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brokeback_teaserAuf die Frage "Where have all the cowboys gone?", gibt es endlich eine Antwort. Europas Kritiker klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, da sie scheinbar schon immer der Meinung waren, dass Amerikaner alle nicht so glücklich und heterosexuell sind, wie sie immer tun. Von Patryk Dawid Chlastawa.

 

 

Mitten in der Einöde, kurz vorm Sonnenaufgang, nähert sich ein Lastwagen dem Brokeback Mountain. Ennis Del Mar (Heath Ledger), ein junger, elternloser Rancher, steigt aus. Er ist gekommen um Schafe zu hüten. Jack Twist (Jake Gyllenhaal), ein Möchtegernbrokeback_plakatmacho und Rodeoreiter gesellt sich dazu, getrieben durch familiäre Missstände und Zukunftsängste. Der Lohn ist mies, doch die Bedingungen für Träumer, Mönche und womöglich „echte“ Männer sind ideal.

Schneestürme und tote Schafe

Brokeback Mountain ist ein Ort der Versenkung, der Selbstfindung, inmitten der Naturgewalten. Die Kraft der Natur scheint sich hier gegen die moralischen Vorstellungen unserer Protagonisten zu stellen und fordert Tribut. Fordert Entladung. Der Bauernweisheit, dass nach Regbrokeback2en lichter Sonnenschein folgt, darf man hier jedoch keinen Glauben schenken. Nach den ersten Berührungsversuchen unserer Cowboys, folgen Gewitter, Schneestürme und tote Schafe.
Ang Lee verwebt poetisch die Natur mit der Gefühls- und Gedankenwelt von Ennis Del Mar & Jack Fuckin’ Twist. Würde der Film mit der Abschiedsrauferei am Brokeback Mountain enden, hätten wir einen ungewöhnlichen Hollywood(kurz-)film gesehen. Die restliche Laufzeit fokussiert sich vorwiegend auf das Scheitern der Beiden, als Ehemänner und Väter in ihren Familien. Mit jeweils einem Höhepunkt. Ennis verprügelt kurz vor Sylvester zwei familienfeindlich eingestellte Outlaws. Jack erobert noch kurz vorm Tod seinen Platz als Familienoberhaupt und darf an Thanksgiving den Truthahn schneiden.

Verlierer und Naturmetaphorik

Hollywood verdankt Ang Lee ein neues Image, der altbekannten Spießigkeit. Europas Kritiker klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, da sie scheinbar schon immer der Mbrokeback3einung waren, dass Amerikaner alle nicht so glücklich und heterosexuell sind, wie sie immer tun.
Dass dieser Film zuerst die Europäische und dann die Amerikanische Festivallandschaft eroberte, steht, und dass völlig wertfrei, fest.
Es ist eine Erzählung über Verlierer. Sie beleuchtet oder hinterfragt nicht das Wesen der Liebe. Und wird weder von der rührenden, weil so überaus „männlichen“ Annäherung am Brokeback Mountain, noch durch die Naturmetaphorik besänftigt.
Dieser Blick auf eine intolerante Gesellschaft ist unklar, unzureichend interpretiert. Dass die Blume der Liebe erst durch das Unkraut rundherum zum Vorschein tritt ist klar, nur, wo bleibt hier Wachstum, Blütezeit, Wandlung, oder nüchterner ausgedrückt, die Wendung? Sie fehlt genauso wie Ennis Del Mars Fischfang.

Es gibt keine Cowboys

Die einzige Hoffnung bei Brokeback Mountain ist die Beziehung zwischen dem „verkappten“ homosexuellen Vater und seiner Tochter. Möge diese ein glücklicheres Leben weiterführen. Dem Alkoholiker, äh Verzeihung, dem Melancholiker bleibt nur ein blutbeflecktes Flanellhemd zur Erinnerung. Das tragbrokeback1ische an dem Ende ist, dass alles beim Alten bleibt, ohne dass es jemals anders war. Ennis Del Mar weint nicht seiner verpatzten Chance nach, sondern zerfließt, seit der ersten Filmminute, in Selbstmitleid.
Nicht einmal Jack Twist, der Verführer und Rebell, schafft es, sich gegen das Schicksal der Mutlosen, der Halbstarken und vom Leben geprügelten, aufzulehnen. Zusammengefasst in Ennis, dem Objekt seiner Begierde. Jacks Tod lässt Ang Lee, dem Flashback sei Dank, unbelichtet. Das verstört zumindest ein paar gängige Klischeevorstellungen.
In dem Film gibt es keine Cowboys, weil es keine Helden, keine Märtyrer, keine Kämpfer und keine Gegner gibt. Die vermeintlichen Gegner sind in dem Fall die Beiden Protagonisten selbst. Die Gesellschaft ist nur eine Metapher, eine unbezwingbare Psychose. Den unglücklich Verliebten fehlt es, wie „Der Standard“ so treffend zusammengefasst hat, an einer entschebrokeback4idenden Sache: Selbstakzeptanz!

Sind Cowboys, was ihre geheimen Leidenschaften betrifft, wirklich solche Pantoffelhelden?

Fragwürdiger Realismus

Abgesehen vom fragwürdigen Realismus ist solch eine kommentarlose Anpassung an die Umgebung zwar tragisch, aber nicht „dramaturgisch“ genug. Was mich schlussendlich darin bestätigt, dass Brokeback Mountain seinem Titel gerechter wird als man denkt.
Wirtschaftlich gesehen ist dieses Konzept aufgegangen. Dazu natürlich mein Kompliment. Inhaltlich jedoch ist es ein Gebräu, zwischen einem Mainstreamprodukt und einem Autorenfilm. Vom Geschmack und Wirkung ähnlich der Bohnensuppe am Lagerfeuer. Zuerst freut man sich auf ein rustikales Erlebnis, dann wünscht man sich aufs Sehnlichste eine andere Kost und verbleibt bis zum Schluss mit Blähungen. Oder, um es in Jack Twists Worten zusammenzufassen: „You know friend, this is a god damn bitch of an unsatisfactory situation.” (Patryk Dawid Chlastawa)

Filminfos:
Brokeback Mountain
Bewertung: @@
Im Verleih von Tobis
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USA / 2005 / 134 min
Regie: Ang Lee
Darsteller: Heath Ledger, Jake Gyllenhaal, Anne Hathaway, Michelle Williams, u.a.
Autor: Larry McMurtry nach Annie Proulx

CD-Tipp:
Brokeback Mountain Soundtrack
u.a. mit Rufus Wainwright und Teddy Thompson
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Musik: @@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Verve/Universal (2005)