out_of_context_10a_0003Ein Lückenfüller-Stück. Ohne Bühnenbild, ohne Live-Musik - ganz und gar untypisch für Alain Platel. Seine nächste große Produktion wurde verschoben, aber er war seinen Tänzern schon im Wort. So entstand diese 90-minütige Etüde zwischen Hysterie und Ekstase "Out of context". 'For Pina' (Bausch) in Erinnerung an die im vergangenen Jahr verstorbene Mitbegründerin des Tanztheaters, die ihre Tänzer auf der Bühne ihre eigene Identität finden ließ.

Fall, Knall, Hall

So erheben sich die Tänzer in Straßenkleidung aus dem Publikum. Legen auf der bis auf zwei Mikrofonständer und einen Stapel roter Decken leeren Bühne ihre Kleidung ab. Behalten aber im Unterschied zu Pieter Ampe und Guilherme Garrido ihre Unterwäsche an. In die Decken gehüllt beginnt ein gegenseitiges Beschnuppern, vorsichtiges Herantasten, Slow Motion wechselt mit synchronen Zuckungen. Einer tanzt aus der Reihe, bemächtigt sich des Mikrofons und findet Gefallen am knallenden Fallen während undefinierbare Tierstimmen gemischt mit Glenn Goulds Goldberg Variationen im Hintergrund tönen. Exaltiertes animalisches Gehabe, irre Blicke, herausgereckte Zungen, mechanische Bewegungen und die stete, unkonzentrierte Suche nach neuen Begegnungen wirken gleichermaßen befremdend wie komisch. Im Programmheft ist die Rede von "Leichtigkeit und Schönheit des Absonderlichen". In dieser Faszination erschöpft sich das Konzept des ehemaligen Heilmasseurs Platel dann leider auch.

Mr. Bombastic

out_of_context_18_0009Im Kernstück pocht der Party-Puls, Discohit-Zitate werden zum Kommentar des Geschehens. "Who let the dogs out?" eröffnet den Reigen der Selbstdarsteller, die nun selbstbewusst zum Mikrofon greifen. "Barbie Girl" löst "Mr. Bombastic" ab und so geht es dahin bis zur allgemeinen Erschöpfung. Doch die Körper finden keine Ruhe. Bobby Mc Ferrins Gounoud/Bach - "Ave Maria" leitet den langen Ausklang des ständigen Wechsels von Scham, Freude und Begierde ein. Er lässt seine Decke fallen und blickt sie wild entschlossen an. Sie zeigt ihm die kalte Schulter, dabei verrutscht ein Träger ihres BHs. Doch zueinander finden sie nicht. Hyo Seung Ye trägt ihr Bein am liebsten ausgestreckt hinter dem Kopf. Die Frauen besteigen die Männer und vice versa. Der Horizont öffnet sich, doch niemanden zieht es dorthin. Die Tänzer schlüpfen wieder in ihre Kleidung und verlassen die Bühne, wie sie gekommen sind. Ein sehr lustiger, manchmal etwas langatmiger Abend, der vom Publikum heftig beklatscht wurde. (Text: Christine Koblitz; Fotos: Chris Van der Burght)

Kurz-Infos:
Out of context - for Pina
Bewertung: @@@@
Spielort: Halle G im Museumsquartier im Rahmen der Wiener Festwochen 2010 (Österreich-Premiere)

KONZEPTION UND INSZENIERUNG / Alain Platel

TANZ UND KREATION / Matthieu Desseigne Ravel, Kaori Ito, Emile Josse, Mélanie Lomoff, Ross Mc Cormack, Romeu Runa, Elie Tass, Rosalba Torres Guerrero, Hyo Seung Ye

PRODUKTION les ballets C de la B

KOPRODUKTION Théâtre de la Ville, Paris, Le Grand Théâtre de Luxembourg, TorinoDanza, Sadler’s Wells, London, Stadsschouwburg Groningen, Tanzkongress 2009/Kulturstiftung des Bundes, Kaaitheater, Brüssel, Wiener Festwochen