Heile mich; Foto: Stefan Hauer

Hoher Körpereinsatz, Emotionalität, Einbindung der eigenen Geschichte, Musik als tragendes Erzählmoment - all das zeigt das aktionstheater ensemble in "Heile mich".

Heile mich - wovon?

Die Conditio Humana im Trialog - skurril, schonungslos, berührend. Der Mensch ist ein soziales Tier. Wird es isoliert, verkümmert es, wird sprachlos, kann sogar sterben. Was aber, wenn diese Isolation inmitten von Menschen passiert? Wenn Kommunikation nicht Austausch und Zusammenfinden bedeutet, wie der Begriff eigentlich nahelegt, sondern Monolog, das Bemühen um Aufmerksamkeit und Zuwendung ohne Wahrnehmung des/der anderen?

Drei Frauen - drei Extreme - drei Haustiere

Susanne Brandt, Isabella Jeschke und Kirstin Schwab triangulieren in "Heile mich" als Susanne, Isabella und Kirstin. Depressiv, extrovertiert und intellektuell entsprechen ihnen ihre Haustiere: tote Katze, Eichhörnchen und Gottesanbeterin. "Das habe ich gesagt, stimmt's Isabella, das hab' ich doch gesagt!“ Susanne kennt Emotionen nur aus der Vergangenheit. Vor dem Tod ihrer Katze Friedl hatte sie noch ein Gefühlsleben, freute sich auf Schnurren beim Heimkommen. Jetzt empfindet sie nichts mehr - auch Demo-Beteiligung hilft da nichts - Themen und Menschen bleiben ihr fern. So muss sie sich ständig rückversichern, ob sie denn noch existiert.

"Was liebst du an mir?"

Isabella ist am Irrsinn vorbeischrammendes Glückseichhörnchen mit Hang zur Destruktion über die Frage "Was liebst du an mir", Lügenvorbeugung durch Kontrolle, gebeutelt von Selbstzweifeln, das ganze von hyperaktivem Kaugummikauen und Wohnungsschlüssel-Sammeln begleitet. Sie hat kein Haustier, sie ist eines, in den Beziehungen, die sie eingeht. "Das kenn‘ ich auch": Kirstin wiederum setzt in "Heile mich" auf Wissen, jettet durch die Welt zu Vorträgen und Konferenzen, oder auch mal zur Erholung durch Ayurveda. Nähe findet sie aber nicht. Ihr Wissen bleibt ihr, auch wenn sie es gerne teilen würde - was sie vorschlägt, prallt an den anderen ab. So wendet sie sich dem Publikum zu. Diesem liefert sie sich ganz zum Schluss auch völlig schutzlos aus.

Conditio humana = Einsamkeit?

Alle drei Protagonistinnen reden aneinander vorbei. Wird etwas vom Gesagten der anderen aufgegriffen, dann nur als Aufhänger, um die eigene Geschichte zu erzählen, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, die anderen auszugrenzen - dazu dient auch vermeintlich freundschaftliche Beziehung - so funktioniert Kommunikation definitiv nicht! Dun Field Three (Andreas Dauböck, Klaus Hämmerle, Michael Lind) singt wiederholt die Botschaft "The future is already gone“, prägt mit düster-dichten Klängen die Atmosphäre. Begleitet wird die Band von zwei Front-Sängern, Ernst Tiefenthaler und Emanuel Preuschl, die gleichzeitig das Setting vervollständigen, als im eigenen Rhythmus gefangener, anwesend-unbeteiligter männlicher Anteil der Gesellschaft. "Die Zukunft ist schon vorbei", singt also Dun Field Three. Vielleicht geht es ja um Gegenwart, Präsenz, Face-to-Face-Kommunikation und Zeit zum Zuhören? "Heile mich" ist ein brillantes, sich in allen Teilen ergänzendes Stück von aktionstheater ensemble Regisseur Martin Gruber und Dramaturg Martin Ojster, hervorragend fürs Jahr 2020 passend, einer - oft besinnungslos - zur Besinnung aufrufenden Zeit. //

Text: Ruth Kanamüller
Fotos: Stefan Hauer

Heile mich Szenenfoto: Stefan Hauer Termine:
Heile mich
29.1.2020 (Premiere), 30. und 31.1., 1. und 2. 2. (jeweils 19:30 Uhr) im Werk X (Wien)
Kritik zur Uraufführung am Spielboden in Dornbirn am 3. 12.2019