Im Frühjahr 2015 veröffentlichte Norbert Schneider mit "Entspannt bis auf die Knochen" sein zweites Album mit Dialekt-Texten. Der Gitarrist und Sänger sprach mit Robert Fischer über Erfahrungswerte und neue Ausdrucksmöglichkeiten.

Kulturwoche.at: Wie kam es dazu, dass du jetzt im Dialekt singst?

Norbert Schneider: Ich habe einfach mal überlegt, wie ich mir mein Musikerleben in 15, 20 Jahren vorstelle. Ich wollte mich einerseits weiterentwickeln. Mit den englischen Texten sah ich da wenig Möglichkeiten, außer irgendwelche Englischkurse zu besuchen oder ins Ausland gehen. Außerdem wollte ich meine Musik noch persönlicher gestalten, damit alle, die einen Song von mir hören, sofort wissen, das ist ein "Schneider-Song". (schmunzelt) Deshalb war der Wechsel zum Dialekt für mich eine sehr wichtige Entscheidung, weil ich jetzt so viel mehr in meine Musik reinpacken kann, was mit englischen Texten einfach nicht möglich war. Die Ausdrucksmöglichkeiten in der eigenen Sprache sind halt viel größer. Irgendwie eine logische Sache - aber ich habe halt 15 Jahre gebraucht, um das zu entdecken. (schmunzelt) Jetzt war die Zeit dafür einfach reif und ich bin mit dieser Veränderung sehr happy.

Du verbindest den Dialekt musikalisch aber trotzdem mit der Blues-Tradition, aus der du kommst.  Gab es da von deiner Seite keinerlei Unsicherheit, dass das vielleicht nicht zusammenpasst? Für manche Leute muss ja z.B. ein echter Blues immer noch unbedingt in Englisch vorgetragen werden…

Ich sehe mich mittlerweile gar nicht mehr so sehr als Blues-Musiker, sondern als Musiker, der alle seine unterschiedlichen Einflüsse bündelt und in einen Topf wirft. Musikalisch hat sich für mich ja auch wenig geändert. Ich verehre den Blues nach wie vor, und höre dieselben Sachen wir früher.  Aber damit der Blues sich weiterentwickelt und relevant bleibt, finde ich es extrem wichtig, von den ewig gleichen Klischees  wegzugehen und etwas Neues zu wagen. "Sweet Home Chicago" oder "Mustang Sally" haben schon ihre Berechtigung, aber zwischendurch muss man auch etwas Neues probieren. Es hat wenig Sinn, wenn z.B. jemand heutzutage noch über die Leiden der schwarzen US-Bevölkerung beim Baumwollpflücken in den Feldern singt - das ist einfach nicht mehr aktuell. Ich finde es viel wichtiger, Songs über aktuelle Themen bzw. Songs aus dem eigenen Umfeld heraus zu schreiben. Anfang 2015 war ich auf einer Blues-Konferenz in Kanada. Dort habe ich u.a. auch mit dem Chef des berühmten Alligator-Blues-Labels Bruce Iglauer gesprochen und er war in dieser Sache der gleichen Meinung. Bei diesem Treffen sind auch viele unterschiedliche Bands aufgetreten, die eine große Bandbreite von modernem Blues präsentiert haben. Von Soul-Blues über Hip-Hop Blues oder traditionellen Juke Joint-Blues war da alles dabei. Alle hatten außerdem eigene Texte. Das hat mich sehr beeindruckt.

Wie bist du eigentlich zur Musik gekommen?

Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie. Meine Eltern wollten beide ein Musikinstrument lernen, aber hatten nicht die Möglichkeit dazu. Deswegen konnten alle fünf Kinder ein Instrument lernen, ich habe mit der Geige begonnen. So habe ich sieben Jahre klassische Violine gespielt, auch in einem Orchester aber mit mäßigem Erfolg. (schmunzelt) Mit 13, 14 Jahren hat mich die Geige dann nicht mehr so interessiert, denn ich wollte aktuelle Hits von Ambros und Danzer nachspielen, und das ging mit meinem Instrument nicht so gut. Dann hat mir meine Schwester, die bei der Nachbarin Gitarre gelernt hat, die ersten Akkorde gelernt. So kam ich dann zur Gitarre.

Wer hat dich als Gitarrist dann weiter gefördert?

Durch die abgebrochene Ausbildung zum Kindergärtner lernte ich einen tollen Gitarrelehrer kennen, der mein Talent erkannte und mich sehr förderte. Er hat mir als 15, 16-jährigen Jugendlichen auch tolle Gitarristen vorgespielt, zu denen ich sonst keinen Zugang gehabt hätte. Das ging eh auch schon ein bisschen in die Blues-Ecke. Trotzdem kannte ich zu diesem Zeitpunkt als in Niederösterreich wohnhafter Jugendlicher noch sehr wenig andere österreichische Blues-Gitarristen, das Internet war ja damals auch noch nicht so verbreitet. Ich war deswegen damals wirklich ganz naiv der Meinung, dass ich vielleicht einer der ganz wenigen Blues-Gitarristen in Österreich sei und auch in punkto Können schon sehr gut. (schmunzelt)

Wie kam es dann zu den ersten Kontakten mit der heimischen Blues-Szene?

Zufällig hörte ich, dass im Nachbarort ein Konzert mit zwei heimischen Blues-Musikern stattfinden würde, nämlich Peter Kern und Hannes Kasehs. Dieses Konzert war dann eine ganz wichtige Erfahrung. An diesem Abend musste ich mir eingestehen, dass ich mit meiner Einschätzung weit daneben gelegen hatte und mit meinen Gitarre-Künsten in punkto Blues erst ganz am Anfang stand. Einerseits hat mein Ego durch diese Erkenntnis einen kleinen Knick bekommen, andererseits hat mir diese Erfahrung auch sehr viel gebracht.

Inwiefern?

Ich habe dann einfach zu recherieren begonnen über Hannes Kasehs und Peter Kern, und über die von Ihnen in Wien veranstalteten Blues-Sessions in Lokalen wie dem Papas Tapas oder dem Bluesman. So kam es dann, dass ich über Jahre jeden Montag bzw. Mittwoch nach Wien zu den Sessions reingefahren bin. Zuerst habe ich gar nicht gesagt, dass ich selbst Gitarre spiele, sondern habe erst einmal nur den anderen zugehört. Ich habe dann schnell Anschluss gefunden, u.a. auch bei  Hannes Kasehs, der ja mittlerweile auch in meiner Band spielt.

Wie ging es dann weiter?

Das Papas Tapas war damals ein richtiger Szene-Treff, wo Leute wie Al Cook, die Mojo Blues Band, Peter Kern, Sigi Fassl regelmäßig anzutreffen waren. Von diesen Leuten konnte ich viel lernen und es hat dann nicht lang gedauert, bis zu meiner ersten Band, der Vienna City Blues Band. Das war mit Georg Weghofer und Didi Mattersberger am Schlagzeug. Die Zeit war damals auch noch ein bißchen anders als heute, und ich konnte schon recht bald von der Musik leben. Später war ich noch bei den Voodoo Surfers, einer Rockabilly Band mit dem dänischen Kontra-Bassisten Torben Jensen. Und ca. 2004 habe ich mit der ehemaligen Rythmus-Gruppe der Mojo Blues Band die Band R & B Caravan gegründet, mit der ich dann einige Jahre sehr erfolgreich mehrere CDs aufgenommen habe und international getourt bin.

Zurück zum neuen Album "Entspannt bis auf die Knochen". Wie entstehen deine Texte?

Ich schaue darauf, dass ich nicht versuche, die Welt mit großen, pathetischen  Worten zu erklären, sondern probiere das Gegenteil, nämlich mich total zurückzunehmen und in meinem Umfeld zu bleiben.

Ich finde, das Lied "Ohne mi" ist dafür ein gutes Beispiel. Im Text geht es herrlich-ironisch um eine Beziehung, wo nicht immer alles passt und Sachen wie der "Fleck von der Zahnpasta auf den Fliesen" schon eine kleine Krise auslösen. Meinst du so etwas?

Ja, genau! So banal das ist, aber man kann so wahnsinnig viel rein projizieren, das reicht schon vollkommen. Das ist meine Art von Humor, meine Art von Ausdruck. Ich stehe auch auf Filme, die eher mit solchen Sachen arbeiten, als die, die groß etwas zu erklären versuchen. Alleine, wie wir oft versuchen den Alltag zu meistern, das ist ja oft so was von lustig und lächerlich. Wie man selbst agiert, und sich in gewissen Situationen verhält, da kann man vieles finden, was man dann beim Songschreiben verwenden kann. Wenn es um ernstere oder traurige Themen geht, dann schaue ich drauf, dass ich nie auf die Tränendrüse drücke. Generell versuche ich mich einer einfachen Sprache zu bedienen. Ich schaue auch drauf, dass ich die Songs wirklich in dem Dialekt schreibe, in dem ich auch spreche und will keine künstliche Sprache verwenden. Es soll wirklich genau "meine Sprache" sein.

Bei "Immer schee draubleim", einem groovigen Reggae, hast du dir ja den Musikverein deiner Heimatstadt Prottes als Special Guest ins Studio eingeladen. Was magst du an Reggae?

Schon zur Zeiten des Caravan hat mir einmal einer meiner Mitmusiker einen tollen Sampler mit 1950er Jahre Reggae und Ska vorgespielt. Da gibt es ganz tolle Sachen. Witzigerweise ist dieser Stil ja dadurch entstanden, dass die Musiker dort versucht haben, Sachen von Jimmy Reed oder Fats Domino nachzuspielen und dann ist dieser überzeichnete Beat herausgekommen (schmunzelt). Ich bin ein totaler Liebhaber dieser Musikrichtung. Für mich gehört das auch genauso dazu, also zu Soul und Blues & Jazz, es ist halt ein bisschen eine sonnigere Variante.

Wie kam es zur Idee, den Titel gemeinsam mit dem Musikverein aufzunehmen?

So etwas wie den Musikverein in Prottes gibt es ja in jedem Ort, und die Musiker spielen da zu Hochzeiten, Begräbnissen etc. auf. In Prottes spielen auch zwei meiner Brüder mit. Ich war da leider nie dabei, denn außer Schlagzeug werden nur Blasmusikinstrumente verwendet, also keine Geige oder Gitarre. Ich dachte mir, bei einem Song feat. Musikverein Prottes dazu zu schreiben, führt diese ganze überzogene featuring-Geschichte, wo normal immer nur große Namen dabei stehen, so herrlich ad absurdum (schmunzelt)! Der Song war auch passend, denn ich wollte "Immer schee draubleim" sowieso in einer größeren Besetzung aufnehmen, aber nicht in einer komplett ausproduzierten Version, sondern lieber mit Ecken und Kanten. Halt genauso wie auch diese alten Reggae und Ska-Aufnahmen aus den 1950er Jahre klingen. Diesen Job hat der Musikverein perfekt erfüllt. (schmunzelt)

Wie bist auf den CD-Titel "Entspannt bis auf die Knochen" gekommen?

Ich habe lange nach einem passenden Titel für die CD gesucht, und ich wollte auch wieder unbedingt, wie beim letzten Album, dass der Titel aus einem Song heraus kommt. Irgendwann, es gab schon ein paar Vorschläge, meinte jemand von meinem Vertrieb Hoanzl: Also eigentlich habt ihr den Titel ja eh schon! Ich war total überrascht und wusste nicht, wie das gemeint ist? Die Antwort war: "'Entspannt bis auf die Knochen' passt so dermaßen gut auf deine Bühnenshow, auf dich als Person und wie du auf der Bühne wirkst, also sehr entspannt!" Dann habe ich kurz überlegt, und dachte mir: Aha, so komme ich also rüber? Aber eigentlich stimmt es. (schmunzelt) //

CD-Tipp:
Norbert Schneider: Entspannt bis auf die Knochen
Label/Vertrieb: Telemedia / Hoanzl (2015)

Interview: Robert Fischer
Fotos: Joachim Maier