Das zweite Album von Bob Dylan brachte ihm den Durchbruch und enthält mit "Blowin' In The Wind", "Masters Of War" und "A Hard Rain's A-Gonna Fall" drei Lieder, die längst zum Weltkulturerbe zählen.

Befanden sich auf Dylans titellosem Debüt-Album nur zwei Lieder aus der Feder von Bob Dylan, so ist "Freewheelin'" Bob Dylan's first album of all-original songs, wie es am Aufkleber der SACD-Ausgabe von 2003 irrtümlich heißt, denn mit "Corrina, Corrina" und "Honey, Just Allow Me One More Chance" sind auch zwei Nicht-Dylans drauf, wobei beide Songs von Dylan erheblich umgeschrieben wurden. Veröffentlicht am 27. Mai 1963 hört sich das Album 48 Jahre später noch immer ungemein frisch an - nicht unbedingt wegen Hymnen wie "Blowin' In The Wind", "Masters Of War" und "A Hard Rain's A-Gonna Fall", sondern eher trotz dieser. Hier ist jedes Lied ein Volltreffer, egal ob die wortverspielten Reime in "I Shall Be Free", wie z.B. "Well, my telephone rang it would not stop / It's President Kennedy callin' me up / He said, "My friend, Bob, what do we need to make the country grow?" / I said, "My friend, John, Brigitte Bardot / Anita Ekberg / Sophia Loren" / (Put 'em all in the same room with Ernest Borgnine!)", oder wenn Dylan auf der Psychiatercouch seinen "Talkin' World War III Blues" singt, das mit der ewigen Textzeile endet, "Half of the people can be part right all of the time / Some of the people can be all right part of the time / But all of the people can't be all right all of the time / I think Abraham Lincoln said that / "I'll let you be in my dreams if I can be in yours" / I said that." Es ist allerdings beileibe kein ausschließlich politisches Album, Songs wie "Girl From the North Country", "Down the Highway" mit seinem exitenzialistisch spröden Gitarrenspiel, und - eins seiner vermutlich besten Songs überhaupt - "Don't Think Twice, It's All Right" sind ebenfalls auf diesem Album zu hören. Über das letzt genannte schrieb Dylan in den Sleevenotes: "Es ist kein Liebeslied. Es ist ein Statement, das man vielleicht machen möchte, damit es einem besser geht. Es ist, als würde man mit sich selbst sprechen." Ein Song übrigens, der sich an jene Frau richtet, die mit ihm am Album-Cover zu sehen ist, seine damalige Freundin und mittlerweile verstorbene Suze Rotolo [das Cover-Foto wurde nur wenige Meter von Dylans Appartement entfernt an der Ecke Jones Street und West 4th Street in Greenwich Village, New York City, fotografiert; Anm.]. Rotolo war ihm nicht nur Inspiration, sondern auch eine Art Supervisor, wie Dylan einmal in einem Interview erzählte: "Suze hatte sich schon viel eher als ich mit den Themen Gleichberechtigung und Freiheit auseinandergesetzt. Ich habe mit ihr über meine Songs gesprochen." Sie war es auch, die Dylan auf Brecht aufmerksam machte. Sie hatte Dylan zu Proben von George Taboris Stück "Brecht on Brecht" mitgenommen, und vor allem die Darbietung von Kurt Weills Ballade "Pirate Jenny" löste bei Dylan, wie er in der Autobiografie "Chronicles, Vol. 1" schrieb, eine fundamentale Änderung bei seiner Herangehensweise ans Songwriting aus. "The Freewheelin' Bob Dylan" zählt zu den wichtigsten Alben von Bob Dylan. //

Text: Manfred Horak

SACD-Tipp:
Bob Dylan: The Freewheelin’ Bob Dylan
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Columbia/Sony (1963; 2003)


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