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cordula-boesze01Der im Jahr 2001 eingerichtete Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) ist eine typisch österreichische bürokratische Hürde und mehr Problemzone denn Hilfe für Künstler in der "Kulturnation" Österreich. Es ist nicht der erste Aufschrei eines Kulturschaffenden, und es wird aller Voraussicht nach auch nicht der letzte sein, diesmal jedenfalls wendet sich die Musikerin Cordula Bösze mit einem offenen Brief an die Bundesministerin Dr. Claudia Schmied.

 

 

Sehr geehrte Frau Ministerin!

Stellen Sie Sich bitte einmal vor, Sie wären Musikerin, nur kurz, Flötistin zum Beispiel, wie Ihre Vorgängerin. Sie wären für einige Wochenstunden an einer Musikschule angestellt, hätten in dieser Funktion von Februar bis Mai 22 unbezahlte Überstunden geleistet - C-Topf heißt so etwas im Dienstrecht der Nö. Musikschullehrerinnen - , das stört Sie auch nicht weiter, ein Jugend-Symphonie-Orchester macht nun einmal viel Arbeit, aber das Konzert der 70 österreichischen Schüler/innen gemeinsam mit den 90 italienischen Gästen war sehr schön. Weiters haben Sie seit Februar 80 Stunden an einem Wiener Opernhaus in einem Jugendprojekt gearbeitet haben, mit Jugendlichen Musik erfunden, aufgeschrieben, einstudiert und aufgeführt - und zwischendrin spielten Sie noch mit einer Figurentheatergruppe bei einem Veranstalter, der so wenig Budget hat, dass er nicht einmal die Hälfte des Aufwands bezahlen kann, den diese Arbeit verursacht. Doch auch das macht nichts, zwei Vorstellungen voll mit fröhlichen Kindern nehmen Sie ab und zu auch für zu wenig Gage in Kauf, und einen Preis für diese Theatermusik hätten Sie im letzten Jahr auch schon beinahe erhalten.

Das Jugendopernprojekt kommt Ende April zu einer erfolgreichen Aufführung mit mehr als 500 Zuhörer/innen, ein paar Tage danach bringen Sie die Honorarnote zur Post und nehmen gleichzeitig einen RSB-Brief entgegen, in dem die Summe, die Sie für das Projekt erwarten, vom Künstlersozialversicherungsfonds zurückverlangt wird, weil Sie in den Jahren 2003, 2005 und 2007 die Untergrenze des Gewinns für Ihr selbständiges Einkommen unterschritten und angeblich unrechtmäßig Zuschüsse zur Sozialversicherung kassiert hätten. Einen Tag später kommt dann noch eine Vorschreibung von der SVA für das nächste Quartal - in der Höhe von 2/3 Ihres Musikschulgehalts. Sie können nun aufhören, sich vorzustellen, Sie wären Musikerin, ich nehme diesen Alptraum wieder auf mich.

Seit dem Osterwochenende hatte ich keinen freien Tag, ich wohne in der billigsten aller Wohnungen, habe keine Familie zu versorgen und lebe ohne Auto und ohne Fernseher. Seit 25 Jahren arbeite ich als Selbständige, bis vor Kurzem fand ich mit meinen Einkünften aus selbständiger und unselbständiger Arbeit auch ein gutes Auslangen. Doch seit bald einem Jahr quält mich der Künstlersozialversicherungsfonds, der ja angeblich zu meiner Unterstützung eingesetzt worden ist, mit Kopieraufträgen für einzelne Belege, blöden Fragen à la "Was haben Sie mit dem böszen salonorchester in der Philharmonie in St. Petersburg gemacht?" Und die SVA schickt dazu Abrechnungen, die weder von mir noch von versicherungsmathematisch ausgebildeten Menschen nachvollzogen werden können. Das kann doch alles nicht wahr sein?

Seit Ihrem Amtsantritt rennen Ihnen Interessensvertretungen, einzelne Künstler und Juristen die Türe ein mit dem klaren Wunsch, das Künstlersozialversicherungsgesetz zu reformieren, weil es Menschen in Armut stürzt, und ich weiß wohl, dass Sie schon prominentere Aufschreie als meinen ignoriert haben. In meinem Freundeskreis gibt es nicht eine Musikerin, die keine Probleme mit dem Künstlersozialversicherungsfonds hätte, alle Komponist/innen, die ich kenne, sind schon einmal oben oder unten aus der Bezuschussung gefallen. Da gibt es Exekutionsbescheide und Anschuldigungen, die so absurd sind, dass ich mich wirklich frage, in was für einem Land ich lebe. Kulturnation?

Musikland Österreich? Dass ich nicht lache! Ganze Arbeitskreise haben Ihnen dargelegt, dass die finanzielle Situation der Kunstschaffenden durch das Künstlersozialversicherungsgesetz mehr als prekär wird, eine Studie zur sozialen Lage der Künstler/innen ruht seit bald zwei Jahren in Ihrem Büro - und es passiert nichts, nichts und noch einmal nichts. Das ist schon ganz schön wenig!

Dazu kommt dann noch die Spießigkeit einer medialen Öffentlichkeit, es wären halt diejenigen, die es nicht geschafft hätten, die sich nun aufregen. Kunst schafft nicht nur finanziellen Mehrwert, sondern vor allem ideelle Werte, die Beschäftigung mit Kunst gehört zu den Grundbedürfnissen und auch zu den Grundrechten der Menschheit. Und während Bankenpakete und Verschrottungsprämien einem kapitalistischen Weltbild Vorschub leisten, schaffen wir uns nach wie vor unsere Arbeitsplätze selbst - und können sie uns plötzlich nicht mehr leisten!

Es kann doch nicht sein, dass ich mein Musikschulgehalt dazu aufwenden muss, die SVA zu sanieren! Und erzählen Sie mir bitte nicht, dass wir jemals wieder etwas aus dieser Zwangsversicherung ausbezahlt bekommen würden, diese Illusion macht sich niemand von den Selbständigen. Wir könnten die Beiträge eventuell noch als Teil des Generationenvertrags betrachten, doch auch das wird ad absurdum geführt: Denn das, was ich über meine SVA-Beiträge zur Pension meiner Eltern beitragen könnte, bezahlen sie mir derzeit als Unterstützung, damit ich mir diese Beiträge leisten kann!

Ich sollte also meine Tätigkeit als Selbstständige einstellen bzw. einfach keine Honorarnoten mehr dafür ausstellen, denn gratis arbeite ich ja in jedem Fall. Das Burn- Out, das so eine Haltung erzeugt, wird den Staat allerdings mehr kosten als die paar hundert Euro, die ich angeblich zu Unrecht bezogen hätte.

Ich appelliere also als mindestens 1001. Kunstschaffende an Sie: Schaffen Sie den Künstlersozialversicherungsfonds endlich ab. Machen Sie sich bewusst, dass da Werkzeuge zugange sind, die nur dazu dienen, Kunstschaffende zu gängeln, zu demütigen und zu demotivieren. Reformieren Sie das Sozialversicherungsgesetz und schaffen Sie Bedingungen, die sich die Kunstschaffenden leisten können.

Hochachtungsvoll
Cordula Bösze