über Kopf in die lebensbejahende Demokratie stürzen, so wie das jeder erhoffte. Ich bin nicht froh darüber, dass sich meine Prophezeiungen bestätigt haben. Also, The Future ist der Song, den die Zukunft weint, den die Zukunft aus mir herauswand. Es geht nicht um Politik, es ist eine Art Psycho-Geo-Politik, mit der die Zukunft diesen Aufschrei aus mir, aus meinem Herzen hervorbringt."

Dieses Album markierte gleichzeitig sein vorläufiges Karriereende, denn fortan lebte Leonard Cohen in einem buddhistischen Kloster und widmete sich der Zen-Meditation, wo er unter dem Namen Jikan (der Stille) Mönch wurde und als Koch und Fahrer für den Zen-Meister Rōshi Kyozan Joshu Sasaki, der 2014 im Alter von 107 Jahren starb, arbeitete. Zur freudigen Überraschung seiner Fans veröffentlichte er völlig unerwartet 2001 und 2004 zwei weitere Alben, das musikalisch schwächste Album, "Ten New Songs", und eines seiner besten Alben, "Dear Heather". Im Zuge dieser Veröffentlichung kam Leonard Cohen drauf, dass seine Vertraute, Kurzzeitgeliebte und Managerin Kelley Lynch sein Vermögen in Höhe von mehreren Millionen Dollar fast vollständig veruntreut hatte. Das Geld blieb verschwunden, und somit begab sich Leonard Cohen erstmals nach 15 Jahren wieder auf eine ausgedehnte Tournee.

Zwei Live-Alben später erschien mit "Old Ideas" (2012) endlich auch wieder ein weiteres Studio-Album des Meisters, und 2014 erschien mit "Popular Problems" Cohens zweites großes Meisterwerk neben "The Future". Zwei Wochen vor seinem Tod erschien mit "You Want It Darker" (2016) schließlich sein Abschiedsalbum. Am 7. November 2016 ist der große kanadische Songwriter und Poet Leonard Cohen im Alter von 82 Jahren verstorben. //

Text: Manfred Horak

Live-Tipp:
So long Leonard: Tribute to Leonard Cohen
Das TAG
23.9.2019 (Beginn: 20 Uhr)



Talk-Gäste:
Thomas Mießgang (Profil, Zeit, ORF)
Barbara Zeman (Autorin), die 2019 ihr Romandebüt "Immerjahn" im Verlag Hoffmann & Campe veröffentlicht hat
Der Nino aus Wien (österreichischer Liedermacher und Literat)
Live-Musik:

Steve Gander & Band

Konzept & Moderation:
Robert Fischer