iffland_teaserPlakative Künstlichkeit versus Große Melancholie.

Zwei Premieren gab es kürzlich im Wiener Schauspielhaus, zwei iffland & söhne-Produktionen, sogenannte "Familienstücke" von Matthias Wittekindt, der es sich auch nicht nehmen ließ bei beiden Stücken Anweisungen als erzählenden Part zu übernehmen. "Der Held der Frauen" ist eine beinharte Pulpfiktionale Abrechnung und zeitigt dem Trash Tribut. Genau darin geht das Stück aber auch verloren, da comichaft schreierisch, mit plakativer Künstlichkeit. Was fehlt ist die Seele.
"Wo hört sich die Emanzipation auf und ist häusliches Glück die Erfüllung?", ist dabei die Frage, die Wittekindt parodistisch zur Schau stellt und dabei mit Klischees spielt, dass es fast schon wieder ein Vergnügen ist, aber eben nur fast. Das rasche Tempo und die skurrilen Figuren reichen leider nicht aus, weil nämlich das Stück selbst zu schwach ist, und, Parodie hin, Slapstick her, der Humor auf der Tarantino-Strecke bleibt. "Der Held der Frauen" ist letztendlich eine wenig ernst zu nehmende Familientragödie mit Verführungsszene, eine Irrfahrt mit Längen.

freigangDie zweite iffland & söhne-Produktion, "Freigang", gefällt da schon deutlich besser, die ersten zwei Drittel des Stücks sind allerbeste Unterhaltung, nur im letzten Drittel versandet es leider etwas. Auch hier gibt Wittekindt die Anweisungen, im Gegensatz zu "Der Held der Frauen" wird dem Publikum in "Freigang" von Beginn an alles verraten, sozusagen Klartext gesprochen. Drei Geister, die informieren, streiten und sich nicht immer einig sind, legen die Basis und geben dem Stück die so wichtige dramaturgische Spannung. "Freigang" ist ein überaus witziges Stück Theater rund um den Protagonisten Herr Voss, punktgenau dargestellt von Horst Schily, der Ende 60 ist "und nach dem Ableben seiner Frau erkennt, dass sein ganzes Leben mit ihr eine Verwechslung war." Die Anweisungen des Autors, "Das Stück spielt an zwei Orten. Einem geräumigen Wohn- und Arbeitszimmer und einem anderen Raum, in dem der erste Raum nachgebildet worden ist.", werden klug umgesetzt, erstaunlich gut passend zur humorigen Subtilität und großen Melancholie von "Freigang", was freilich im Sinn des Autors sein mag, und von Anna Maria Krassnigg penibel erarbeitet wurde. Man kann es durchaus auch Detailbesessenheit nennen, denn die Kaffeemaschine und das Küchenmesser, der Tesa-Film und das Zeichenbrett bekommen genauso Raum, dadurch Aufmerksamkeit. Apropos Aufmerksamkeit. Herr Voss gelingt es nicht seiner Haushälterin Nina begrifflich zu machen, dass sie eigentlich seine Liebe des Lebens ist. Hört man genau hin ist "Freigang" desillusionierend, will man sich "bloß unterhalten" ist es ein starkes Stück Persiflage. So oder so ein Gewinn. (Text: mh; Fotos: Nick Mangafas)

Spieltermine:

"Der Held der Frauen": 15., 22., 24. Februar 05, 20:00 Uhr;
19. Februar 05, 22:00 Uhr; 20. Februar 05, 18:00 Uhr

"Freigang": 16., 17., 18., 19., 20., 25. Februar 05, 20:00 Uhr
(Hinweis: Am 19. und 20. Februar finden jeweils Doppelvorstellungen statt.)

Podiumsdiskussion
"Der Autor im Theater": 23. Februar 05, 20:00 Uhr (Eintritt frei)

Spielort: Schauspielhaus, Porzellangasse 19, 1090 Wien

Produktion: iffland & söhne
Regie: Anna Maria Krassnigg
Dramaturgie: Olivier Ortolani
Darsteller: Nina Gabriel, Margot Hruby, Katrin Stuflesser, Doina Weber, Hakon Hirzenberger, Johannes Maile, Horst Schily, Jens Ole Schmieder, Matthias Wittekindt, Isabella Wolf
Bühne / Licht: Andreas Lungenschmid
Musik: Christian Mair