Das Aktionstheater Ensemble lädt im Werk X zur Kunstlounge Salon d’amour. Das zweimal jährlich kreierte Programm zeigt diesmal unter dem Motto "Summertime" grazile Badenixen, die für die Kunst ins kalte Wasser springen. Dazu laute und lyrische Lesungen, musikalisch untermalt von Metal bis Chanson, begleitet von Texten über wunde Pimpel und gut gewürztes Gulasch. Willkommen zu einem Theaterabend, der keiner ist.

In der Mitte der Bühne befindet sich ein Pool gefüllt mit fünf Aktionstheater Schauspielern im Badeanzug und einer gelben Luftmatratze. Ringsherum auf Klappstühlen und Strandhandtüchern ausgebreitet, die anderen Künstler des Abends. Im Foyer vor Beginn der Vorstellung ruft Regisseur Martin Gruber dazu auf, jeder solle sich einen Drink holen und diesen mit in den Saal nehmen, schließlich handle es sich nicht um eine Theateraufführung. Das Publikum sitzt also mit Spritzer und Makava in der Hand da, als Gruber beginnt am Bühnenrand laute Lyrik zu schmettern.

Die Grenze zum Geschmacklosen rückt für humorloses Publikum bedrohlich nah

"Anarchisch, bissig, unterhaltsam, immer an der Grenze zum Peinlichen", so beschreiben Intendant Martin Ojster und seine Kollegen das Konzept ihrer Kunstlounge. Seit 15 Jahren scharrt der Salon d’amour gleichgesinnte Performance-KünstlerInnen unterschiedlichster Disziplinen um sich, die zusammen über das aktuelle Zeitgeschehen "abkotzen" - wie Martin Gruber es formuliert. In den zwei Stunden der miteinander verschwimmenden Soloauftritte, wird subtile und weniger subtil verpackte Kritik an Österreichs jüngster Politikgeschichte geübt. Die Grenze zum Geschmacklosen rückt für humorloses Publikum bedrohlich nah, wenn Schriftsteller Stephan Eibel Erzberg von "Arschlöchern mit Gesicht" erzählt und Künstlerin Ona B. aus ihren makabren Schundnovellen vorließt. Überschritten wird diese jedoch nie - zumindest nicht unwiderruflich. Denn die Gemüter werden spätestens beruhigt, wenn die Badenixen mit wenig Wassererfahrung zur wunderbaren Musik von Andreas Dauböck und Nadine Abado ihre meditativen Kreise ziehen.

Auch ein Arschloch hat ein Gesicht

Für wen der schwarze Humor von Erzberg und Ona B. zu düster ist, für den spielt die Akrobatin und Clownfrau Martha Labi ein Ständchen auf ihrer Nasenflöte oder macht einen - nein, das ist kein Tippfehler - Topfstand. Auf den Kopf gestellt wird auch unser Glaube an die Menschheit, als Janea Hansen in ihrem Poetry Slam sexistische Facebook-Kommentare zitiert. Sie schreibt von stinkenden Männerwitzen, die sie genau so ankotzen, wie die Kommilitonin, die ihr Leben so gut im Griff hat, dass sie um acht Uhr morgens bereits mit frisch gewaschenem Haar in der Vorlesung sitzt. Dass das reale Leben nicht immer nach Rosen duftet, sondern auch mal nach dem beißenden Rasierwasser und faulen Sprüchen des neuen Bundeskanzlers stinkt, wird im Salon d’amour für keinen Moment vergessen. Um es mit Stefan Erzbergs Worten zu sagen: "Auch ein Arschloch hat ein Gesicht". Und das muss eben manchmal rasiert werden.

Ein wenig Revolution liegt in der Luft, als Moderator Alexander Tschernek den Philosoph Richard P. Gruber zitiert und seinen Zuhörern rät, das Arbeiten einfach komplett sein zu lassen. Oder wenn Martin Gruber einen Slogan der von Ona B. gestalteten Anti-Kapitalisten Poster zitiert: "Leute lasst das shoppen sein - steckt die Sachen lieber ein!" Man wäre dann gern Teil dieser zusammengewürfelten Konstellation namens "Kunstlounge". Und für einen Moment kommt der Gedanke auf, sich auf die gelbe Luftmatratze zu legen und mit treiben zu lassen. Das Bühnenbild des Stücks "Homohalal" ist dieses Mal die Kulisse für den Abend, der sonst eher in Kaffeehaus ähnlicher Atmosphäre stattfindet. Eine Inszenierung von Ali M. Abdullah, welche sich das Volkstheater 2016 nicht getraut hatte auf die Bühne zu bringen. Zum Glück fand dieser feucht fröhliche Abend im Werk X statt, sodass keine Worte zensiert und keine Musik abgedreht werden musste. Danke für diesen Nicht-Theaterabend. //

Text: Kim Höbel

Fotos: Gerhard Breitwieser

Salon d’amour

Bewertung: @@@@


Kritik zur Aufführung im Werk X am 1.2.2018
Spiellänge: 120 Minuten




Idee & Konzept: Martin Gruber, Martin Ojster