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Der in Graz lebende Musiker Chris Magerl legt mit dem formidablen Album "Places" eine Art Zwischenbilanz seiner bisherigen musikalischen Karriere vor. Nach großen Erfolgen mit der Hardcore-Band Sick Of Silence ist sein Solo-Debüt deutlich ruhiger ausgefallen. Mit Kulturwoche.at sprach Chris Magerl, wie er sich vom Erfolgsdruck nicht mehr stressen lässt und warum manche Auslands-Tourneen in Wodka-Exzessen endeten.

Kulturwoche.at: Man kennt dich als Gründer und langjährigen Frontman der international erfolgreichen Hardcore-Band Sick Of Silence. Nun erscheint dein Solo-Debüt "Places". Wie kam es dazu?

Chris Magerl: Ich habe schon vor einiger Zeit eine Solo-EP veröffentlicht und dafür sehr positives Feedback erhalten. Nachdem ich schon sehr lange Musik mache und sich meine Band Sick Of Silence 2003 endgültig aufgelöst hatte, war für mich klar, dass ich ein neues Projekt starten möchte. Da in der Zwischenzeit viele neue Songs entstanden sind, habe ich beschlossen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um ein Solo-Album zu veröffentlichen. In die Produktion von "Places" habe ich dann, im Gegensatz zur EP, die ich damals relativ schnell aufgenommen habe, wirklich viel Energie und Zeit reingesteckt.

Wie lange hast Du an "Places" insgesamt gearbeitet?

Wir haben mit den Aufnahmen im Frühsommer 2011 begonnen, das ging dann bis in den Herbst hinein, und dann wieder von Sommer bis zum Herbst 2013. Insgesamt habe ich also 6 bis 7 Monate im Studio an dem Album gearbeitet, und wenn man noch die Vorarbeiten dazu rechnet, kommt man sicher auf ein ganzes Jahr. Dazwischen gab es aber eine unfreiwillige Pause, weil ich mit meiner Stimme Probleme hatte. Deswegen hat sich die Veröffentlichung von "Places" auch um zwei Jahre verzögert.

Wie entstehen Deine Songs?

Das passiert oft aus Alltagsbeobachtungen heraus. Entweder es ist etwas, was ich persönlich erlebt habe oder es sind Situationen, die ich beobachte, wenn ich z.B. im Bus fahre oder von einem Gespräch in einem Lokal etwas aufschnappe. Auch durch meine Arbeit als Sozialarbeiter in einem Jugendzentrum kriege ich immer wieder Sachen mit, die ich für Songs verwende. Meistens gibt es dann bestimmte Sätze, die mir zu einer Begebenheit einfallen, und wenn ich den interessant finde, speichere ich ihn mir gleich im Handy ab. Diese Inspirationen bilden dann oft den Ausgangspunkt für einen neuen Song.  

Musikalisch liegen Deine Wurzeln im Hardcore und Punk, auf "Places" präsentierst Du Dich im Gegensatz dazu jetzt als Singer-Songwriter. Wie ist diese Entwicklung vonstatten gegangen?

In meiner musikalischen Sozialisierung hat Popmusik eine wichtige Rolle gespielt, noch bevor ich Hardcore und Punk entdeckt habe. Und auch als ich dann in einer Hardcore-Band war, habe ich weiterhin z.B. Ani DiFranco gehört. Nebenbei habe ich irgendwann begonnen, Songs in diesem Stil zu schreiben. Bei  meiner zweiten Band Once Tasted Life konnte man diese Einflüsse schon ein wenig hören, da gab es auch einige ruhigere Nummern. Diese Schiene war also immer schon da und andrerseits finde ich, dass es auf "Places" auch ein paar schnellere Songs, gibt, wo man die Punk- und Hardcore-Einflüsse gut hören kann.

Haben die Songs auf "Places" ein bestimmtes Thema?

Ja, es gibt da sozusagen ein kleineres und ein größeres Thema, das bei "Places" eine Rolle spielt. Zum einen war ich während der Produktion von "Places" zwischendurch immer wieder mit verschiedenen Projekten auf Tour, von wo ich immer wieder viele Eindrücke und Erfahrungen mitnehme. Das drückt sich z.B. auch durch das Artwork der CD aus, im Booklet sind einige Fotos zu finden, die auf Tour entstanden sind. Das übergeordnete Thema von "Places" ist meine persönliche Entwicklung: von den Anfängen im Hardcore-Bereich, als ich noch Student war, zur Indie-Rockband, bis in die Gegenwart jetzt zu meinem Solo-Ding. In dieser Zeit ist schon einiges passiert, z.B. habe ich jetzt schon einige Jahre lang einen fixen Job und eine fixe Beziehung. Da hat sich also einiges verändert, und das möchte ich mit diesem Album dokumentieren. Man könnte deswegen "Places" auch als eine Art Zwischenbilanz verstehen.



Kannst Du bitte noch etwas zu den Hintergründen zu einem der Song von "Places" erzählen? Du hast freie Wahl...

Gern! Also z.B. der Song "Black and White Picture", etwas weiter hinten am Album, da geht es um die Auseinandersetzung mit dem Älter-Werden als Musiker. In meiner Zeit mit der Hardcore-Band war ich noch stark in einer Aufbruchsstimmung drinnen, so nach dem Motto "Musik kann die Welt verändern"! Da habe ich mich intensiv mit politischen Themen beschäftigt und das auch in die Songs gepackt. Wir haben da teilweise auch etwas plumpe Phrasen verwendet, damit die Message jeder verstehen kann, und bei den Konzerten die Texte ans Publikum ausgeteilt. Damals war ich privat auf vielen Demos, etc. Das mache ich jetzt nicht mehr. Nicht, weil mich Politik nicht mehr interessiert, das ist mir immer noch sehr wichtig, aber das wird von mir jetzt anders gelebt. Ich schreibe jetzt andere Texte als früher, die vielleicht auch nicht mehr so plakativ sind. Natürlich bin ich als Person vielleicht auch ein bisschen bequemer und ruhiger geworden, aber insgesamt geht es in dem Song um die Auseinandersetzung mit der Frage: wie sah ich die Dinge damals und wie sehe ich sie jetzt?

Bist Du darum auch in punkto Erfolgsdruck ein Stück gelassener geworden?

Ja, ich bin da jetzt viel unverkrampfter als früher. Aktuell sehe ich es einfach so, dass ich immer noch sehr gerne Musik mache und Konzerte mit den neuen Songs spiele. Wenn das jemand gut gefällt, dann taugt mir das extrem. Aber ich habe nicht den Anspruch, mit "Places" irgendwelche Rekorde zu brechen oder ausgedehnte Auslandstouren zu machen. Ich habe auch nicht vor, für die nächste CD ein größeres Label zu suchen etc. Diesen Stress, unbedingt Erfolg zu haben, habe ich mich früher oft ausgesetzt, und das hat mir teilweise auch gesundheitlich sehr zugesetzt. 

Apropos Fotos im Booklet. Wo ist das tolle Foto entstanden, das man auf der Rückseite bzw. am Ende des CD-Booklets sieht. Da ist eine Straßenszene irgendwo im Osten samt imposant großem Turm im Hintergrund zu sehen...

Das Bild ist in Moskau entstanden. Ich war gemeinsam mit einem Freund in den letzten Jahren immer wieder auf Tourneen in Russland und im Baltikum unterwegs. Als ich diesen Schnappschuss gemacht habe, sind wir gerade in Moskau auf eine der großen Straßen der Stadt herumspaziert.

Wie war das Feedback des Publikums bei den Tourneen im Osten?

Das Publikum war super. Die Leute sind einfach froh, dass ausländische Musiker bei ihnen auftreten und Konzerte geben. Es ist immer eine super Stimmung bei diesen Auftritten. Generell waren diese Tourneen auf eine Art aber sehr exotisch für mich. Vielleicht auch, weil man Russland im Hinterkopf immer als ziemlich weit weg abgespeichert hat, obwohl man mit dem Flugzeug in zwei Stunden in Moskau ist. Doch es gab schon große Unterschiede im Gegensatz zu Tourneen in Deutschland, England oder USA. Das beginnt bereits mit der allgegenwärtigen kyrillischen Schrift, die einem dauernd daran erinnert, das man sich in Russland befindet. Wenn man die Städte verlässt und aufs Land kommt, gibt es oft nur noch Holzhäuser und wenige asphaltierte Straßen. Oder du siehst alte Leute, die z.B. auf Krücken gehen, wie sie bei uns vor 50 Jahren üblich waren. Das ist doch eine etwas andere Welt, die man da antrifft, und insofern war das eine sehr aufregende Erfahrung für mich. Wie es das Klischee will, wird man von den Gastgebern in Russland natürlich auch bei jeder Gelegenheit auf einen Wodka eingeladen (schmunzelt)!

Was sind Deine nächsten Pläne?

In Kürze erscheint die Akustik-Version von "Places" als eigene CD unter dem Titel "Faces". Und Ende April 2014 gibt es dann fünf Akustik-Gigs in Salzburg, Döbriach, Wiener Neustadt, Wien und Graz!  

CD-Tipp:
Chris Magerl: Places
Label/Vertrieb: Remedy / No Need For Flag Records (2014)

Interview: Robert Fischer