jakob_dylan_seeingthings Nomen est Omen: mit "Seeing Things" hat Jakob Dylan, der 38-jährige Frontmann der Wallflowers, und Sohn jenes Zimmermanns, dem Pete Seeger mal die Kabel durchschneiden wollte, sein Solo-Debütalbum rund ums Beobachten auf den Markt gebracht.

Der naheliegendste Vergleich sei hier außen vorgelassen: dass man den Einfluss seines allmächtigen Vaters (Dylan Senior, nicht Gott) aus jeglicher kontemporären/anachronistischen Songschreibermusik herausdividieren kann, sofern man will, grenzt im allgemeinen populärkulturellen Verständnis ohnehin an eine Selbstverständlichkeit. Faktum ist, Jakob Dylan hat über Columbia / Starbucks Entertainment ein Solo-Album veröffentlicht, und produziert hat es Rick Rubin. Dass dieser nicht mit dem A bis Z der, grob gesagt, Rockmusik, sondern auch mit fragiler Folk/Country/Akustikmusik umzugehen weiß, ist seit den American Recordings von Johnny Cash hinlänglich bekannt, ebenso dass Jakob Dylan ein sehr talentierter Songschreiber ist dürfte seit den Wallflowers als bewiesen gelten.

Das Böse ist immer und überall

Der Titel passt. "Seeing Things" ist ein Album übers Beobachten, eine zeitlos klingende Song-Sammlung über Gut und Böse, über Krieg und Liebe, über Mühsal und manchmal auch Leichtigkeit, über Leben und Tod. Meist ein wenig distanziert klingend, wie die Stimme des "omniscient narrators", des allwissenden Erzählers der uns durch die Geschichten und Beobachtungen begleitet und gleich im ersten Song "Evil is alive and well" warnend feststellt, dass das Schlechte wohlauf ist, fett und hungrig, nicht immer erkennbar aber stets omnipräsent. Und so führt uns die voice of conciousness, trotz aller wohlüberlegten Distanziertheit stets nahbar durch zehn spärlich instrumentierte Songs zwischen Folk, Pop und  Blues.

Die Mühen des Alltags

Die zweite Station ist das wunderschöne, folk-balladeske "Valley Of The Low Sun" eines der Highlights dieses Album, musikalisch als auch textlich: "Tomorrow has come like it's drunk on the blood of the men who have dared to be there", heißt es in dem Song. Vieles auf dem Album handelt von den Mühen des Alltags, der Schinderei: "Everyday we struggle with fatigue, much greater than any offer was / We bend down and worship these bandits and cowboys, unable to hold their own guns". "All Day And All Night" ist der Blues des geplagten Arbeiters, der jede Nacht Doppelschicht schiebt und stoisch meint, dass der gute Mann eben immer beschäftigt sein müsse, "all day and all night, like a mule". "Everybody Pays As They Go" handelt von den von jedem irgendwann einmal zu begleichenden (literarisch gemeinten) Rechnungen: "either you’re the butcher or the lamb / but  even so: everybody pays as they go". "War is safe" ist, so paradox das klingen mag, ein sanftmütiges Anti-Kriegslied. Eine Ausnahme zu der ansonsten melancholischen Grundstimmung des Albums als auch zum Themenspektrum ist der optimistisch, fröhlich und leichtfüßig daherkommende Song "Something Good This Way Comes", das man zur ersten Singleauskoppelung dieses Albums auserkoren hat. Alles in allem hat Jakob Dylan mit "Seeing Things" ein abwechslungsreiches Akustik-Album vorgelegt, das in manchen Momenten musikalisch ein wenig an Springsteen a lá "The Ghost Of Tom Joad" und "Devils & Dust" erinnert (auch der Klang der beiden Stimmen sind sich beizeiten nicht unähnlich). Schönes Album. (Markus 'Bodhii' Brandstetter)

CD-Tipp:
Jakob Dylan – Seeing Things
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Columbia/Sony BMG (2008)

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