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Die neue Komödie von Altmeister István Szabó lebt von den Möglichkeiten großer "Schauspielkunst" als Gegenwelt zum falschen Spiel eitlen "Repräsentationsgehabes" im so genannten wirklichen Leben. Von Stephanie Lang.

Der erfahrene Schauspielführer, István Szabó, der für seinen Film "Mephisto" mit Klaus Maria Brandauer 1982 einen Oscar gewann, bleibt seinem Thema treu - er gewährt uns Einblick hinter die Kulissen der Bühnenkunst. Ob er uns in die Welt der Oper entführt - wie im Film "Zauber der Venus" mit Glenn Close - oder in der Welt des Londoner Theaterdistrikts West End - wie in seinem neusten Film "Being Julia" - es stellt sich immer die Frage: wo beginnt das Spiel und vor allem, wo endet es?! Wo spielen sich die wahren Dramen ab: auf oder hinter der Bühne bzw., ab wann wird eine Geschichte zu einem "Drama"!?

Sein oder Schein - wo ist hier die Wirklichkeit?!

Durch die liebevoll gestaltete Ausstattung von Luciana Arrighi, befinden wir uns mit allen Sinnen im London des Jahres 1938. Mit einem klassischen Anfang beginnt die klassische Geschichte eines klassischen Films: eine alternde weibliche Theaterdiva - großartig verkörpert von der für den Oscar nominierten und mit dem goldenen Globe ausgezeichneten, Annette Bening, - macht ihrem Produzenten und damit gleichzeitig ihrem Ehemann eine Szene. Sie fühlt sich erschöpft, ausgenutzt und leer. Er, ihr Partner, - wunderschön hintergründig gespielt von Jeremy Irons - erklärt ihr, gezwungen durch die Zeitpläne der Finanzierungen und durch die Ansprüche des Publikums, ihrer Situation genauso machtlos gegenüber zu stehen, wie sie.

Bisher hat die Schauspielerin, Julia Lambert, als leuchtende Projektionsfläche für große romantische Gefühle glänzend funktioniert. Das Gebot ihres verstorbenen Regisseurs und Mentobeing_julia_plakatrs, "niemals die Welt da draussen" an sich heran zu lassen, begleitet sie ständig. Doch jetzt reicht ihr die distanzierte Anerkennung ihrer Bewunderer nicht mehr aus - ein Bedürfnis nach persönlichem Glück, nach eigenem Erleben entsteht. Sie begegnet im Hause ihres Gatten einem jungen Mann, der sie zutiefst bewundert und auch begehrt, obwohl er im Alter ihres Sohnes ist. Dieser smarte Amerikaner - sehr glaubhaft, Shaun Evans, - schafft es, sie für sich zu gewinnen, und ihre Begehrlichkeit nach ihm zu wecken. So entrollt sich eine Kette von Ereignissen, die der über 40-jährigen Diva wieder Zugang zum Leben außerhalb der Bühne verschaffen. Im guten wie im schlechten, denn plötzlich werden ihre Gefühle existenziell. Sie verliert ihre bisher gekonnte Spielfähigkeit, da sie von wahrer Leidenschaft ergriffen wird.

Doch wie kann es anders sein, auch diese wirklichen Gefühle nutzen sich ab - bei allen Beteiligten. Der Reiz der Widerspiegelung in den glänzenden Augen des entzückten Gegenübers verliert seine Wirkung. Wiederholungen stellen sich ein, Existenznöte und Gewinnsucht werden zur Triebfeder, womit wir als letzte Konsequenz wieder bei den Aufführungen auf "den Brettern, die die Welt bedeuten" angekommen wären: Geschichten finden einen Autor, dieser einen Produzenten, welcher sich auf die Suche nach den dazu passenden Darstellern macht.
being_juliabeing_julia1Ob dramatisch oder komisch - die Bühne und das Kino, bleiben Orte, der lustvollen spielerischen Enthüllung menschlicher Schicksale. Die Entwicklung der eigenen Genussfähigkeit unabhängig von allen Machenschaften, bleibt die Aufgabe jedes Einzelnen - wie es uns der Regisseur, István Szabó, in der letzten Szene wundervoll durch seine Hauptdarstellerin, Annette Bening, begreifen lässt. (Stephanie Lang; 2005)

Filminfos:
Im Verleih von CONCORDE-Film

Länge: 105 Minuten
Regie: István Szabó
Drehbuch: Ronald Harwood
Kamera: Lajos Koltai, A.S.C.
Schnitt: Susan Shipton
Musik: Mychael Danna

Darsteller:
Annette Bening
Jeremy Irons
Shaun Evans