Lieder von Lemo überzeugen mit starken Melodien, reifen Texten und satten Arrangements. Zu hören auf dem erfolgreichen Debüt-Album "Stück für Stück". Wobei, wie Lemo im Interview kritisch anmerkte, "Erfolg ist ein dehnbarer Begriff," aber es war immerhin so erfolgreich, dass er momentan von seiner Musik leben kann.

Kulturwoche.at: In einem populistischen Gratis-Wochenmagazin behauptete jemand Andreas Gabalier sei der legitime Nachfolger von Kurt Cobain. Dazu fällt mir zwar nicht direkt eine Frage an dich ein, aber ich würde gerne deine Meinung zu dieser Behauptung wissen.

Lemo: Gemeint ist dabei das MTV-unplugged Konzert von Andreas Gabalier. Ich hab das Konzert nicht gesehen, aber der Vergleich ist auf so vielen Ebenen daneben, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll. Genauso wie der angesprochene Artikel. "Links-linke Staatskünstler", "Vaterlandsverräter", etc. - eigentlich ist es mir schade um die Zeit so einen Schwachsinn zu kommentieren.

Der Bildhauer, Zeichner, Maler und Schriftsteller Alfred Hrdlicka sagte einmal in einem Interview, dass es für ihn unverständlich sei, dass es überhaupt Künstler gibt, die sich politisch nicht äußern. Wie stehst du dazu?

Die Aussage kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Ich wüsste nicht, was einem Künstler mehr Berechtigung oder Grund geben sollte sich politisch zu äußern als jedem anderen Menschen. Mir geht es darum mit meiner Musik Empfindungen auszudrücken. Die können durchaus politisch bedingt sein, aber da geht es mir weniger um die tatsächliche Politik, als um das, was sie in weiterer Folge an Gefühlen in mir auslöst. Wenn der Hut brennt, muss man Zeichen setzen, aber weniger als Künstler, als als Mensch. Ich habe beispielsweise bei einer Wahlveranstaltung für Alexander van der Bellen gespielt, weil ich das Gefühl hatte, dass zu viel auf dem Spiel steht um sich das ganze stillschweigend anzusehen. Wäre ich Arzt, hätte ich etwas anderes getan, aber ich hätte es getan, unabhängig von meinem Beruf.

Was bedeutet für dich Musik?

Musik ist ein Hobby, eine Leidenschaft und glücklicherweise mittlerweile mein Beruf. Und ehrlich gesagt wüsste ich nicht genau wo ich gelandet wäre, hätte ich die Musik nicht für mich entdeckt. Ich habe in meiner Jugend schon einige schwierige Jahre gehabt. Begonnen hat das wohl mit der Trennung meiner Eltern und ich habe dann recht früh begonnen mit Alkohol und anderen Dingen zu experimentieren. Im Endeffekt hat mir aber nichts so viel Befriedigung verschafft wie Musik, vor allem gemeinsam mit anderen. Das war für mich immer eine art Ventil und wenn man so will ein Ort an den ich mich zurückziehen konnte, wenn ich sonst nicht mehr ein und aus gewusst habe. In der Musik habe ich da immer Halt gefunden. Das ist bis zu einem gewissen Grad auch heute noch so.

Wie kam es zur Entscheidung Lieder in deutscher Sprache zu schreiben und zu singen?

Deutsch ist meine Muttersprache, ich lebe in einem deutschsprachigen Land, ich kann keine andere Sprache auch nur ansatzweise so gut wie Deutsch und mein Publikum ist mehrheitlich deutschsprachig. Interessanterweise wird wohl kein amerikanischer oder englischer Künstler gefragt warum er auf Englisch singt oder schreibt. Woran liegt das? Aber zugegeben, ich habe lange Zeit auf Englisch geschrieben, weil ich vor allem englischsprachige Musik gehört habe. Irgendwann ist mir dann bewusst geworden, dass ich auf diesem Weg doch recht schnell an sprachliche Grenzen stoße, deswegen habe ich begonnen auf Deutsch zu schreiben. Vor allem bei Konzerten habe ich bemerkt was für einen riesigen Unterschied es macht, wenn die Leute wirklich verstehen was man singt. Man hat da einfach eine viel direktere Verbindung zum Publikum und spätestens ab dem Moment war mir klar, dass ich das weiter auf Deutsch machen werde.

In den letzten Jahren kam es wieder zu einem Vinyl-Revival und gleichzeitig boomen Streaming-Angebote gewaltig. Hatten diese unterschiedlichen Formate irgendeinen Einfluss darauf, wie dein Album "Stück für Stück" zustande kam? Wie sind deine Hörgewohnheiten? Hörst du viel Musik von anderen, was am liebsten und auf welchen Endgeräten?

Ich hab mir beim Schreiben zu "Stück für Stück" keine Gedanken darüber gemacht auf welchen Wegen es veröffentlicht wird. Das ist Sache des Labels und da gibt es zum Glück Leute um mich, die sich mit Vertriebswegen um einiges besser auskennen als ich. Was ich aber schon von Anfang an wusste, war, dass ich auf jeden Fall ein Album machen wollte. Ich bin selbst mit Alben aufgewachsen und höre noch immer so Musik. Ich glaube, dass sich da einiges verändert hat, vor allem durch Streaming- und Videoplattformen. In diversen Playlisten werden Hits aneinander gereiht und ich glaube, vor allem bei jüngeren Leuten, spielt das Album als Format keine besonders große Rolle mehr.Ich selbst höre verhältnismäßig wenig Musik. Wenn dann zu hause wenn ich wirklich ruhe habe und mich darauf einlassen kann. Für mich funktioniert Musik nicht nebenbei. Ich verliere dann entweder die Konzentration bei dem was ich sonst tue, oder die Musik fängt an mich zu nerven, wenn ich nicht wirklich zuhöre.

Wie wichtig ist es für dich als Musiker, die österreichische Musikgeschichte zu kennen, also z.B. das Werk von Bands wie Schmetterlinge, Hallucination Company, Drahdiwaberl, Supermax, Chuzpe, Minisex, etc. oder die Musik von mittlerweile verstorbenen wie z.B. Georg Danzer, Ludwig Hirsch, Hansi Lang, etc.? Und gleichzeitig: Wie wichtig ist es für dich als Musiker, die österreichische Musikgegenwart zu kennen?

Als Jugendlicher habe ich Austropop kategorisch abgelehnt. Das war damals einfach nicht cool. Da waren amerikanische Bands viel prägender für mich. Ich habe mich auch danach nie wirklich mit österreichischer Musikgeschichte beschäftigt und kenne einige der oben genannten Namen nicht mal.Das aktuelle Geschehen verfolge ich im Gegensatz dazu natürlich schon recht genau. Da kommt man als Musiker auch gar nicht dran vorbei, weil die (Popmusik-)Szene in Österreich so klein ist. Da hat jeder irgendwann schon mit jedem gespielt oder man arbeitet mit den gleichen Technikern, trifft sich bei Festivals, etc.

Fällt es dir generell leicht, Liedtexte zu schreiben und die passende Melodie zu finden? Wie ist deine Herangehensweise beim Erarbeiten eines Liedes?

Meistens starte ich mit Geklimper auf der Gitarre, selten am Klavier. Wenn ich da auf was komme, was mich anspricht, singe ich in einer seltsamen deutsch-englischen Fantasiesprache erste Linien drüber. Manchmal hab ich schon konkrete Textzeilen oder ein Thema das ich behandeln will im Kopf, das macht das Texten leichter. Ansonsten singe ich einen Song so lange wieder und wieder, bis sich der Text quasi von selbst formt. Manchmal weiß ich bis zum Schluss nicht worum es in einem Song genau geht und begreife es erst wenn ich wirklich fertig bin, das fühlt sich dann oft wie eine Entdeckungsreise ins eigene Gehirn an. Ab und zu setze ich mich auch hin, schreibe einen kompletten Text und vertone ihn dann. Das ist aber wirklich die Ausnahme.

Deine Karriere als Musiker steht noch am Anfang. Welche Erwartungen und Ziele hast du nach dem Erfolg von "Stück für Stück"?

Erfolg ist ein dehnbarer Begriff, aber ich kann momentan von meiner Musik leben und habe damit ein großes Ziel für mich erreicht. Derzeit bin ich mit Band auf Tour durch Österreich und es gibt einige kleine Shows in Deutschland. Gleichzeitig schreibe ich gerade für mein nächstes Album, das ich kommenden Frühling aufnehmen will. Der deutsche Markt ist für die Zukunft natürlich auch ein großes Thema, aber das hat Zeit. //

CD-Tipp:
Lemo: Stück für Stück
Bewertung: @@@@
Label / Vertrieb: Capriola / Blankomusik (2016)

Interview: Manfred Horak
Fotos: Kidizin Sane