Der Grammy-Award Gewinner Herbert Lippert feiert im Oktober 2017 seinen 60. Geburtstag und zählt zu den gefragtesten Tenören unserer Zeit. Unermüdlich steht er auf der Bühne der Wiener Staatsoper, konzertiert mit eigenen Liederabenden und widmet sich nachts der Öl- und Aquarell-Malerei. Sein jugendliches Herz schlägt aber vor allem für die Operette und deren, während der NS-Zeit vertriebenen, Komponisten. Andrea Schramek traf Herbert Lippert und Eduard Kutrowatz im Vorfeld zur Herbstausgabe vom Liszt Festival 2017, sowie im Vorfeld zum Konzert und Ausstellung "Schuberts Winterreise in Ton und Bild" am 29. Oktober 2017 im Gustav Mahler-Saal der Wiener Staatsoper (Beginn 15 Uhr) zum ausführlichen Gespräch.

Kulturwoche.at: Sie eröffnen gemeinsam mit dem Spring String Quartet und Andreas Wieser an der Klarinette das Lisztfestival im burgenländischen Raiding. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Eduard Kutrowatz: Ich habe vor zwei Jahren bei einem Benefiz-Konzert für den "Nikolauszug" zugunsten armutsgefährdeter Kinder im Muth mitgewirkt, das Herbert Lippert schon seit Jahren unterstützt. Da habe ich Herbert Lippert mit seinem Werner Richard Heymann-Programm und dem Spring String Quartet erlebt und mir sofort gedacht: "Das muss ich nach Raiding bringen!"

Das Programm klingt sehr außergewöhnlich.

Eduard Kutrowatz: Ja, durchaus! Das Außergewöhnliche an diesem Abend ist aber auch, dass wir sozusagen Liszt der Operette gegenüberstellen. Das gab es noch nie.Im ersten Teil bringen wir Brahms, Mahler und Liszt. Das geht vom schlichten Brahms-Ständchen, behutsamen Naturschilderungen, wie in Mahlers "Frühlingslied" und "Winterlied", zu Liszt-Liedern wie "Im Rein im schönen Strome", "Du bist wie eine Blume" oder "Angiolin dal biondo crin", das er zur Geburt seiner Tochter geschrieben hat.

Herbert Lippert: Wir beide haben eine große Bandbreite an Liedern - aber das ist eine Kombination, die wir noch nicht kannten und an der wir jetzt momentan eine große Freude haben. Brahms, Liszt und vor allem auch die Mahler-Lieder, die wir vor kurzem für uns entdeckt haben, liegen uns beiden musikalisch und interpretatorisch sehr. Der erste Teil endet dann, sozusagen als Höhepunkt, mit einer Arie aus Liszts einziger Oper, die er im Alter von 13 Jahren geschrieben hat: "Don Sanche ou le château d’amour". Ich habe diese Arie noch nie gesungen und mich kurzfristig entschlossen, sie ins Programm zu nehmen. Wir setzen damit den Schlusspunkt im ersten Teil, und zwar bereits gemeinsam mit dem Spring String Quartet, das wir hier zum ersten Mal dem Publikum präsentieren und mit dem wir dann den zweiten Teil des Abends bestreiten werden.

Auf der Website des Spring String Quartet kann man lesen: "Musik ist das Einzige, das überall auf der Welt funktioniert". Dieser Satz passt auch sehr gut zu Franz Liszt, der ja als Pianist sehr weit gereist und überall erfolgreich war. Er passt aber auch zu Werner Richard Heymann, dem der zweite Teil gewidmet ist. Werner Richard Heymann, einer der bekanntesten deutschen Film-und Bühnen-Komponisten der 1930er und 1940er Jahre, musste emigrieren, aber es gelang ihm, zunächst in Paris, später auch in Hollywood, erfolgreich zu sein. Bis heute sind seine Lieder bekannt und beliebt. Von Heymann selbst stammt der Satz: "Sie kennen mich nicht, aber Sie haben schon viel von mir gehört". Haben Sie es sich zur Aufgabe gemacht, den Komponisten Werner Richard Heymann mehr ins Rampenlicht zu rücken?

Herbert Lippert: Ich habe mich schon lange mit Operettenmusik und deren Komponisten beschäftigt. Auch im Sinne des ersten Tonfilms, weil diese Komponisten ja auch für die UFA geschrieben haben. Da war klar, dass mir auch Richard Heymann über den Weg läuft, der mich von seiner Lebensgeschichte her sehr fasziniert hat und eben auch diese erfrischenden Lieder komponiert hat - mit diesen wunderbaren Texten. "Liebling, mein Herz lässt dich grüßen", "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen", "Ein Freund, ein guter Freund..." - Er war ein Genie und man kann sagen, ein Vater des Tonfilms. Paul Abraham hat zwar den ersten Tonfilm geschrieben, aber der ist dann ausgefallen und dann hat Heymann das übernommen. Also, das war ein ganz toller Mann. Und immer zeitlos und immer bekannt. Es war also schon ein langer Wunsch von mir, einen Heymann-Abend zu machen und mit dem Spring String Quartet erscheint mir das eine sehr gute Kombination.

"Ein Freund, ein guter Freund..." ist der Titel des Abends. Freundschaft, das betrifft auch Herbert Lippert und Eduard Kutrowatz?

Eduard Kutrowatz: Ja. Ich kenne Herbert Lippert seit ziemlich genau 30 Jahren. Und ich weiß auch noch genau, wo wir uns zum ersten Mal begegnet sind: Es war Mitte der 1980er Jahre bei einem Schubert-Abend mit Männerquartett und Klavier und zwar im Grand Hotel in Zell am See. Seit damals waren wir immer wieder in Kontakt und seit neun Jahren kann man sagen sind wir in einer sehr engen Kooperation und Partnerschaft in der Programmgestaltung. Das hat sich aus einer, von Anfang an bestehenden, künstlerischen Wertschätzung hin zu einer wirklichen Freundschaft entwickelt.

Herbert Lippert: Ja, das Verhältnis mit Eduard geht über die musikalische Zusammenarbeit weit hinaus. Wir haben zwei gleiche Seelen und verstehen uns blind. Das schlägt sich dann natürlich auch in der musikalischen Darbietung nieder. Jeder kennt den anderen, jeder weiß was der andere will. Da bedarf es keiner langen Proben. Wir kennen uns schon über 30 Jahre und da entsteht natürlich auch eine sehr intensive Freundschaft.

Im Herbst 2017 gehen Sie beide auch, wenn man so will, zusammen auf eine Reise. Und zwar auf Schuberts-Winterreise.

Herbert Lippert: Ja, am 29.10.2017 machen wir die Winterreise im Gustav Mahler-Saal in der Wiener Staatsoper und dazu zeigen wir meine 24 Bilder, die ich gemalt habe. Sie sind die Illustrationen zu den 24 Liedern der Winterreise.

Sie haben so viele Proben, Auftritte und Projekte - aber immer noch Zeit zum Malen?

Herbert Lippert: Ja, Malen tu ich meist in der Nacht.

In der Staatsoper sind Sie gerade in Mussorgskis "Chowantschtschina" zu sehen, aber, und Sie haben es schon erwähnt, es ist vor allem die Operette, die Ihnen sehr am Herzen liegt. Diesen Sommer haben Sie mit "O-Mia" eine "Operette made in Austria", gemeinsam mit Ildikó Raimondi und nach einem Konzept von Manfred Corrine, "zur Welt gebracht".

Herbert Lippert: Ja, "O-Mia" ist ein sehr innovatives, modernes Operettenprojekt, das einfach versucht den Geist der Operette zu beleben. Aber nicht in Kostüm und Maske, sondern indem es der Operette die Melodien wieder schenkt, und zwar in einer Abfolge, die man heute noch nicht gewohnt ist, aber sicherlich zur Gewohnheit wird. Also weg von dem ganzen Klamauk, von dem Antiquarischen, vom Verbeugen,... weg von dem, was man jetzt gewohnt ist. Das Publikum wird auch über Videoprojektion durch einen Schauspieler, durch Johannes Silberschneider, der in die damalige Zeit schlüpft, über die damalige Zeit, in der diese Musik entstanden ist, informiert und vor allem darüber, dass es eine schöne Zeit war - im Rahmen dieser Musik, aber auch eine sehr schwierige Zeit. Es geht also auch darum, das Publikum in diese Zeit zu führen, zu informieren, damit es sich mit dieser Zeit auseinandersetzt.

Sie haben am Ende des "O-Mia"-Konzerts gesagt, Sie wollen dieses Projekt später jüngeren Kollegen übergeben, weil Sie nicht bis 70 auf der Bühne stehen wollen. Aber Operette hält offenbar jung, denn wenn man, wie Sie, mit 60 aussieht wie 45 und singt wie 35, sehe ich da eigentlich kein Problem. Wie machen Sie das?

Herbert Lippert: Oh, Danke, ganz lieb (lacht). Ich weiß es nicht. Das kann ich jetzt gar nicht sagen. Ein Grund könnte natürlich sein, dass meine Kindheit eine sehr turbulente war und auch dramatisch. Und dass ich mit 23 Jahren meine Frau kennen gelernt habe, wir fünf gemeinsame Kinder haben und eine sehr gute Beziehung führen. Natürlich ist es manchmal nicht leicht, fünf Kinder groß zu ziehen, aber letztendlich ist da etwas im Bewusstsein verankert, dass man weiß, man ist angekommen, dass man weiß, wo man hingehört. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass man singt, so wie man jetzt singt und so aussieht, wie man jetzt aussieht. Eine andere Erklärung hab ich nicht. //

Festival-Tipp:
Liszt Festival
18. bis 21. Oktober 2017 (Beginn jeweils 19:30 Uhr)
22. Oktober 2017 (Beginn 11 Uhr und 17 Uhr)
Franz Liszt Konzertsaal, Raiding, Burgenland

Konzert und Ausstellung:
Schuberts Winterreise in Ton und Bild
29. Oktober 2017
Gustav Mahler-Saal, Wiener Staatsoper (15 Uhr)



Interview: Andrea Schramek
Fotos: Bianca Freilinger (Spring String Quartet), Herbert Lippert (Konzertfoto, Gemälde Versunkene Stadt - Öl), Ferry Nielsen (E.Kutrowatz)