Die eigene Kindheitsgeschichte erzählt der Regisseur Adrian Goiginger in seinem Debütfilm. Im Mittelpunkt steht die Liebe zwischen der drogenabhängigen Mutter und ihrem Sohn. "Die beste aller Welten" ist eine Hommage an die Mutter, die es trotz ihrer Drogenabhängigkeit schafft, dass ihr Sohn behütet aufwächst. Die Hauptdarstellerin Verena Altenberger ("Magda macht das schon", "Die Hölle") wurde bei der Diagonale 2017 für ihre Rolle in Die beste aller Welten als beste österreichische Schauspielerin ausgezeichnet. Robert Fischer traf Adrian Goiginger zu einem ausführlichen Gespräch.

Kulturwoche.at: Wie kam es zu der Idee, aus deiner Kindheit mit drogensüchtigen Eltern einen Film zu machen?

Adrian Goiginger: Das war 2012, als meine Mutter verstorben ist. Das war der Startschuss, wo ich erstmals konkret überlegt habe, aus meiner Geschichte einen Film zu machen.

"Die beste aller Welten" wird vor allem getragen von den starken Leistungen der beiden Hauptdarsteller Verena Altenberger und Jeremy Miliker. Wie hast du die beiden gefunden?

Bei Verena war das ganz einfach und zufällig. Ich habe im Internet nach einer jungen Schauspielerin in Salzburg gesucht, und weil Verenas Nachname mit A beginnt, war sie gleich unter den ersten Treffern im Such-Ergebnis. Wir haben uns dann einmal zu einem Gespräch getroffen und nach kurzem Casting und einem Probedreh war dann schnell klar, dass Verena für die Rolle meiner Mutter die Idealbesetzung ist. Verena war dann beim Casting für die zweite Hauptrolle beteiligt. Wir haben ca. 2 Monate viele Kinder gecastet, bis sich herausgestellt hat, dass Jeremy mit Abstand der Beste war.

Wie war es mit Jeremy Miliker zu drehen bzw. mit einem Kind am Set zu arbeiten? Ich nehme an, das ist sicher noch einmal eine ganz besondere Herausforderung?

Ja, das war schon ganz anders. Ein Kind hat keine schauspielerische Technik, keine Ausbildung und deshalb kannst du ihm z.B. nicht sagen, in dieser Szene spielst du, dass du überrascht bist. Sondern ein Kind muss wirklich überrascht werden! Nach diesem Prinzip bin ich Szene für Szene vorgegangen. Also nicht, dass ich mir überlegt habe, wie bringe ich Jeremy bei, was in der nächsten Szene passiert, sondern wir haben gefilmt, wie Jeremy unmittelbar in dieser und jener Szene reagiert hat. Mit dieser Methode habe ich den ganzen Film mit Jeremy gearbeitet und zusätzlich haben wir daneben beim Dreh viel improvisiert, gemeinsam mit den anderen Schauspielern.

Das klingt nach einer spannenden Methode. Gab es auch Szenen, wo Jeremy negativ reagiert hat bzw. etwas nicht machen wollte?

Auf die ganz schlimmen Szenen, z.B .als ihm der Dealer Wodka ins Gesicht schüttet bzw. der Dämon auftaucht, war Jeremy schon vorbereitet und das hat auch gut geklappt. Es war eher bei den letzten beiden Drehtagen, dass man schon gemerkt hat, dass Jeremy geistig etwas müde ist. Da wollte er auch ganz leichte Sachen nicht mehr machen. Aber das ist ganz normal, es waren immerhin ca. 25 Drehtage in kurzer Zeit für Jeremy, und das ist für ein achtjähriges Kind extrem fordernd.

Dein Stiefvater war beim Dreh von "Die beste aller Welten" intensiv beteiligt. Was war seine Rolle?

Mein Stiefvater war von Anfang an sehr involviert. Er war schon bei der Recherche dabei, und hat mir z.B. auch manche Sachen von früher nochmal genau erzählt. Er war auch am Set und bei der Vorbereitung als Fachberater dabei. Mein Stiefvater hat dabei den Schauspielern u.a. genau erklärt, was mit einem passiert, wenn man Drogen nimmt, denn alle Darsteller im Film haben zum Glück keine aktive Drogen-Erfahrung (schmunzelt)! Auch beim Dreh selbst hat er öfters durch die Kamera geschaut, ob alles passt, damit es der Realität nahe kommt. Durch seine 20-jährige Heroin-Erfahrung kennt er sich mit Sucht gut aus und hat dieses Wissen mit uns geteilt. Deshalb war es ganz wichtig, dass er dabei war.

Ich nehme an, es war auch für dich selbst als Regisseur eine sehr intensive Erfahrung, mit dem Film nochmals in deine eigene Kindheit zurückzukehren? Wie war das für dich?

Also um als Schauspieler mitzumachen, fehlt mir einfach das Talent (schmunzelt). Ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich dann auch eine gewisse Distanz zu der ganzen Sache entwickelt. Mir war zwar klar, das ist meine Geschichte, aber mir war eher wichtig, dass der Film gut funktioniert, als dass jetzt alles wirklich 1:1 so war, wie ich es erlebt habe. Der Film soll ja auch für Leute funktionieren, und verständlich sein, die mich nicht persönlich kennen.


Sind die Plätze und Orte, die im Film vorkommen, auch wirklich die Orte deiner Kindheit?


Die meisten Plätze sind alle in Salzburg, nur die Höhlen, die im Film vorkommen, waren in Baden-Württemberg. Das meiste sind Original-Schauplätze, aber ein paar Mal waren die Original-Schauplätze zu klein zum Drehen. Ich wollte z.B. in meiner Kindheits-Wohnung filmen, aber die war zu klein für den Dreh. Da mussten wir dann eine etwas größere Wohnung nehmen. Aber viele der anderen Schauplätze des Films wie z.B. die Stelle an der Salzach oder die ganzen Wege und Straßen sind die Orte, wo ich als Kind immer war.

Musik wird bei "Die beste aller Welten" sehr sparsam eingesetzt. Ich als Fan von altem Blues-Rock habe mich gefreut, dass du in einer Szene ein Stück der Hamburger Band Frumpy, die Anfang der 1970er Jahre aktiv war und vor allem durch die Sängerin Inga Rumpf bekannt ist, verwendet hast. Wie kam es dazu?

Diese Musik ist bei uns damals immer gelaufen! Ich kenne diese Stücke, seit ich sechs oder sieben Jahre alt bin. Ich habe es auch immer schon schade gefunden, dass diesen tollen Song "How the gypsy was born" von Frumpy heute keiner mehr kennt. Ich wollte vermeiden für die Filmmusik einen total bekannten Song zu nehmen, den jeder kennt, also z.B. etwas von The Beatles oder The Rolling Stones. Ursprünglich wollte ich total gern etwas aus dem Austropop verwenden, und wir haben da auch überall angefragt bei Wolfgang Ambros, Rainhard Fendrich, STS und beim musikalischen Nachlassverwalter von Georg Danzer. Aber die haben alle abgesagt, weil sie anscheinend nicht mit dem Drogen-Thema in Verbindung gebracht werden wollten. Dieses Thema war ihnen zu heiß (schmunzelt)! Dann haben wir uns um den Frumpy-Song bemüht, der war leider auch relativ teuer, aber ich habe zu meinem Produzenten gesagt, dass der Song wichtig für die Szene ist und dann haben wir ihn gekauft.

War es dir auch wichtig, mit diesem Film zu zeigen, dass Drogen nicht immer nur komplett negativ gesehen werden müssen bzw. dass es, wie in deinem Fall, auch möglich ist, trotz drogensüchtiger Eltern eine schöne Kindheit zu haben?

Auf jeden Fall! Wenn man ins Kino geht, dann will man einfach überrascht werden! Man will etwas Neues erleben bzw. eine neue Sicht auf die Welt bekommen. Ich glaube, dass das psychologisch genau der Punkt ist, warum Leute ins Kino gehen bzw. warum uns seit über 100 Jahren Kinofilme so faszinieren. Wenn man da nichts Neues bietet, hat der Film bzw. das Kino meiner Meinung nach einfach keine Existenzberechtigung. Da es bereits viele Filme über den Alltag von Drogensüchtigen gibt, wie z.B. "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" oder "Trainspotting", wollte ich etwas Neues machen. Natürlich will ich Drogen auf keinen Fall verharmlosen, aber ich wollte mit meinem Film zeigen, dass man z.B. in einer Drogen-Szene leben kann und trotzdem mit einer liebenden Mutter eine schöne Kindheit haben kann. //

Interview: Robert Fischer
Foto: Bettina Horvath