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v10-potiche005Denkt man an französischen Film, so kommen einem Catherine Deneuve und Gérard Depardieu in den Sinn. Denkt man an französische Komödien, so auch unweigerlich Luis de Funès. In "Potiche" brachte Francois Ozon die Erfahrung der einen mit dem Erbe des anderen zusammen.

"Potiche" heißt zu Deutsch Popanz, Staffage, Repräsentationsfigur oder runde Porzellanvase. Letzteres ist Catherine Deneuve auch in höherem Alter nicht. Vielmehr als die Rolle eines Schmuckstücks für den Mann kommt ihrem Filmcharakter Suzanne Pujol jedoch nicht zu. "Deine Aufgabe ist es, meiner Meinung zu sein", klärt sie der Filmgatte auf und man könnte nun denken, es handele sich um einen sozialkritisch-feministischen Film, der die Unterdrückung der Frau in den späten Siebzigern beleuchtet. Ganz falsch liegt man damit auch nicht, jedoch ist dieses Gesellschaftsporträt ein überzeichnetes und statt Beklommenheit ergreift einen das starke Gefühl, lachen zu müssen. Warum? Franzosen reden von je her gestenreicher, die Schauspieler hier aber agieren so motiviert, das es eben das Bisserl zu viel ist und klar wird, dass es sich um eine Persiflage handelt. Hier klingt wie in vielen französischen Komödien das Werk Luis de Funès' nach: Man übertreibt jede Regung, fällt sich ins Wort und glaubwürdig inszenierte Situationskomik gibt es nicht - die Szenen sind forciert humoristisch zugespitzt. Besonders hervorzuheben ist hier Fabrice Luchini, der den chauvinistischen Ehemann und Fabrikdirektor Robert spielt. Köstlich, wie er erregt ist und in der nächsten Sekunde seinem Gram erliegt, um gleich darauf in Wut wieder an die Decke zu gehen.

Perfekte Föhnfrisuren

Wunderbar auch die beinahe schon schrille Farbigkeit dieses Jahres 1977, die an Ozons vorige Adaption eines Bühnenstücks erinnert: "8 Femmes", ebenfalls mit Catherine Deneuve. Perfekte Föhnfrisuren, perfekte Kleidung und perfekte Ausstattung machen den Film zu einem Augenzuckerl. Zur Handlung: Nachdem die Pujolsche Regenschirmfabrik bestreikt und der Chef als Geisel genommen wird, kann nur der Bürgermeister und ehemalige Arbeiterführer Maurice (alias Gérard Depardieu) helfen. Dem linksallergischen Fabrikchef Robert beschert das Eingreifen dieses ideologischen Erzfeindes einen Infarkt und so muss seine Frau vorübergehend der Firma vorstehen. Natürlich macht sie alles besser und natürlich gefällt das dem wieder gesundeten Gatten nicht. Es beginnt ein Machtkampf zwischen der Matriarchin nebst sozialistischem und feinsinnigem Sohn und dem Vater, der die konservative Tochter an seiner Seite hat. Zugespitzt wird die Situation durch den Bürgermeister, dessen Wege die Suzannes in der Vergangenheit schon einmal kreuzten.

Mehr als Komödie: Das Lustspiel nimmt sich auf den Arm

Gezeigt werden hier Gegensätze ohne verschwimmende Grenzen: Brachialkapitalismus versus Kommunismus, häusliche Frauen versus betrügende Männer und "falsch" gegenderte, also weibliche Männer gegen männliche Frauen. So ist die Welt natürlich nicht. Das bunte Universum hier muss natürlich schwarz-weiß konstruiert werden, um aus dem Stoff eine Posse zu machen. Es klingt aber auch eine differenzierte Weltsicht an: In der Figur der Tochter werden die Schwierigkeit der Emanzipation und ein komplizierter psychischer Vervielfältigungsmechanismus evident. Ihrer Mutter rät sie, sich scheiden zu lassen. Selbst jedoch ist sie ihrem sich immer auf Geschäftsreise befindenden Mann hörig, gibt ihm zuliebe ein selbstbestimmtes Leben auf. Gegen das eigene Postulat setzt sie das Leben ihrer Mutter fort. Sie sabotiert deren Arbeit, obwohl sie sie bewundert und ordnet sich einer weiteren männlichen Autorität, nämlich der des Vaters, unter. Der Film persifliert sich da selbst: Die Posse nimmt sich auf die Schippe und wird ein 'Ernst'. Diese Fusion von herrlich leichter Unterhaltung und Abgründigkeit ist sehr fein anzuschauen und ehrlich: Eine lebensfremde Alles-geht-in-Erfüllung-Komödie will eh keiner sehen. Die Rolle des unterdrückten Heimchens spielt Catherine Deneuve nicht gut. Sie könnte es wohl besser, wenn es vorgesehen wäre. Von Anfang ist eben klar, dass es kein schwerer Film ist. Egal ob im Adidas-Trainingsanzug oder als sie mit Pelzen und Brillanten behängt wie ein Christbaum vor der revoltierenden Arbeiterschaft spricht - sie ist in ihrem komödiantischen Element. Mit Dépardieu in der Diskothek spielt sie mit ihrem Alter und als Chanteuse zum Schluss ist sie ganz die Diva, als die sie nicht nur die Franzosen lieben. Auch die Wiener: So gab es bei der Vorführung im Künstlerhaus (natürlich nicht nur für sie) sogar Szenenapplaus. Ein rares Phänomen - der Qualität des Filmes angemessen. //

Text: Peter Baumgarten
Fotos: Viennale

v10-potiche003Film-Infos:
Potiche
Frankreich, 2010, Länge: 103 Minuten
Bewertung: @@@@@
Regie: François Ozon
Drehbuch: François Ozon nach einem Bühnenstück von Pierre Barillet und Jean-Pierre Grédy
Kamera: Yorick Le Saux
Schnitt: Laure Gardette
Ton: Benoît Gargonne
Musik: Philippe Romby
Ausstattung: Katia Wyszkop
Kostüm: Pascaline Chavanne
Darsteller: Catherine Deneuve (Suzanne Pujol), Gérard Depardieu (Maurice Babin), Fabrice Luchini (Robert Pujol), Karin Viard (Nadège), Judith Godrèche (Joëlle), Jérémie Régnier (Laurent Pujol)
Verleih in Österreich: Filmladen Filmverleih
Österreichische Erstaufführung: Im Rahmen der Viennale 2010