thesong01hermansorgeloosFrüher hätte es das nicht gegeben! Vollbärtige Tänzer in Jeans und Turnschuhen, wenig Bewegung, gedämmtes Licht und die ersten 90 Minuten überhaupt keine Musik. Das alles zu später Stunde bei der Tanzperformance "The Song" von der belgischen Kompanie Rosas und bei drückender Schwüle. Da hängt der Theaterschlaf im Volkstheater verführerisch in der Luft.

Wer sich bei der belgischen Kompanie Rosas auf der sicheren Seite der gepflegten Tanzpoesie wähnte, wurde diesmal schwer geprüft. In ihrem neuen Stück "The Song" - die Premiere war am 24. Juni 2009 in Paris - stellt die Choreographin Anne Teresa de Keersmaeker alles in Frage. Was passiert, wenn die sich immer schneller drehende Welt stillsteht? So schickt sie ihr Ensemble aus 9 männlichen Tänzern und eine Geräuschkünstlerin auf die leere Bühne. Über all dem hängt eine knittrige Spiegelfolie (Licht und Raumgestaltung: Ann Veronika Janssens und Michel François), gleißend und durchlässig zugleich.

Die Geräusche der Stille

thesong04hermansorgeloosEs beginnt ein gegenseitiges sich Abtasten, einander Beobachten, Abwarten und voneinander Lernen. Jeder der Tänzer hat sein eigenes Timing, seinen eigenen Rhythmus. Musik gibt es erst einmal nicht. Doch auch wer sich in der Stille bewegt, produziert Ton. Plötzlich hört man die Schritte des barfüßigen Solisten, den Schuh dazu trägt Céline Bernard, die einzige Frau auf der Bühne. Quietschen mit der Hand auf nassem Plastikboden, rascheln mit einer Alutüte, reiben an der Kunstlederjacke und vieles mehr - was bedeutet das für den Tanz? Das Bewusstsein wird geschärft. Es ergeben sich viele neue Möglichkeiten und fast alle werden ausprobiert. Eine etwas straffere Dramaturgie hätte vielleicht nicht geschadet. Doch man sieht den Herren gerne zu. Denn egal ob sportlich oder elegant - ihr Ausdruck und ihre Körperbeherrschung sind perfekt.

Helter Skelter

Das allein genügt heute nicht mehr. Auch bei Rosas setzt man jetzt auf Allrounder, die nicht nur tanzen, sondern gleichzeitig noch singen und musizieren können. Das ist technisch schwierig und dient nur selten dem Gesamteindruck. Hier erweitert es die Experimentiermöglichkeiten. Plötzlich fällt der Vorhang und "Helter Skelter" von den Beatles donnert wie ein reinigendes Gewitter durch den Raum. Leise und sacht findet das Ensemble zur Sprache zurück. Ein Statement. Das Stück "Rosas danst Rosas", das der Kompanie 1983 ihren internationalen Durchbruch brachte ist übrigens Ende Juli 2009 an zwei Abenden in Wien zu sehen. (Text: Christine Koblitz)

thesong03hermansorgeloosInfos zum Stück:
The Song
Bewertung: @@@1/2
Spielort: Volkstheater im Rahmen von ImPulsTanz

Eine Performance von:
Anne Teresa de Keersmaeker, Ann Veronikca Janssens, Michel François

Tänzer: Pieter Ampe, Bostjan Antoncic, Eleanor Bauer, Carlos Garbin, Matej Kejzar, Mark Lorimer, Mikael Marklund, Simon Mayer, Michael Pomero, Sandy Williams

Geräuschkünstler: Céline Bernard

Tipp:
Rosas danst Rosas
Volkstheater
Mo, 27.7. und Di, 28.7. (jeweils 21 Uhr)