Dylan war innerhalb kurzer Zeit zum Helden empor gestiegen. Das passte ihm gar nicht und so trug Bob Dylan auf seinem vierten Album die Anti-Helden-Maske, gekleidet in impressionistischer und zugleich surrealistischer Wortmusik für die Ewigkeit danach.

"Some Other Kinds of Songs ... Poems by Bob Dylan" gab es quasi als Bonus auf der Rückseite des Album-Covers des zweiten Dylan-Albums im Jahr 1964, seinem Vierten insgesamt, und wurde für die darauf enthaltenen Songs mit ihrer experimenteller und oft ungreifbarer Weltsicht von Kritikern aus dem Folk-Lager gescholten. Merkwürdigkeiten wie ein offener Brief von Irwin Silber in der Folk-Zeitschrift Sing Out!, der darin seiner Sorge Ausdruck verlieh, "der Sänger drohe durch die Begleitumstände von Ruhm und Erfolg den Kontakt zur Basis zu verlieren, was auch in seinen neuen Liedern zum Ausdruck komme" war nur die Speerspitze dessen, was seitens der Folk-Gemeinde auf Dylan in den nächsten zwei Jahren noch zukommen sollte. Die 11 Lieder lassen tatsächlich einen spürbaren Wandel erkennen. Kurz nach Veröffentlichung des Albums "The Times They Are A-Changin'" am 13.1.1964 begab sich Dylan auf eine Reise quer durch die Staaten mit dem Versuch der Wiederentdeckung Amerikas. Der Biograph Robert Shelton schrieb darüber: "Nach Jahren der Zielstrebigkeit stieg Orpheus nun für mehrere Jahreszeiten in die Hölle hinab. Er rollte wie ein Donnergott über Amerikas Landschaft, über Whitmans 'Open Road', Guthries 'Hard Travellin'', Kerouacs 'Unterwegs', Hoppers und Fondas 'Easy Rider' und Keseys 'Acid Test'." Als Dylan schließlich am 9.6.1964 ins Columbia Recording Studio, New York City, zurückkehrte, um an einem einzigen Tag sein viertes Album aufzunehmen (veröffentlicht wurde es am 8.8.1964), ging er weit über den politischen Song hinaus. Auf "Another side of Bob Dylan" finden sich Klassiker wie "All I Really Want To Do", "Chimes of Freedom", "My Back Pages" und "It Ain't Me Babe", also vier seiner besten well-known-songs. Dass man bei den meisten Songs, vor allem bei "Black Crow Blues", "Motorpsycho Nitemare", "My Back Pages" und "I Don't Believe You (She Acts Like We Never Have Met)" bereits mit jedem Ton auf eine Band und auf den Einsatz von E-Gitarren wartet war freilich kein Zufall. "Es müssen mehr Fragen gestellt werden, um Bedeutungen im Leben zu finden", attestiert der Sänger, z.B. in "Ballad in Plain D", wenn er singt, "Ah, my friends from the prison, they ask unto me / 'How good, how good does it feel to be free?' / And I answer them most mysteriously / 'Are birds free from the chains of the skyway?'", und Bob Dylan formt seine Lieder in metaphorische Kühnheiten, wie z.B. im großartigen "My Back Pages" mit der jeweils abschließenden Conclusio "Ah, but I was so much older then / I'm younger than that now". Was danach kam, wissen wir natürlich, nämlich die wahnwitzigen Visionen dreier großartiger Alben, veröffentlicht zwischen März 1965 und Mai 1966. Für "Another side of Bob Dylan" aber gilt bis heute, dass es ein weidlich unterschätztes Album ist. //

Text: Manfred Horak

SACD-Tipp:
Bob Dylan: Another side of Bob Dylan

Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Columbia/Sony (1964; 2003)

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