Elvis war der unbestrittene König der Freiheitsphantasie, er war Amerikas Extravaganz par excellence und - beinahe einen Atemzug später - der perfekteste Wegwerfartikel.

Elvis wurde am 8 Januar 1935 in East Tupelo, Mississippi, geboren und starb am 16 August 1977 in Memphis, Tennnessee, einen Tag, bevor er einen weiteren Konzertauftritt absolvieren sollte. Somit blieb das Konzert am 26. Juni 1977 in Indianapolis sein letztes. Was von Elvis blieb sind unförmige Imitationsfiguren, geschmacklose Seifenblasen, aber natürlich auch wunderbare Originalaufnahmen.

"Wenn ich doch nur einen Weißen finden würde, der den Sound und das Feeling der Neger drauf hat..."

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...sagte Sam Phillips (so wie Huck Finn den Spieler vom Fluss traf), "könnte ich eine Milliarde Dollar machen". Dieses Zitat von Sam Phillips aus dem Jahr 1951 steht ziemlich am Beginn vom Greil Marcus-Buch Mystery Train. Der Traum von Amerika in Liedern der Rockmusik [Die Originalausgabe erschien 1976 unter dem Titel "Mystery Train. Images of America in Rock'n'Roll Music"; Anm.] im Kapitel "Harmonica Frank. 1951", über jenen Harmonica Frank Floyd (1908 - 1984), der Sam Phillips' ersten Versuch darstellte Dollarmilliardär zu werden und dabei kläglich scheiterte. Die Gründe des Scheitern sind vielfältiger Natur, denn Harmonica Frank einerseits war "auf seine Weise eben sosehr ein Wahnsinniger wie Little Richard", wie es Greil Marcus formulierte, einer, der Originalität vorgaukelte (so wie später Elvis Presley), und die Fähigkeit besaß mit der einen Hälfte seines Mundes Mundharmonika zu spielen und mit der anderen zu singen. Mit den Songs "The Great Medical Menagerist" und "Rockin' Chair Daddy" war er auch tatsächlich Wegbereiter für den Rock'n'Roll - aber mehr auch schon nicht mehr, denn - andererseits - war er nicht sexy, oder, um nochmals Greil Marcus zu zitieren: "Er war eher der fiese, alte Mann. Er war ordinär und hatte Ausstrahlung. "Ich bin", brummte er während einer seiner Nummern, "ein wüster Kater."" Harmonica Frank, der (selbsternannte) Erfinder des Rock'n'Roll, der eine Art Country Rock schuf, wie ihn zehn Jahre später Bob Dylan in "Mixed-Up Confusion" nochmals neu erfand, verschwand sogar dermaßen in der Versenkung, dass seine Songs nicht mal auf einer Compilation zu finden sind, die sich "The Legendary Story of Sun Records" (Union Square/Edel; DoCD; 2002) nennt. Nun, wie dem auch sei, beide - Harmonica Frank und Elvis Presley - hatten aber (zumindest ansatzweise) eines gemeinsam: Sie definierten das grundsätzliche Image des Rock'n'Roll: Sexy (Presley), halbirre (Frank) Idioten, auf der Bühne stehend sich die Seele aus dem Leibe singend.

Seine einzige Sünde war seine Leblosigkeit

Presley also. Ich muss zugeben, als Jugendlicher mochte ich die Musik von Elvis Presley nur bedingt. In der  Schulzeit gab es einen in der Nebenklasse, der versuchte immer so auszusehen wie Elvis Presley ca. im Jahr 1972 aussah und dieses Imitat erzählte mir immer mit leidenschaftlicher Verklärtheit warum Elvis so gut ist und alles andere nur Nebensache. Ich verstand es nicht. Dieses Unverständnis hielt lange an, bis ich mich dazu aufraffte nach Graceland zu fahren und mir Klarheit zu verschaffen. Und ich glaubte zu verstehen, besorgte mir Elvis auf Vinyl, so viel und so gut es halt ging, wenn auch - trotz Anleitung von Greil Marcus - letztendlich doch ziemlich wahllos, weil es ja eine unüberschaubare Menge an Veröffentlichungen gibt, die einer großteils hirnlosen, stark überforderten Sache gleichkam. 2019 feiert die Welt 84 Jahre Elvis Presley, dessen einzige Sünde seine Leblosigkeit war, wie es Bob Dylan einmal ausdrückte, Elvis the Pelvis, da Presl, The King, der, wir alle kennen die Wahrheit, die schreckliche Wirklichkeit, unzählige Male geklont wurde und eine Heerschar an Imitationsbands dank seiner unbändigen Strahlkraft gut davon leben kann, weil das Publikum es ja schließlich so will. Sieht man solch ein merkwürdiges stark gekünsteltes Verhalten mit Nachahmungstrieb live, kehrt man leicht verstört zurück in die eigenen vier Wände und legt sich gleich mal eine "Original"-Elvis-Platte auf, am besten eine möglichst kuriose, z.B. "Having Fun with Elvis on Stage" (RCA, 1974), auf welcher The King satte 37 Minuten lang nichts anderes macht, als "Well....well...wellllllll" zu sagen. So viel Strafe muss sein.

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"Seine" Plattenfirma RCA ergriff natürlich auch längst die Gelegenheit die Frühwerke neu restauriert und mit etlichen Bonus-Songs versehen, wieder zu veröffentlichen, konkret: die ersten drei Langspiel-Alben von Elvis Presley ("Elvis Presley", "Elvis", "Loving You"), wobei das Debüt-Album das bei weitem klar bemerkenswerteste Album ist, nicht nur was die darauf enthaltene Musik betrifft, nicht nur, wer mit ihm die Songs einspielte (u.a. Chet Atkins), sondern auch von der Covergestaltung her, das ebenfalls Nachahmer auf den Plan rief. Schlug Elvis 1956 noch beherzt in die Gitarrensaiten, zerschlug, zertrümmerte Paul Simonon von The Clash 1979 seinen Bass am Cover von London Calling, zierte ein Kindheitsfoto von Tommi Stumpff 1982 das Cover zu seinem Elektro-Punk-Album Zu spät ihr Scheißer. Hier ist: Tommi Stumpff. Mögen musikalische Welten zwischen allen drei Alben liegen, so ist die Verbindung dennoch offensichtlich.
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Und dann gibt es freilich auch noch einige Archiv-Fotos, die bereits zu allerlei Spekulationen führte. Da wäre z.B. das Foto von Karl Valentin in alpinischer Prä-Rock-Pose. Im Dirndl und akustischer Gitarre spielend nahm er - wie man auf diesem Foto in aller Deutlichkeit sehen kann *zwinker + lach* - Elvis Presley genauso vorweg wie Ringsgwandl, den "Valentin des Rock'n 'Roll".

Zurück aber zu Elvis und seinem Wechsel von Sun Records zu RCA: Bei RCA erhielt Elvis Presley jene künstlerische Freiheit, die ihm Sam Phillips verwehrte, eine künstlerische Freiheit, die Presley zwar alles ermöglichte die ihm jedoch, er wollte es anscheinend so, weil er's nicht anders wusste hand zuhaben, eine zerrüttete Vielfalt einbrachte, was bereits sehr stark auf dem dritten Album "Loving You" zu hören ist, und sich spätestens von da an bis zu seinem letzten Auftritt fortpflanzte, oder wie man es auch formulieren kann: Elvis Presley endete ohne ein Bekenntnis zu irgendeinem musikalischen Stil. //

Text: Manfred Horak
Fotos: Karl Valentin Museum, RCA, Bernd Schweinar, Public Domain

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