Die gefesselte Phantasie Szenenfoto

Seit fast einem Vierteljahrhundert finden im niederösterreichischen Gutenstein die Raimundspiele statt. 2022 wird bis 7.8. Die gefesselte Phantasie gefeiert.

Erstmals durchgeführt wurden die Raimundspiele Gutenstein 1993 im Bleichgarten vor dem Schloss. Eine Tribüne aus hunderten Paletten ermöglichte damals den Besuchern einen herrlichen Blick zur Bühne und schuf - sofern das Wetter mitspielte - ein zauberhaftes Ambiente. Die Paletten wichen mit der Jahrhundertwende einem lichtdichten und wettersicheren Theaterzelt, das fortan auch multimediale Möglichkeiten zuließ. Regisseur Achim Freyer hat nun für eine Neugestaltung des Theaterzelts gesorgt, inklusive von ihm gestaltete Skulpturen. Am Programm steht freilich weiterhin Ferdinand Raimund, der in einem Zeitraum von zehn Jahren (bis 1834) acht Bühnenwerke verfasste, die gemeinsam mit dem Werk Nestroys den literarischen Höhepunkt der Alt-Wiener Volkskomödie darstellen, sei es "Der Verschwender" mit dem berühmten "Hobellied", sei es "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" oder "Der Bauer als Millionär", aber eben auch "Die gefesselte Phantasie", die 2022 unter Intendant Johannes Krisch und Regisseur Achim Freyer als "Theatererlebnis für alle Sinne", wie beide versprechen, in Gutenstein zu sehen ist.

Huldigung an den Beruf des Dichters

Die gefesselte Phantasie, das "Original Zauberspiel" in zwei Akten stellt mit mythisch-allegorischen Mitteln eine Huldigung an die Kunst und den Beruf des Dichters dar und zeigt Raimunds Intention auf, vom Lachtheater zum volkstümlichen Bildungs- und Ideenstück zu gelangen. Die bösen Zauberschwestern Vipria und Arrogantia haben die Insel Flora heimgesucht, auf der die schöne Hermione als Königin herrscht. Sie verwandeln den Garten Hermiones in einen grausigen Sumpf und versetzen Hofstaat und Inselbewohner in Angst und Schrecken. Nach dem Spruch des Orakels kann die Herrschaft der Zauberschwestern nur dadurch gebrochen werden, dass "Hermione sich vermählt und dem Lande einen Herrscher gibt, der gleich ihr zu herrschen würdig ist." Die Königin ist bereit, demjenigen zu ehelichen, der im Sängerwettstreit das schönste Preislied vorträgt. Die Zauberschwestern, die ihre Macht bedroht fühlen, versuchen dies mit allen Mitteln zu verhindern. Um allen die dichterische Inspiration zu rauben, überlistet Vipria die "poetische Phantasie" und sperrt sie gefesselt in einen Käfig. Der perfide Plan der Schwestern geht dann noch so weit, dass sie den streitlustigen und trinkfesten Harfenisten Nachtigall aus einem Heurigenlokal entführen und ihn der Königin als Heiratskandidaten präsentieren. Als der Sängerwettstreit beginnen soll, meldet sich nur Nachtigall und singt ein Couplet, das Raimund herrlich ungelenk reimte: "Zeigt sie sich im Blumenreich / Atmet alles Wonne / Alle Blümchen rufen gleich / Servus, Hermione!"

Inspirationsquelle Zauberflöte

Die gefesselte Phantasie Probenfoto by Joachim KernUm nicht alles vom Stück Die gefesselte Phantasie zu verraten, sei an dieser Stelle nur noch angemerkt, dass sich Raimund seine literarischen Anregungen unter anderem aus Mozarts "Zauberflöte" und aus Singspiel-Kasperliaden holte. Ferdinand Raimund spielte bei der Uraufführung des Stücks die Rolle des streitbaren, aber trotzdem gutmütigen Musikanten Nachtigall. Und auch die Besetzung der Inszenierung in Gutenstein kann sich sehen lassen. Künstlerischer Leiter und Kammerschauspieler Johannes Krisch wird neben Larissa Fuchs, Tobias Reinthaller, Michaela Klamminger und Johannes Seilern (alle vom Theater in der Josefstadt) auf der Bühne stehen. Edu Wildner, der 2017 für die beste Nebenrolle als Habakuk in "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" bei den Raimundspielen Gutenstein eine NESTROY-Nominierung erhielt ist ebenfalls zu sehen, wie auch Rounder Girls Tini Kainrath. Musikalisch zeichnet der Komponist, Musiker und Wienerlied-Interpret Tommy Hojsa verantwortlich. Matthias Jakisic, der unter anderem für David Lynch bis hin zu den Salzburger Festspielen und zahlreichen Film- und Theaterproduktionen arbeitete, übernimmt Komposition und Soundtrack in Die gefesselte Phantasie. Das Theaterzelt in Gutensteins Bleichgarten ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Gegen Voranmeldung gibt es einen kostenlosen Shuttle-Dienst vom Bahnhof Gutenstein zum Theaterzelt. Ab dem Bahnhof Wiener Neustadt gibt es zudem einen Bustransfer. //

Text: Manfred Horak
Fotos: Joachim Kern

Gefällt Ihnen der Artikel? Jeder Beitrag zählt!
paypal.me/gylaax
Kulturwoche.at ist ein unabhängiges Online-Magazin, das ohne Förderung von Bund/Stadt/Land bzw. Großsponsoring auskommt.

 

Kurz-Infos:
Die gefesselte Phantasie
Raimundspiele Gutenstein
bis 7.8.2022
Künstlerischer Leiter: Ksch. Johannes Krisch
Regie und künstlerisches Gesamtkonzept: Achim Freyer
Mitwirkende / Darsteller: Ksch. Johannes Krisch, Larissa Fuchs, Tobias Reinthaller, Eduard Wildner, Michaela Klamminger, Johannes Seilern & Tini Kainrath
Musik: Matthias Jakisic & Tommy Hojsa
Live-Musik: Franz Haselsteiner

Die gefesselte Phantasie Gylaax