Ja, wer hätte das gedacht?, selbst von einem Solitär wie Bob Dylan gibt es ein Debüt-Album, wenn auch eines der am wenig bekanntesten Dylan-Alben. Veröffentlicht am 19. März 1962, befinden sich gerade mal zwei Dylan-Originale drauf.

Im Zentrum des Debüt-Albums von Bob Dylan stehen nämlich alte Blueslieder bzw. Traditionals. Lieder wie "House of the Rising Sun" [die elektrifizierte Eric Burdon & The Animals-Version basiert auf Dylans Version, die wiederum auf das Arrangement von Ramblin' Jack Elliott zurückging; Anm.], "You're No Good", "Pretty Peggy-O", den Dylan-Originalen "Talkin' New York" und "Song To Woody", sowie vor allem das übermächtige "See That My Grave Is Kept Clean" [einem Blues von Blind Lemon Jefferson; Anm.] zeigen bereits einen reifen Sänger, der knapp davor steht Großes leisten zu können (was denn auch prompt der Fall war). Der junge Dylan, gerade mal 21 Jahre war er, klang bei einigen dieser Aufnahmen wie ein alter Bluessänger, der schon alles erlebte und noch viel mehr wusste. Bei seinem "Talkin' New York" freilich wurde man gewahr, dass dem nicht so war, da er ja gerade erst vom Land in diese riesige Stadt kam, und dies in dem Song auch auf sehr witzige und eloquente Art mitteilte: "I walked down there [Greenwich Village; Anm.] and ended up/In one of them coffee-houses on the block./Got on the stage to sing and play,/Man there said, "Come back some other day,/You sound like a hillbilly;/We want folk singer here."..." Dass er zu diesem frühen Zeitpunkt bereits eine gute Presse hatte, und noch dazu ausgerechnet in der renommierten "New York Times" [die im September 1961 erstmals einen erhellenden Artikel über ihn brachte mit der Überschrift "Bob Dylan: A Distinctive Folk-Song Stylist". Autor: Robert Shelton; Anm.] war für Dylans Karriere natürlich sehr förderlich, dennoch hatte das erste Dylan-Album einigermaßen Schwierigkeiten Käufer zu finden. Viel zu schmutzig, roh und unschön war sein Spiel und nicht zuletzt seine Stimme. Dass gerade diese zwei Attribute eines seiner Markenzeichen sein werden lag daher zumindest in der Luft. Das Album besticht durch hohe Authentizität, sprich, man glaubt Dylan einfach alles, was er singt und vor allem wie er es singt. Die regionale Folkgemeinde in Greenwich Village war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Debüts somit längst schon in heller Aufregung und größtenteils Verzückung versetzt, die breite Masse packte er nur kurze Zeit später mit dem nachfolgenden "The Freewheelin' Bob Dylan" und Songs wie "Blowin' In The Wind". Mit dem Debüt legte Bob Dylan jedenfalls das Fundament, gab seinem kurz davor erfundenen Mythosspiel um Namen und Legende erstmals Nahrung und bewegte sich in waghalsiger Manier in Siebenmeilenstiefel vorwärts, um der weltweiten Musikszene einen neuen Sinn zu verleihen. Dieses Album muss man kennen. //

Text: Manfred Horak

SACD-Tipp:
Bob Dylan
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Columbia/Sony BMG (1962; 2005)


Link-Tipps:
Like A Rolling Stone - Jede Generation bekommt die Musik, die sie verdient
I'm Not There: Interview mit Todd Haynes
Bob Dylan: Bilder eines Lebens - die frühen Jahre