Am 18. und 19.1.2018 gastierte Max Uthoff mit seinem Programm Gegendarstellung in Linz und in Wien. Der Satiriker stand für ein Interview zur Verfügung.
Kulturwoche.at: Das kapitalistische System mit den Mitteln der Satire aus den Angeln zu heben, ist laut Wikipedia-Eintrag dein hehrer Versuch in den Solo-Programmen. Diesen Grundgedanken führst du auch völlig unsatirisch mit dem Angebot Uthoff für alle! fort, das sich an sozial schwache Personen richtet, die formlos bei dir einen Teil der Eintrittsgelder rückerstattet bekommen können. Welche Erfahrungen hast du mit dieser Aktion gemacht?
Max Uthoff: Gute. Leider spürt man auch bei dieser individuellen, geringfügigen Umverteilung bei den Menschen den Verlust der Würde, den es bedeutet, am kulturellen Leben nicht so selbstverständlich teilnehmen zu können wie alle anderen.
Die größte Konkurrenz eines politischen Kabarettisten ist die Politik. Wirklichkeit und Satire sind in der Politik oft genug nur sehr schwer zu unterscheiden. Warum bist du Kabarettist und nicht Politiker geworden?
Ich persönlich empfinde eine gewisse Genugtuung, wenn das was ich sage, absichtlich zu Gelächter führt.
Dem gleich anschließend: Helmut Qualtinger z.B. zog sich aus dem Kabarett im Jahre 1960 zurück. Er begründete es später mit den Worten, dass diese Form der politischen Kritik, oder der Satire, eigentlich effektlos war. Sie hat nichts Wesentliches verändert. Im Gegenteil, sie wurde anerkannt, es entstand eine Art Vernichtung durch Anerkennung. Welche Einstellung hast du dazu?
Ob ich mir über die Wirkungslosigkeit meines Tuns im Klaren bin? Sagen wir es so: an meinem 50. Geburtstag ist die AfD mit über 12 % in den deutschen Bundestag eingezogen obwohl ich mit einer Flasche Rotwein in der Badewanne lag und eindeutig dagegen war. Ich glaube aber nicht, dass wir wirkungslos sind weil wir anerkannt sind, ich glaube, dass wir wirkungslos sind weil wir ohne Wirkung sind.
Das erste politische Kabarett in Deutschland und eines der ersten deutschen Kabaretts in Deutschland überhaupt waren Die Elf Scharfrichter mit u.a. Frank Wedekind, die bis 1904 aktiv waren. Etwas später kam dann Karl Valentin und (um es stark abzukürzen) noch viel später dann ein Hanns Dieter Hüsch, Wolfgang Heuss, Heinz Erhardt (um nur ein paar ganz wenige zu nennen). Kannst du damit heute noch etwas anfangen und gibt es da welche, in deren Fußstapfen du treten wolltest (bzw. getreten bist)?
Ab und an und vor allem immer wieder liest man etwas bei Valentin, Neuss, Krauss, Beltz u.a., bei dem sich in das Lächeln das Seufzen der Erkenntnis mischt, dass da wieder jemand etwas viel schöner, gescheiter und früher gesagt hat als man selbst. Werde aber trotzdem weiter meine einfachen Nudelgerichte anbieten obwohl schon talentiertere Köche vor mir in der Küche standen (Bemerke gerade die Tendenz, mich aus den Fragen durch kulinarische Metaphern zu stehlen. Memo an mich selbst: Aufpassen!)
Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erreichst du ungleich mehr Leute verglichen zu z.B. im Stadtsaal. Wie sehr beeinflussen Auftrittsorte, das was du sagst und ausformulierst?
Es muss dem Koch egal sein, wie viele Besucher in sein Restaurant kommen, Hauptsache er würzt gut, benutzt frische Produkte und ... verdammt!
Gibst du dir bei Auftritten - quasi dem Ruf der Spontaneität folgend - Platz und Raum für Text-Improvisationen? Gönnst du dir eine Freiheit, indem du die Struktur des Programms lockerst?
Lore Lorentz soll mal sinngemäß gesagt haben, dass Improvisation Textschwäche ist. Stimmt gar nicht. Es ist mehr so... Kennen Sie das? ...Was wollte ich sagen?
Was ist für dich ein absolutes No-Go, wenn du auf der Bühne stehst?
Auf der Bühne geht fast alles, außer vielleicht das, was Louis C.K. in der Garderobe macht. [Die beiden Komikerinnen Dana Min und Julia Wolov gaben an, C.K. habe sich im Jahr 2002 vor ihnen entblößt und masturbiert. Anm.]
Wann ist für dich ein Tag ein geglückter Tag? (Gefragt frei nach Peter Handkes Versuch über den geglückten Tag: ein Wintertagtraum.)
Als geglückt gilt jeder Tag, an dessen Abend ich meine Liebsten unversehrt, mich selbst satt und die Kritik der Vögel von Jürgen und Thomas Roth auf dem Nachttisch weiß.
Was erwartest und erhoffst du dir von 2018 und generell von der Zukunft?
Nicht all zu viel. Den Weltfrieden, ungezügelte Lust und noch zwei Klebekarotten für die Sammelkarte meines Bio-Ladens.
Abschließend bitte ich um ein paar Assoziationen zu folgenden Stichworten/Textzeilen:
I’ll know my song well before I start singin' (Bob Dylan)
Moment, soll das bedeuten, Dylan improvisiert nicht? Lore Lorentz gefällt das!
When god is dead / And money's not enough / In what do you trust (Van Morrison)
In Songs of Van Morrison
Visionen
Wie sagte mein geschätzter Kollege Claus von Wagner? Wer keine Visionen hat, sollte zum Arzt gehen
#metoo
Notwendig, aber eins ist klar: wer nicht vom Kapitalismus reden will, soll vom Patriarchat schweigen. Glück aber eigentlich für Dieter Wedel: in der Zeit, in der man über mutmaßliche sexuelle Übergriffe durch ihn spricht, kümmert sich keiner darum was für ein unfassbar miserabler Regisseur er ist.
Shitstorm
Heißt das bei euch nicht krone.at?
Heimat
Mei, wer's braucht. Es sind die Erinnerungen, Geschmäcker, Gerüche. Der Rest ist Angst.
Und zu guter letzt: Was sind deine Lieblingsalben, Lieblingslieder und Lieblingsbücher, ohne die das Leben für dich ein Irrtum wäre?
Tut mir leid, selbst mit Geschmack wäre das Ganze ein erstaunlicher Irrtum. //
© Interview: Manfred Horak
© Fotos: Michel Neumeister
Live-Tipps:
Gegendarstellung von und mit Max Uthoff
18.1.2018, Posthof, Linz (20 Uhr)
19.1.2018, Stadtsaal, Wien (20 Uhr)
Alle weiteren Termine finden sich auf der Selbstdarstellungsseite von Max Uthoff