watt_teaserDie besten Konzerte sind doch immer wieder die, bei denen man nicht genau weiß, was einem erwarten wird. Von Robert Fischer.

Über Mike Watt hatte mein Großhirn vor dem Auftritt in der Szene Wien nur die Stichworte "Legendärer Punk-Bassist" und "in den 1980er Jahren bei Bands wie MINUTEMAN oder FIREHOSE" ausgespuckt… ja, auch seine Zusammenarbeit mit dem Sänger von Pearl Jam, Eddie Vedder, war noch irgendwo abgespeichert. Mehr nicht. Es würde also in jedem Fall ein spannender Abend werden…

wattwatt1Norbert Hofer, ein junger, österreichischer Bassist mit internationaler Erfahrung, der u.a. schon mit Franz Hautzinger und Patrick Pulsinger zusammengearbeitet hat, eröffnete den Abend mit einem mutigen Solo-Set. Seinen E-Bass wie eine Pedal-Steel Gitarre übers Knie gelegt und mit Karton-Rollen ausgestopft, erzeugte Hofer faszinierende, perkussive Sounds und entlockte seinem Instrument ungewöhnliche Töne, zu hören auch auf seiner kürzlich erschienenen ersten CD-Veröffentlichung "Nuors". Ein interessanter Name für die Zukunft.

"This is a really weird, long song - but we have to do it!" Nach dieser kurzen Ansage von Mike Watt sowie den ersten Takten Power-Rock ahnte wahrscheinlich noch niemand im Publikum, dass der angekündigte "long song" 51 Minuten dauern sollte! Begleitet von Pete Mazich an der Orgel bzw. Keyboards und Jerry Trebotic am Schlagzeug steigerte sich das Trio, je länger die Nummer dauerte, in eine faszinierende, hypnotische Mischung aus Rock, Punk, Jazz, Kinderlied und einer kleinen Prise "Rocky Horror Picture Show", die ihre Wirkung im Saal nicht verfehlte."The Secondmen's Middle Stand" ist eine von Mike Watt auch auf CD veröffentlichte Rock-Oper, in der er seine kürzliche, fast tödliche Erkrankung, die darauf folgende Genesung, aber auch literarische Einflüsse (u.a. Dante´s "Inferno") musikalisch verarbeitet hat. Und als wäre dieses fast einstündige Epos noch nicht genug gewesen, um zu beweisen, dass der 48-jährige Mike Watt auch "after all these years" immer noch ein großartiger Live-Act ist, zollte Watt in Folge auch noch seiner Vergangenheit mit einem "Minuteman"-Song Tribut bzw. spielte gegen Ende des Sets ein Bob Dylan-Cover, das es in punkto Länge fast mit der Anfangs-Suite aufnehmen konnte (16 Strophen!): "It´s alright Ma (I´m only bleeding)"!
Fazit: Der Schritt ins Unbekannte hat sich wieder einmal voll ausgezahlt. Mike Watt,
kreativer Querkopf abseits des Mainstreams, ist eine musikalische Persönlichkeit mit langer Vergangenheit, die auch live sehr beeindruckt und dem Schreiber dieser Zeilen den erstmaligen Genuss einer wirklich interessanten und musikalisch komplexen Rock-Oper beschert hat. (Robert Fischer)