Kaviar; Foto: Thimfilm

Mit Kaviar ist eine absurde österreichische Komödie von der russischen Regisseurin Elena Tikhonova im Kino zu sehen, die mittlerweile von der politischen Realität eingeholt wurde.

Wenn das Leben die Kunst imitiert, dann kommt es oft zu schmerzhaften Erkenntnissen und es wirft viele Fragen auf. Eine davon könnte lauten: Gibt es einen moralischen Kapitalismus und wie viel Moral oder Unmoral verträgt der Mensch? Fragen, die gerne dann wieder gestellt werden, wenn es einmal mehr zu fragwürdigen und beschämenden Handlungen jedweder Art in der Politik kommt, wie zuletzt z.B. die Zack! Zack! Zack! Glock! Glock! Glock! Filmausschnitte zweier rechtsrechten österreichischen Politiker zeigten. Bereits im März 2019, bei der Diagonale, feierte ein Kinofilm Premiere, der dieses unerträgliche Spiel mit Macht und Geld in einer Komödie zeigte. "Kaviar" heißt dieser Film, der unter der russischen Regisseurin Elena Tikhonova entstand, die gemeinsam mit dem Österreicher Robert Buchschwenter das Drehbuch verfasste. Was man im Frühjahr 2019 noch als unrealistisch überspitzte Satire glaubte zu sehen, wurde nur wenige Monate später von der Realität beinhart rechts überholt. Während sich einem sämtliche Haare vor dem TV-Apparat sträubten, biegt man sich im Kinosessel vor Lachen. Und einmal mehr stellt sich eine weitere Frage, nämlich, was muss die Satire noch alles tun, damit sie nicht von der Realität eingeholt wird? Dabei machte die in der sowjetischen Wissenschaftsstadt Obninsk geborene und aufgewachsene Elena Tikhonova mit ihrem ersten Kinospielfilm ja "nur" einen Film, der auf ihren eigenen Einsichten in die russische Community in Wien basiert. "Im Kern", so Elena Tikhonova, "ist Kaviar ein Film über Migration und über die Überwindung der Einsamkeit, die sie mit sich bringt. [...] Vieles im Film ist von eigenen Beobachtungen inspiriert, die ich machte, seit ich vor 19 Jahren ohne ein Wort Deutsch zu können nach Österreich gekommen bin und mich per trial & error in meiner neuen Umgebung zurechtfinden musste."

Korruption ist alles, denn Geld stinkt ja nicht

Kaviar FilmstillZugute kommt "Kaviar" ein herrlich agierendes Schauspiel-Ensemble rund um das Frauen-Trio Margarita Breitkreiz, Daria Nosik und Sabrina Reiter und dem Herren-Trio Mikhail Evlanov, Georg Friedrich und Simon Schwarz. Für die volle Punktlandung sorgt zudem das fein ausgearbeitete Drehbuch mit einer sozialistischen Pointe. Dreh- und Angelpunkt von "Kaviar" ist die fixe Idee des Oligarchen Igor (Mikhail Evlanov), eine Villa auf der Schwedenbrücke in 1010 Wien bauen zu lassen - ähnlich wie die Ponte Vecchio in Florenz. Und da (auch in Wien) offenbar jeder gerne Schmiergeld nimmt, reift der Plan recht rasch dank des windigen Klaus (Georg Friedrich), der weiß, mit welchem Stadtrat man trinken gehen muss, damit eine Baugenehmigung bloß eine reine Formsache ist. Sein bester Freund, Anwalt Dr. Ferdinand Braunrichter (Simon Schwarz), kennt wiederum jedes Gesetz und weiß, was man dagegen tun kann. Schnell fließt viel Geld in ihre eigenen Taschen - deponiert auf einem Überbringer-Sparbuch in Liechtenstein - nachdem die absurdesten Versprechungen getätigt wurden. "Kaviar" zeigt klassische Geldkoffer-Übergaben, auf Servietten unterschriebene Wechsel in Millionenhöhe, geheim gemachte Filmaufnahmen, einen gefakten ZiB-Beitrag mit echtem ORF-Moderator, bis hin zu Geldwäsche und Geldgier, die blind macht. Und da die Liebe zum Geld größer ist als die Liebe zu Frauen, schließen sich drei Frauen aus Igors und Klausens Umfeld zusammen, um das Geld mit Stil und Eleganz umzuleiten. Die sexuell frustrierte Russin Nadja (Margarita Breitkreiz) arbeitet als Dolmetscherin und Mädchen für alles für den Oligarchen Igor, Die russische Blondine Vera (Daria Nosik) ist die ehelich betrogene Frau von Klaus. Und als Dritte im Bunde stößt Nadjas blauhaarige Babysitterin Teresa (Sabrina Reiter) dazu, die geldlose antikapitalistische Kunst macht und zu allem bereit ist. Der Plan ist simpel: Die drei Frauen überwachen die kriminellen Männer, installieren Kameras und nehmen Gespräche auf - und sehen mit Erstaunen, wie sich alle gegenseitig über den Tisch ziehen wollen. Drei Millionen? Peanuts! Hundert Millionen? Wurscht! Moral? Kenn ich nicht. Doch, es gibt eine Moral in Kaviar, die da lautet: Jede/r ist käuflich. Entscheidend ist nur die Höhe des Geldbetrags. Und was all das mit Lenin und der sozialistischen Pointe zu tun hat? Film anschauen! //

Text: Manfred Horak
Fotos: Thimfilm GmbH

 

Kaviar FilmplakatKaviar
Bewertung: @@@@@@
Regie: Elena Tikhonova
Drehbuch: Robert Buchschwenter, Elena Tikhonova
Kamera: Dominik Spritzendorfer, AAC
Schnitt: Cordula Werner, Karin Hammer, Alarich Lenz, Daniel Prochaska, Dominik Spritzendorfer
Musik: Karwan Marouf
Darsteller: Margarita Breitkreiz, Daria Nosik, Sabrina Reiter, Georg Friedrich, Simon Schwarz, MIkhail Evlanov, Joseph Lorenz, Robert Finster
Produktion: Witcraft Filmproduktion
Verleih: Thimfilm