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alexandra-svendsenDer Lerchenberg, Sitz des ZDF in Mainz und eine der größten Fernsehanstalten Europas, wird in einer Naturdokumentation zum Symbol für Lebensräume, in denen Mensch und Tier ganz nahe beisammen leben. Andrea Schramek traf die Redaktionsleiterin Alexandra Svendsen zum Interview.

Kulturwoche.at: "Abenteuer Lerchenberg" ist eine preisgekrönte Naturdokumentation, die von 40 Mitarbeitern des ZDF in ihrer Freizeit gedreht wurde. Aufwändige Dreharbeiten mit Spezialkameras ermöglichen dabei dem Zuschauer einen neuen und ungewohnten Blick auf die Tierwelt in Erde, Luft, Wiesen und Zwischendecken der Büros. Wie ist es zu diesem Projekt gekommen?

Alexandra Svendsen: Die Ursprungs-Idee dazu hatte unser Regisseur und Drehbuchschreiber Andreas Ewels. Er ist jedes Jahr für seine Natur-Dokumentationen überall auf der Welt unterwegs, um die Tiere zu finden, von denen man weiß, dass sie geschützt werden müssen, wie der Pandabär, die Eisbären, die Elefanten, die Giraffen. Und plötzlich sagte er sich - so ungefähr vor fünf Jahren - warum soll ich nicht auch einmal vor die eigene Haustüre gucken, was da kreucht und fleucht? Und so entstand die tiefer liegende Idee, zu zeigen, dass jegliche Natur direkt vor jeder Haustür, vor jeder Industrie, direkt vor dem Fernsehsender eben, wirklich schützenswert ist. Dass es sich lohnt, den Blick zu schärfen und genauer hinzugucken - und dass das eben auch ein Wunder des Lebens ist.

Und wer hat da mitgemacht? Wer hat sich für dieses Projekt gemeldet?

Die Organisationsleitung  hatte z.B. eine Dame gemacht, die in der Schlüsselverwaltung ist. Sie ist mir sehr in Erinnerung geblieben, da sie im ZDF einen Riesenbereich unter ihren Fittichen unter sich hat, die komplette Schließ- und Sicherheitsanlage des ZDF - mit vielen Tausenden Türen und abenteuer-lerchenberg2Schlössern, aber Sie hatte mit Fernsehen im eigentlichen Sinn überhaupt nichts zu tun. Sie hat dann die Organisationsleitung übernommen und auch Eigendrehs durchgeführt und wurde mit der Zeit auch so geschult, dass sie dann phänomenale Leistungen erbracht hat. Wir haben ja eineinhalb Jahre gedreht. Da waren Redakteure dabei aus dem Bereich Produktionsleitung, Bank- und Geldgeschäfte, Finanzen, Hausmeister - um ein paar zu nennen. Und Andreas Ewels natürlich.

Aber es gab für seine Idee offenbar keine Finanzierung? Ist das jetzt ein Zukunftsmodell für den ZDF - alles ehrenamtlich von Mitarbeitern drehen zu lassen?

(lacht) Nur anfangs gab es keine Finanzierung! Ich muss fairerweise sagen, dass - nach dem Aufruf in der ZDF-Mitarbeiterzeitung - zu diesem Projekt sich schon ein Grüppchen von interessierten Mitarbeitern gebildet hatte, und da stellte sich dann natürlich die Frage: Wie finanzieren wir das? Nicht jeder hat HD-fähige Hochleistungs-Kameras zu Hause oder einen Schnittcomputer, und wir brauchten Ressourcen, auf die wir zugreifen wollten und mussten. abenteuer-lerchenberg1Und dazu brauchten wir natürlich Geld. Wir kamen dann auf die Idee den Kreativitäts-Fonds-Ausschuss des ZDF zu fragen, ob diese Idee eventuell förderwürdig wäre. Dieser Kreativitätsfonds ist eine Abteilung, die förderwürdige Ideen dann ein bisschen finanziell unterstützt und so haben wir einen kleinen Teil Push in die richtige Richtung bekommen und natürlich auch Motivation:  Wow, eine Hürde ist genommen. Da interessiert sich jemand - da unterstützt uns jemand. Ja, und anders hätten wir es gar nicht hin bekommen, finanziell.

Wie kann ich mir das vorstellen? Jeder hat sich ein Thema ausgesucht und dann mit einer Kamera selbst gedreht?

Sowohl als auch. Ich bin mit der Kamera rausgegangen und habe für das Making Of selbst gedreht, habe mir dann aber auch ein Thema gesucht, das ich gerne im Wechsel der Jahreszeiten betrachten wollte, bei dem ich mich davor jedoch null auskannte. Das waren die Bienen. Dann habe ich mir einen Imker gesucht, der auch ehrenamtlich mitgemacht hat und der reizenderweise fünf seiner Bienenvölker zur Verfügung gestellt hatte. Diese Bienenvölker abenteuer-lerchenberg3waren also Leihgaben. Und dann habe ich es mit Hängen und Würgen  organisiert, dass man diese Bienenvölker auf das Dach des ZDF stellen durfte, denn das ist ja immerhin eine Anstalt und es gibt für alles ein Formular, und zudem sah man eine riesige Gefahr für die Parabolantennen. Aber es hat geklappt und dieser Bereich war mir sehr neu. Für die Aufnahmen im Bienenstock habe ich mir für die Innenaufnahmen aus dem Bienenstock professionelle Hilfe gesucht. Einer dieser drei Naturfilmer, die mit im Projekt waren, hat mich mit seiner speziellen Kamera und Ausrüstung unterstützt, mit denen man - wie mit einem Schnorchel in die Waben gehen kann - und vor allem für die High Speed-Aufnahmen, also diese extrem verlangsamten Flugaufnahmen.

Das haben Sie jetzt alles gelernt?

Ja, auch wie man mit Bienen umgeht - und wann man sich ihnen besser nicht nähert. Natürlich  ist man da auch sehr naiv ran gegangen. Auch mit den Käfern. Wir hatten Unterstützung von Biologen und das dauerte natürlich auch sehr, sehr lange. Tage und Wochen, weil es war ja nur in der Freizeit möglich. Da viele Aufnahmen tagsüber entstanden sind, hat man sich halt Urlaub genommen. Aber wir kamen da nicht mehr aus dem Staunen heraus, was da alles kreucht und fleucht und die Biologen waren ganz begeistert. Wir haben sogar über 60 Vogelarten katalogisiert.

Sehen Sie die Welt vor der Haustüre jetzt mit anderen Augen?

Ja. Die vor der Haustüre schon. Ich gehörte zwar immer zu denen, die Natur sehr verehrt und geschätzt haben, ich liebe es in der Natur zu sein und sehe sie als Ruhepol und Energiespender in meinem Leben. Ich wandere auch gerne. Aber wann hat man heutzutage wirklich noch die Zeit, sich auf eine Bank zu setzen und um sich herum zu gucken: Was ist dort?

Sind Sie auf den Geschmack gekommen, Naturdokus zu machen?

Ja, auf alle Fälle. Ich mache auch in meinem normalen ZDF-Leben Filme - aber vor allem über Menschen, und mich fasziniert beides.

Danke für das Gespräch!

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Interview und Foto: Andrea Schramek
Making Of Fotos: Heidi Schade
Im Rahmen von
Cosmic Cine Filmfestival 2015, Zürich.

Weiterführende Filminfos:
Abenteuer Lerchenberg