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barbara-rosenkranz-noIn der Sprache zeigt sich die Kultur. Alltagssprache in Österreich anno März 2010? "Man hört, dass aus Zeitmangel Titel aufgewärmt wurden, die aus dem ersten Album zu Gunsten stärkerer Songs durch den Rost gefallen waren." Autsch. So stand es am 14.3. im KURIER zu lesen, in der Rubrik Kultur und Medien in einem Bericht über die Sängerin Amy MacDonald, was wieder einmal Anlass zu etymologischen Überlegungen gab. Die ursprünglich aus dem Mittelalter stammende Redewendung "durch den Rost fallen" erhielt durch den Holocaust eine schreckliche neue Bedeutung. Ein Rost ist ein Eisengitter, das im Ofen zur Trennung von groben Verbrennungsrückständen und Asche dient. Doch wird die Redewendung heute mit der Verbrennung vor allem von Juden im Rahmen der Massenmorde während der NS-Zeit assoziiert. Auch an dem oft flapsig gebrauchten "sich brausen gehen" scheiden sich übrigens die Geister, ganz zu schweigen von der Redewendung "bis zur Vergasung". Sogar im Leitfaden für einen nicht diskriminierenden Sprachgebrauch, herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Wien, 2008) gilt diese Redewendung als historisch besetzt, und: "Nach dem Holocaust / Shoa im Nationalsozialismus haben diese Redewendungen eine ganz andere Bedeutung gewonnen und können nicht mehr benützt werden, ohne an die systematische Ermordung von Menschen im Nationalsozialismus zu denken." Empfohlen sei daher an dieser Stelle einmal mehr das Buch LTI (Lingua Tertii Imperii) von Victor Klemperer über den Sprachverfall in der Zeit des Nationalsozialismus. "Worte", schrieb Klemperer, "können sein wie winzige Arsendosen, und nach einiger Zeit ist die Wirkung da." In Österreich ist es ja längst wieder Teil der Alltagskultur. Rülpst jemand ziemlich braun, ist die Aufregung zwar groß, aber nur für sehr kurze Zeit, denn es ist alles wieder gut, sobald man sich eidesstattlich von den Rülpsern distanziert. Dass mit jedem Rülpser die Nebenwirkungen größer werden, fällt dann meistens in die Kategorie "besoffene Lausbubenstreiche". Georg Danzer formulierte diesen Umstand bereits im Jahr 1980 im Lied "Der alte Wessely" und widmete es 140.000 Österreicherinnen und Österreichern. "Plötzlich wach i auf und lieg daham im Bett / Aber es is eh zum Aufsteh Zeit / Druntn vor der Haustür steht a B'soffener / Und i hör wie der 'Heil Hitler' schreit / Aufsteh, anziagn, owegehn, in d'Goschn haun / Des is alles was i machen möchte / A wann des nix ändert, mir hilft's wenigstens / Weu mer is vor Wut im Bauch ganz schlecht / Und es gibt no immer so fü Wesselys / Und ihr Mief verstinkt die ganze Wöd / Und die bladn Wirtin sterbn a ned aus / Gratuliere, gratuliere, Herr Wessely / Kana hat die Jugend so versaut wie Sie!" (Manfred Horak; 16.3.2010)