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Lass deine Haare flattern / Für eine bessere Welt! - bevor das Jahr 1968 und die Idee der Weltverbesserung ins Museum wandert und dort verstaubend in Vergessenheit gerät.

In der Steiermark auf dem Ochsenkarren durch Madagaskar unterwegs zu sein, ist eigentlich ganz einfach. Mit einem Schnipp und mit der richtigen Brille ist man flugs dort - obwohl man eigentlich ganz woanders ist. Schön langsam, aber sicher (wir befinden uns schließlich immer noch in Österreich) kommt Virtual Reality in der Allgemeinheit an. Im Wiener MAK kann man noch bis Oktober durch Klimts Welten virtuell wandeln - allerdings ist dort der Zutritt sehr beschränkt, da kapazitätsmäßig leider nur in zwei (!) VR-Brillen investiert wurde. Dass es auch anders geht, beweist Josef Zotter in der Steiermark, seines Zeichens Chocolatier von Weltrang. In seinem VR-Open-Air-Cinema (Am-Vieh-Theater) wurden 40 Xoconen plus dazu gehörenden VR-Brillen installiert, um sich dort eben direkt von der Steiermark nach Madagaskar quasi beamen zu lassen. Wir ließen uns die Erst-Präsentation natürlich nicht entgehen und reisten virtuell durch den Film von Regisseur Roland Wehap.

Viele meinen, VR sei nicht nur the next big thing, sondern nennen es auch revolutionär. Ob VR mit dem Jahr 1968 mithalten kann - bzw. umgekehrt - darüber kann natürlich ausführlich diskutiert werden. Als Diskussionsgrundlage bietet sich eine Textzeile von Neil Young an, die da lautet: "All the hippies are working for IBM". Eine gute Gelegenheit über dieses Jahr nicht nur zu reden, sondern es auch zu leben üben, gibt es aktuell im Theaterhaus Dschungel Wien. Dort machen sie nämlich tatsächlich auf Revolution, also Besetzung, Sit-ins und Performance. Vier Tage lang. Lasst euch das ja nicht entgehen, bevor das Jahr 1968 und die Idee einer freien Welt ins Museum wandert und dort verstaubt. Lass deine Haare flattern / Für eine bessere Welt!

Von der aktuellen politischen Gefühlslage her befinden wir uns ja gerade soundso on a road to nowhere. Auch das kann derzeit überprüft werden, nämlich im Kinofilm Transit von Christian Petzold, bei dem im Abspann dann tatsächlich auch der Talking Heads Klassiker zu hören ist. "Transit" war auch bereits beim diesjährigen Crossing Europe Filmfestival in Linz zu sehen - und was dort wiederum sonst noch an bemerkenswerten und erinnerungswürdigen Filmen gezeigt wurde könnt ihr in dieser Kulturbrief-Ausgabe ebenfalls nachlesen. Und, um wieder zurück in die Steiermark zu kommen, empfehlen wir das Podcast-Interview mit Boris Bukowski und nicht zuletzt die Premierenkritik zu Sommernacht, geträumt, Jörg Weinöhls letzte Arbeit als Ballettdirektor der Grazer Oper.

Somit wünschen wir eine positive Kulturwoche und beschließen das Editorial mit einer Textzeile von George Harrison (frei zitiert aus dem Daodejing) aus "The Inner Light" von - richtig! - 1968: “Without going out of my door I can know all things on earth. Without looking out of my window I can know the ways of heaven. The farther one travels the less one knows.”. //

Text: Manfred Horak
Illustration: Cover-Rückseite von The Beatles Single "Lady Madonna / The Inner Light" (Parlophone, 1968)