Experimente mit Virtual Reality locken Besucher scharenweise ins Museum, wie "Klimt’s Magic Garden" im MAK beweist. Ob ein immersiver Klimt-Fries aber einen Mehrwert bringt? Eine Spurensuche, wie VR im Museum funktionieren kann.

Für die meisten sind VR-Erfahrungen noch ungewohnt

Eine leichte Angelegenheit ist VR, die Virtuelle Realität, noch nicht: Die um den Kopf geschnallte VR-Brille wiegt schwer, dazu ist man mit einem langen Kabel angeleint. Wer damit virtuelle Raumerfahrungen machen möchte, muss vorsichtig tappen. Viel bewegt sich der durchschnittliche VR-Nutzer aber ohnehin (noch) nicht: Für die meisten sind VR-Erfahrungen noch ungewohnt. Anlässlich des 100. Todestages von Gustav Klimt zeigt das Museum "Klimt’s Magic Garden", ein VR-Experiment von Frederick Baker. Der Mosaikfries im Speisezimmer des Palais Stoclet in Brüssel zählt zu den heraus­ragenden Leistungen der Kunst um 1900 und zu den Hauptwerken von Gustav Klimt. Im MAK ist er noch bis 7. Oktober 2018 als immersive Szenerie über insgesamt zwei Virtual Reality Headsets begehbar gemacht. Klimts virtuelles Fries ist nur einzeln erfahrbar. Auf einer Leinwand werden die Spaziergänge in 2D übertragen. Die zehnminütigen Slots, für die man sich auf der Museums-Webseite anmelden kann, sind weiterhin gut gebucht.

Die Kunst entdeckt Virtual Reality für sich

Mit VR-Technologie lässt sich beinahe alles virtuell erleben - ob Reisen, Sport oder Produktionen der Porno-Industrie. Auch die Kunst entdeckt Virtual Reality für sich. Vor allem im angloamerikanischen Raum wird experimentiert: Die Tate Gallery of Modern Art zum Beispiel machte zu ihrer Modigliani-Schau das Atelier des Künstlers virtuell begehbar - und das sehr authentisch, wie die Kunsthistorikerin Anke von Heyl, die sich schon länger mit VR und Kunst beschäftigt, zu erzählen weiß: "Auf dem Boden liegen leere Sardinenbüchsen, im Sonnenlicht, das durch das offene Fenster hereinfällt, glitzert der Staub, die Zigarettenkippe im Aschenbecher qualmt noch - Modigliani scheint nur kurz weg gegangen zu sein..."

Wege verlassen ist ausdrücklich erlaubt

Im MAK hat man sich für einen anderen Weg entschieden: Man lässt die Besucher direkt in ein Werk springen, in einen Mosaikfries von Gustav Klimt. Kopfhörer halten die Realität draußen, Augen und Hirn wird eine neue Welt vorgegaukelt, eine Landschaft aus goldenen Ornament-Hügeln und gemusterten Wasserfällen. Sanfte Musik verstärkt das Traumgefühl. Die realen Bewegungen der VR-Brillenträger werden in die virtuelle Welt übertragen. Hebt man den Kopf, sieht man den Klimt-Himmel, senkt man ihn, die Klimt-Wiese. Fortbewegen kann man sich, soweit das Kabel reicht, oder mit einer Art Fernbedienung, mit der man in der virtuellen Welt Punkte anklickt, Bergspitzen oder Steine, und sich hinbeamt. Wege verlassen ist ausdrücklich erlaubt. Dem Außenstehenden bietet sich dabei ein gewöhnungsbedürftiges Bild: Er nimmt nur die Realität wahr und beobachtet das Staunen des ins Virtuelle Abgedrifteten. Oder dessen Angst: Klimts Hügel sind höher, als man glaubt. Überhaupt sind kleine Schritte in der virtuellen Welt empfehlenswert: Beim Ansehen von Virtual-Reality-Inhalten können nebst Übelkeit und Gleichgewichtsstörungen sogar epileptische Anfälle auftreten.

Vermisst: Der Mehrwert für Besucher bei VR-Projekten im Kunstbereich

Oft - und so auch im MAK - werden VR-Stationen von Museumspersonal begleitet, das den Besucher heranführt, bereitwillig mit deren Smartphone Erinnerungsfotos schießt und danach für ein Plauscherl zu Verfügung steht. VR mag eine individuelle Angelegenheit sein, der Austausch über das Erlebte ist aber vielen ein Bedürfnis. Während bei VR-Anwendungen im Theater eine klare Narration das Erleben vereinfacht, wirft Virtual Reality die Bildende Kunst auf ihre grundsätzliche Frage zurück: Wovon erzählt eigentlich ein Kunstwerk? Ob man, um das herauszufinden, virtuell hineinsteigen muss? Oder erzählt womöglich der in den halbdunklen Ausstellungsräumen des MAK hängende Originalfries zumindest genauso viel? Anke von Heyl ist zwiegespalten: "Klar sieht man, da hat jemand prekär gelebt", sagt sie in Anspielung auf die Sardinendosen auf Modiglianis Fußboden. Sie vermisst bei VR-Projekten im Kunstbereich oft den tatsächlichen Mehrwert für die Besucher. Mit Augmented Reality (AR), also nur erweiterter Realität, lasse sich die Brücke zwischen digital und Original oft besser schlagen. Neue Wege, heißt es, entstehen dadurch, dass man sie geht. Mitunter auch digital. //

Text: © Anne Aschenbrenner
Fotos: © Manfred Horak
Der Originalartikel erschien unter dem Titel "Wege verlassen ist ausdrücklich erlaubt" in Die Furche (Ausgabe 8; 2018). Geänderte Fassung.

Klimt’s Magic Garden
Bis 7. Oktober 2018, MAK Wien
Di 10:00-22:00 Uhr
Mi-So 10:00-18:00 Uhr
Mo geschlossen