"Woran es liegt, dass der Einzelne sich nicht wohl fühlt, obwohl es uns allen so gut geht" (© Helmut Dietl selig) ist der ein wenig perfide Arbeitstitel, den Chefredakteur Manfred Horak für die neue Kulturwoche.at-Kolumne vorgeschlagen hat.

Mehr als dass sie wöchentlich erscheinen und aus digitalen Analoggeschichten und analogen Internetsachen bestehen wird, wissen wir noch nicht. Entstehen nicht die Kolumnen, indem man sie schreibt? Nehmen wir also das Netz auseinander und suchen wir nach Hinweisen für den Weltenlauf.

Viral, oder zumindest auf Facebook weit verbreitet, ist in diesen Tagen die Geschichte von Greta, die 15-jährige war eingeladen bei der UN-Klimakonferenz zu sprechen. Aufmerksamkeit erregt hatte sie durch aktivistisches Schuleschwänzen: Investiert die Politik nicht rasch in Klimaschutz, lohnt sich auch der Schulbesuch nicht, so überspitzt die durchaus nachvollziehbare Argumentation: kein Klima, keine Zukunft.

Zwecks Fortbildung lese ich manchmal Kommentare unter Artikel verschiedener Medien (Die Fortbildung besteht darin, dass ich - ähem - gern das Communitymanagement anderer analysiere). Eine Frau echauffiert sich unter einem Artikel zur jüngsten Anti-Regierungsdemonstration in der Wiener Innenstadt. Nicht nur die Demo an sich echauffiert sie, vor allem auch der Pro-Demo-Kommentar eines Users regt sie auf und sie greift - in einer H.C.Artmann-Erzählung würde sie dabei Mohnstrudel kauen - tief in die Beleidigungskiste: "Du ... Künstler!!"

Anderntags spült es in meine Twittertimeline zwei Tweets:

Tweet 1: Eine sehr junge krebskranke Frau, schon im Hospiz, verabschiedet sich von ihrer Community. Wenige Tage später wird ihr Konto deaktiviert. Zuvor schlug der jungen Frau eine letzte digitale Welle entgegen: Ihre Follower/innen bedanken sich aufrichtig, warmherzig und respektvoll für die gemeinsame Zeit.

Tweet 2: Ein Trans-Kollege teilt den Screenshot einer Private Message. Vergewaltigungwünsche in Großbuchstaben mit vielen Ausrufezeichen.

Vielleicht sind Netz und Welt ja doch das, was wir draus machen?

Woran es nun aber liegt, dass der Einzelne sich nicht wohl fühlt, obwohl es uns allen so gut geht? Bleibt dran. Frohe Weihnachten! //

Text und Foto: Anne Aschenbrenner