richard-captain-clean-27Woran sich Richard Schuberth an 2012 zurück erinnern wird und warum sich das Christkind endlich ein längeres Kleidchen zulegen soll verrät uns der Autor im Rahmen unserer Wünsch-Dir-was-Reihe ebenso, wie er uns auch Fotos für die vergleichende Schuberth-Wissenschaft zur Verfügung stellte.

Der in Wien lebende Autor Richard Schuberth veröffentlichte in den letzten zehn Jahren einige höchst unterhaltsame Bücher, so zuletzt die Tragikomödie "Wie Branka sich nach oben putzte", das ursprünglich als Theaterstück für großes Vergnügen sorgte und von Kulturwoche.at als ein mächtiges, wahnwitzprächtiges Theaterstück definiert wurde. Große Klasse bewies er auch mit seinen "30 Anstiftungen zum Wiederentdecken von Karl Kraus" (2008), und wer auf schräge Cartoons/Collagen steht, dem sei (allerdings nicht nur aus diesem Grunde!) ein Augustin-Abo empfohlen. Dass er mit seinem, irgendwo zwischen Tragik und Skurrilität angesiedelten, Humor auch ordentlich aneckt, dürfte wiederum der breiten Leserschaft von der Tageszeitung Der Standard bekannt sein, für die er immer wieder mal Gastkommentare zu gesellschaftspolitischen Themen abliefert.

Kulturwoche.at: Denkst Du noch gerne an Weihnachten aus Deiner Kindheit zurück?

Richard Schuberth: Natürlich. Dabei werden wie üblich die schönen Erinnerungen behalten und die negativen rausgefiltert. Familienhimmel/Familienhölle. Besonders schöne Tradition: russische Literatur des 19. Jahrhunderts als Weihnachtsgeschenk, nicht abwarten können, sich damit ins Zimmer zurückzuziehen und dann tagelang darin versinken, während draußen die Landschaft im Schnee versinkt. Die lustigsten Weihnachten: als meine älteren Geschwister Weihnachten okkupierten, Hannes Wader singt Arbeiterlieder auflegten, und unser Vater fluchend, unsere Mutter heulend, die Bescherung verließen.

Was bedeutet Dir heute noch Weihnachten?

Für mich wirklich die besinnlichste Zeit des Jahres, weil mich der ganze Scheiß nichts mehr angeht. Die Zeit um Weihnachten herum, in der ich mich mit Ruhe und stressfrei meiner kreativen Arbeit widmen kann und am Abend eventuell mit jenen Freunden treffe, die auch keinen Weihnachtsstress haben, ja überhaupt auf Stress verzichten, und deshalb ihre besten Seiten entfalten.

Was erwartest und erhoffst Du Dir von 2013?

Von mir selbst erwarte/erhoffe ich: mehr Muße, Zeit für Reflexion, Lektüre, gute Filme, für Natur und Wandern, mehr gesellschaftspolitisches Engagement und Aktionismus sowie je zwei Buchpublikationen und eine Theaterinszenierung pro Jahr (Material für beides reicht für 5 Jahre). Endlich ein, zwei meiner Filmprojekte verwirklichen ... Generell wünsche ich mir eine Radikalisierung des politischen Denkens und Handelns, um dem Neoliberalismus in allen Lebensbereichen den Garaus zu machen und dieses Mal dabei nicht auf Totalitarismus zu setzen.

Was waren für Dich die wichtigsten Ereignisse in der Kunst- und Kulturszene von 2012?

Alle künstlerischen Projekte meiner Freundin Jelena Popržan - Catch-Pop String-Strong, Sormeh, Duoprojekt mit Boris Mihajlčić, Sara Ostertags wunderbares Kindertheaterstück Das Kind der Seehundfrau (an dem Jelena beteiligt war), und ihr cooles Quartett Popržan/Jokić/Petrova/Neuner. Außerdem Peter Turrinis Ansprache anlässlich der Verleihung des Nestroys, aber mehr noch Michael Scharangs geniale Replik auf Nicolas Stemanns Replik auf Turrinis Ansprache.

Welche Wünsche hast Du an das Christkind/den Weihnachtsmann und welche an die österreichische Regierung bzw. an die Regierungen dieser Welt?

Dass das Christkind den Weihnachtsmann verführt, und dieser ein paar Jahre wegen Pädophilie aus dem Verkehr gezogen wird. Die Rentiere lassen wir frei. Das Christkind soll sich endlich ein längeres Kleidchen zulegen. Es ist schließlich nicht mehr sieben! Wunsch an die österreichische Regierung und die Regierungen der Welt: Sie sollen endlich zugeben, dass sie Marionetten von Wirtschaftsinteressen sind und eine (miserable) Demokratieshow abziehen. Das wäre für das Wahlvolk der erste Schritt der Erkenntnis, nicht hin zur gemäßigten Diktatur (F. Baumgartner), sondern zu echter Demokratie.

Was fällt Dir zu den folgenden Stichworten ein?

Interventionen
richard-schuberth-mit-6richard-schuberth-derya-2011-13Zwei Dinge. Auf individueller Ebene: Wenn bei Positionen und Postenvergabe ein unfähiger gegenüber einem fähigen Menschen bevorzugt wird, weil eine einflussreiche Person für jenen interveniert hat. Auf weltpolitischer Ebene: wenn ein Staat in einem Gegnerstaat aus humanitären Gründen interveniert, weil dieser ein Menschenrechtsverletzer sei und Anarchie und Bürgerkrieg auslöst und auch selbst dort aufs Geratewohl mordet.

Visionen
Halluzinationen, welche das Feuilleton von Politikern einzufordern nicht müde wird, als wäre deren Politik schon in nüchternem Zustand nicht durchgeknallt genug.

Illusionen
Unser täglich Fastfood.

Weltuntergang
Das Ende der Welt, von welchem der große Bluffer Gott so lange schwatzte, bis es die aufgeklärte Menschheit selbst in die Hand nahm. Dass es ihr bis heute noch nicht recht gelingen wollte, scheint den Optimisten Recht zu geben - doch: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Welche Erinnerungen wirst Du voraussichtlich an das Jahr 2012 behalten?

Dass ich mich 2012 kaum an 2011 zurückerinnern konnte.

Interview: Manfred Horak
Fotos: Derya, Richard Schuberth Privatarchiv
Die komplette "Wünsch-Dir-was" Interview-Reihe gibt es im E-Zine No 3 zu lesen.

richard-schuberth-brankaBuch-Tipp:
Wie Branka sich nach oben putzte
Bewertung: @@@@
Verlag: Drava (2012)