Lisa Fertner ist Effi Briest

Das letzte Mal Theater bevor die Türen aller Kulturstätten wieder geschlossen sind. Das macht Angst, vor und auf der Bühne. Die Angst ist es, die Effi Briest nie zur Freundin wurde. Zu Allerheiligen konnte das Stück der Unerlösten im Off Theater noch stattfinden.

Effie Briest und ihr fremdbestimmtes Leben

Nach dem Roman von Theodor Fontane handelt Effi Briest von dem Leben einer Zwangsverheirateten, deren Lebenslust durch gesellschaftliche Konvention und damit einhergehender Einsamkeit gebrochen wird. Ihre eigene Ratio erklärt der 17-jährigen Effi Briest, sie solle doch zufrieden sein mit ihrem fremdbestimmten Leben. Ein Baron hat sie gewählt, Ansehen und Status sind ihr so sicher. Die Frage der Liebe ist zweitrangig, die der großen Liebe nichtig. „Jeder ist der Richtige“, wenn man erst einmal gelernt hat dort hinzupassen, wo das Leben einen hingesetzt hat. Doch die Sehnsucht nach warmen Gefühlen umarmender Verbindung erlaubt ihr sich einer Affäre hinzugeben, die ihr Jahre später alles nehmen wird. Die Ehe, das gemeinsame Kind und das Leben, das sie sich nie ausgesucht hat.

Das Feuer im Naturkind

In der Corona-tauglichen-Inszenierung von Falco Blome darf Effi Briest ihre Geschichte selbst erzählen. Der Schauspielkunst mächtig zeigt Lisa Fertner ein junges Kind mit erwachsenen Lasten, die sie in einem immer weilenden Schwellenzustand gefangen halten. Nirgends hingehörig, nirgends aufgehoben und als einzige treue Besucherin: die Furcht. Viel Platz in dieser Welt für ihr wahres Wesen bleibt dem Mädchen in der Frauenrolle nicht. Zwischen Piano und Fauteuil bleibt nur ein wenig Raum, sich mit den Gegebenheiten ihres Lebens zu arrangieren. Und als das selbsternannte Naturkind das feurige Haar öffnet, sich die Lippen Signalrot färbt, begeht sie den größten Fehler. Sie wird sich ihrer Reize und ihrer Lust bewusst. Nur so wird ein Fräulein zur Gefahr und bringt das Unheil.

Filtermembran und Oberflächenschutz

Nun hat dieses Stück alles: die Angst, die Lust, die Schuld, die Liebe, den Schmerz, das Leben und den Tod. Und trotz der beinahe astreinen Soloperformance von Lisa Fertner fehlte doch dieser Funke Magie. Dieser Moment im gemeinsamen Raum des Spielsaals, in dem sich all diese Momente in einen einschreiben, in dem das Mitleben passiert. Ohne Frage hängt dieser Tage etwas in der Luft. Hat es sich nun zu einem Filter geformt, der viel mehr das Spürbare abhält, als das Unsichtbare? Da draußen wollen wir nicht mehr berührt werden, und womöglich wurde an diesem Abend dieser Wunsch mit ins Theater getragen.

Das theatrale Spiel darf sein, doch die nuancierte Kritik in der Interpretation wurde vermisst. Auch wenn die Natur der Effi Briest ein lebensfrohes Kind ist, das stampft und springt und plappert, so ist sie vor allem Freigeist. Es ist nicht die Naivität, die sie auszeichnen müsste, sondern ihre Fähigkeit die engen Grenzen zu erkennen. Wer diese Freiheit jenseits ahnt, dem wird eine alte, freie Seele innewohnen. Und diese hätte durchblitzen dürfen, um der Figur eine wahrnehmbare Tiefe zu geben. //

Text: Greta Kogler
Foto: Altstadttheater Ingolstadt

Kurz-Info:
Effi Briest @ Das Off Theater
Gastspiel des Altstadttheaters Ingolstadt
Kritik zur Aufführung am 1.11.2020
Mit Lisa Fertner
Inszenierung: Falco Bolme

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