Das Musikjahr 2014 brachte vor allem im Bereich Jazz & Artverwandtes einige besondere Ohrschmankerln hervor. Manfred Horak rollt den roten Teppich für seine Lieblingsalben des Jahres aus.

Georg Breinschmid: Double Brein
[Preiser Rec.]
Musik der Gegenwart, eine Magical Comedy Tour de Jazz, virtuos ausgeführt ohne zu protzen. Ein Gegengewicht zur moralinsauren Befindlichkeitsgesellschaft, die sich schnell über alles Mögliche (und Unmögliche) aufregt und es noch schneller vergisst. Vor allem aber ist Double Brein Musik, die sich an nichts hält. Das nennt man wohl künstlerische Freiheit, die von insgesamt 26 Musikerinnen und Musikern ohne Kompromisse auf zwei CDs ausgelebt wird. Auf der einen ist der Jazz, der Folk, das Lied, der Reggae, der Blues, die Improvisation allgegenwärtig, auf der anderen die Klassik, bei der allerdings nicht das Blatt lesen geübt wird, sondern das Zelebrieren gegenwärtiger Empfinden.

Christina Pluhar: Music for a while (Improvisations on Purcell)
[Warner Classics]
Henry Purcell, der englische Meister des Barock, wird auf diesem Album mit verschiedenen Grooves bedacht. Die Lautenistin Christina Pluhar ist zwar Österreicherin, aber mit Erika nicht verwandt. Pluhar und ihr Ensemble L'Arpeggiata lotet mit Improvisation das swingende Potenzial von Purcell's Musik mehr als gekonnt und vor allem überhaupt nicht anbiedernd aus. Mit dabei sind der Klarinettist Gianluigi Trovesi und Gitarrist Wolfgang Muthspiel, sowie die Gesangsstimmen Philippe Jaroussky, Dominique Visse (beide Countertenor), Raquel Andueza (Sopran) und Vincenzo Capezzuto (Alt). Und als Draufgabe nach 16 Purcell-Stücken gibt es dann noch ein "Halleluja" von Leonard Cohen.

The Little Band From Gingerland: Sir Prise
[Cracked Anegg Rec.]
Sicherlich eine der interessantesten Bands aus Österreich, diese kleine Band aus Gingerland, namentlich Ángela Tröndle (Voc, Keys, Electronics), Sophie Abraham (Cello, Voc), Siegmar Brecher (Bassklarinette) und Philipp Kopmajer (Drums). Der Album-Titel ist ein Wortspiel, so wie die Musik eben auch verspielt ist. Ein uneingeschränktes Vergnügen für neugierige Zeitgenossen. Anspieltipp: "Cherryfish".

Olivia Trummer: Fly Now
[Contemplate Music]
Die deutsche Sängerin, Pianistin und Komponistin veröffentlichte mit dem Album "Poesiealbum" eines der außergewöhnlichsten Jazz-Alben mit deutschen Texten im Jahr 2011. "Fly Now" ist das Nachfolgealbum im klassischen Jazz-Trio-Format Piano, Kontrabass, Drums und englischen Texten, was wohl ihrem Aufenthalt in New York City geschuldet ist. Im Mittelpunkt steht freilich das Trummer'sche Pianospiel und ihre Gesangsstimme, bei drei Liedern ist mit Kurt Rosenwinkel zudem auch ein prominenter Gitarrist zu hören. Nix für nebenher, aber gut zum Reinfallen. Anspieltipp: "Gotta Miss Someone".

Malia / Boris Blank: Convergence
[Emarcy]
Elektro-Soul-Jazz-Blues als audiophiles Ereignis mit der traumhaft guten Gesangsstimme von Malia (in der Tradition von Billie Holiday und Nina Simone) und den innovativen Sounds von Klangtüftler Boris Blank, dem musikalischen Mastermind der Schweizer Band Yello. Die Convergence Klangküche mit dieser famosen Räumlichkeit und Scharfzeichnung liefert durchwegs genuine Songs, deren man nicht müde wird zu hören, da man ständig neue Details entdecken kann. Spektakulär und extraordinär.

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Außer Konkurrenz, da Re-Release:

Jon Hassell / Brian Eno: Fourth World Vol.1 - Possible Musics
[Glitter Beat]
Ein experimentelles Stück Musikgeschichte. Der Album-Titel gibt die Denkrichtung vor und zeigt Möglichkeiten auf, wie Musik auch klingen kann. Heraus kam improvisierte Ritualmusik irgendwo zwischen Stockhausen und Indien, mit handgeklatschten Rhythmen und Synthesizer Klangflächen, Talking Drums und irisierendem Trompetenspiel und nicht zuletzt mit Feldaufnahmen, oder: Feldgrille trifft Mystik und das archaische verbündet sich mit der Technologie.

Compilation:

Blue Note - Uncompromising Expression
[Blue Note; 5 CDs]
Ein Querschnitt durch die Jazzgeschichte aus der Blue-Note-Perspektive von 1939 bis 2014, verteilt auf fünf CDs. Die Besonderheit daran:  Es kommen nicht irgendwelche Stücke von irgendwelchen Alben zu Gehör, sondern Singles-Veröffentlichungen, die, bevor es LPs gab, eine wichtige Rolle im Blue-Note-Universum spielten. Zu hören gibt es also 78er-Aufnahmen - darunter natürlich auch die allererste Blue-Note-Veröffentlichung vom 3.3.1939, "Melancholy" von Meade 'Lux' Lewis - und 45er-Singles - die erste erschien 1954 und hieß "Message From Kenya", eine reichlich abgefahrene Aufnahme von Art Blakey and Sabu. Separat dazu gibt es auch ein ca. 7 kg schweres Buch mit dem simplen Titel Blue Note, erschienen im Sieveking Verlag, da kann man die ganze Blue-Note-Geschichte in all seiner Detailverliebtheit nachlesen. Für Fans und Jazz-Freaks, aber auch für Personen, die gerne angeben. //

Text: Manfred Horak