Wie man bei der Trauerarbeit beziehungsweise beim Verlust eines geliebten Menschen "auf den Hund kommen kann". Solche Antworten und Beispiele versucht der Dokumentarfilm "Kein halbes Leben" zu geben, der erstmals bei der Diagonale 2018 gezeigt wurde.

Am Anfang ist die Filmemacherin selbst mit ihrer Mutter beim Blättern im Familienalbum zu sehen, in dem Hundefotos zu sehen sind. Als der Mann verstorben war, spendeten der Mutter nur die Hunde Trost, die ihr überhaupt die Kraft gaben aufzustehen. Ähnlich ergeht es zwei anderen Darstellern, die aus einer tiefen Beziehung herausgefallen sind. So tun sich drei Erzählstränge auf, in denen anhand von Alltagsereignissen die tiefe Beziehung zu den Vierbeinern sichtbar wird. Diese entfaltet eine geradezu therapeutische Wirkung.Der Hund wird so nicht nur der beste Freund des Menschen, sondern der Lebensbegleiter, der einem dabei hilft, Kraft und Sinn im Leben zu finden. In diesem Zusammenhang werden zwei starke Frauen nicht als Opfer gezeigt, ebenso wie der gefühlvolle Mann bei der Bewältigung der Trennung von seiner Freundin durchaus glaubwürdig erscheint.

Spannend auch die Kameraführung, die nicht auf Naheinstellungen, halbe Auflösungen und Aufnahmen von den Füßen aufwärts verzichtet. Obwohl der Film unter großem Zeitdruck entstanden ist und ursprünglich nur als Kurzfilm gedacht war, ist er aussage- und handlungsorientiert. Das beweisen auch die unvorbereiteten Interviews. Bemerkenswertes und nicht unwesentliches Detail: Er wurde überwiegend von Frauen gedreht und bietet damit einen feministischen Zugang zum Thema. //

Text: Stefan Schmied
Fotos: Bauer
Diese Filmkritik entstand beim Workshop "Filmkritiken schreiben" im Rahmen der Diagonale 2018 unter der Leitung von Manfred Horak (Kulturwoche.at) in Kooperation mit Diagonale - Festival des österreichischen Films, Kleine Zeitung und Radio Helsinki. Bei Radio Helsinki entstand mit der Moderatorin Irene Meinitzer auch nachfolgende 60-minütige Live-Sendung.



Film-Info:

Kein halbes Leben
Bewertung: @@@@
Dokumentarfilm, AT 2018, 70 min
Regie und Buch: Sybille Bauer
Darsteller/innen: Renate Bauer, Kerstin Brüstl, Florian Grill
Kamera: Marie-Thérèse Zumtobel
Schnitt: Anna Grenzfurthner
Originalton: Ben Palier, Nora Czamler, Simon Spitzer, Ken Rischard, Theda Schifferdecker
Sounddesign: Simon Spitzer