path-of-moneyEinen Monat lang sind der Choreograf Daniel Aschwanden und der Dramaturg Peter Stamer den Weg des Geldes quer durch China gefahren. Die beiden Künstler brachten einen 10-Yuan-Schein (umgerechnet ein Euro) in Umlauf und beobachteten seinen Weg. Unter dem gefährlichen Attribut "Performance" versetzten sie das Publikum im Tanzquartier Wien (TQW) für 90 Minuten in einen ungewöhnlichen, beeindruckenden Reisebericht für alle Sinne.

Durch den dichten Nebel leuchten kleine Lampen und Lichterketten als Kompromiss zwischen Sicherheit und Stimmung. Während die beiden Herren mit ihrer Erzählung nach und nach Licht ins Dunkel bringen, werden gebrauchte Klapptische und schlichte Plastikhocker aufgestellt, die Lampen zu den Tischen gebogen. Wie selbstverständlich nehmen alle im Straßenlokal Platz. Auf der einen Seite steht die aus hunderten Blättern zusammengefügte schwarz-weiße Skyline einer chinesischen Großstadt (Raum: Paul Horn und Veronika Barnaš). In der anderen Ecke ist die Straßenküche untergebracht. Für das Nachspielen einiger Geld-Übergabe-Szenen wird daneben schnell noch ein Kiosk eröffnet. Die Darsteller dazu werden aus dem Publikum rekrutiert. Der 50-jährige Lastenträger mit einem Monatsgehalt von 600 Yuan und fünf Problemen (Miete, Ehefrau, der er Geld schicken sollte, Essen, Mahjong-Spielsucht und Rauchen) muss schnell entscheiden, wofür er die 10-Yuan ausgeben will. Der schlecht gelaunte Zigarettenverkäufer am Kiosk ist gar nicht glücklich, dass er jetzt als Besitzer des Scheins in den Mittelpunkt des Interesses der zwei Langnasen rückt, und gibt den Schein rasch als Wechselgeld dem verliebten Architekturstudienabbrecher. Der kauft sich damit in der Straßenküche etwas zu essen und als Belohnung gibt es gemischte chinesische Vorspeisenplatte für alle. Sogar Bier und Wasser werden spendiert. Man genießt die Kochkünste von Xu Jie und pflegt das Tischgespräch.

"Wir bleiben so lange bei Ihnen, solange Sie den Schein behalten."

path-of-money01path-of-money02Auch wenn die meisten Leute dem Projekt sehr höflich entgegenkommen, droht sich die Performance in den kurzen Wegen zwischen den Kleinhändlern zu verlieren. Also wird der Umlauf gestoppt und als neuer Ausgangspunkt mehrere hundert Kilometer weiter die auf dem Schein abgebildete Bergkulisse festgelegt. Den nächsten Stop gibt es wieder als kurzen Film. Eine junge arbeitslose Frau im gelben Pullover, die für ein paar Tage in die Stadt gefahren ist. Zunächst ist sie etwas ratlos, was sie mit den 10 Yuan anfangen soll und was von den drei Männern (ein Übersetzer war natürlich auch dabei) mit der Kamera zu halten ist. Doch eigentlich ist es ganz nett so und auf dem Ausflugsboot wird sich schon eine Gelegenheit finden, das Geld auszugeben. Am Abend sind sie noch immer beisammen und lauschen chinesischen Schnulzen aus ihrem Mobiltelefon. Die  Tränen für ihre unglückliche Liebe zu einem verheirateten Polizisten schluckt die Frau dabei still hinunter. Neun Tage und 1400 km verbrachten sie so. Nicht alle Geschichten können in der kurzen Zeit erzählt werden, die Auswahl richtet den Fokus auf einige markante Details des täglichen Lebens. Daniel Aschwanden und Peter Stamer haben sich dem Projekt ausgeliefert und dabei auch einiges riskiert. Manchmal haben Leute versucht, den Träger des Scheins zu einer bestimmten Investition zu überreden, andere haben das Geld eine Weile behalten und so etwas wie Familienanschluss hergestellt. Insgesamt sind die beiden Künstler 6000 km quer durch die Provinzen gereist. Sie haben gelernt, dass man für 10 Yuan rauchen, essen und Taxi fahren kann. Sie haben festgestellt, dass die Chinesen gerne Unternehmen gründen und sich dafür keine komplexen Business-Pläne ausdenken. Wenn der Schein in anderer Reihenfolge die Besitzer gewechselt hätte, gäbe es im nächsten Jahr vielleicht eine Hochzeit. Unter derlei Überlegungen schiebt sich die Blende ins Taxifenster: to be continued.

path-of-money03Der Abend in der Halle G ist der zweite Teil eines performativen Langzeitprojekts. Auf der Suche nach einem direkten Zugang zu einfachen Leuten in China bringen die zwei Künstler das Land Stück für Stück näher. Für den dritten Teil, der im Sommer 2010 in der Szene in Salzburg stattfinden wird, wollen sie auch einige ihrer neuen Bekannten nach Europa einladen. Derzeit bemühen sie sich über die Distanz Kontakt zu halten, der schon durch den Wechsel der Telefonkarte in unüberwindbare Ferne entschwinden kann. (Text: Christine Koblitz; Fotos: TQW, Christine Koblitz)

Infos zum Stück:
The path of money
Konzept, Performance und Regie: Daniel Aschwanden und Peter Stamer
Bewertung: @@@@@1/2
Spielort und alle Termine: TQW Halle G