Über die Drogen- und Kinderlieder und dem Weihnachtslied von Paul McCartney.

Weil in Teil 1 unserer McCartney Stations Serie die Rede von Drogen (Verhaftung in Japan 1980) und auch sein Weihnachtslied zumindest erwähnt wurde, vertiefen wir uns in Teil 2 dieser Thematik, erweitert durch Kinderlieder aus dem Hause Paul McCartney, alleine, um das unglaublich große Spektrum seiner Fähigkeiten als Songwriter wieder einmal sichtbar zu machen.

Hi, Hi, Hi

Wenn man im reichen Songkatalog von Paul McCartney stöbert, finden sich freilich auch einige Genrelieder, z.B. solche für das Zielpublikum ganz junger Menschen, also für die Kinder dieser Welt. Für ungleich mehr Aufmerksamkeit sorg(t)en allerdings jene Songs, die der Kategorie Drogensongs zuzuordnen sind, vor allem dann, wenn die BBC ein Lied von Paul McCartney auf den Index setzte. Die rockige Single-A-Seite "Hi, Hi, Hi" von Dezember 1972 ist z.B. so ein Fall. "Aufforderungen zum Drogenkonsum und unerwünschte sexuelle Handlungen" lautete die Begründung u.a. aufgrund der Textzeile "We're gonna get hi, hi, hi" bzw. für die Zeile "get you ready for my body gun", dass die BBC das Lied nicht spielte. Dem Publikum war es egal, die Single landete in den Charts auf Platz 5 (GB) bzw. auf Platz 10 (US). Und Paul McCartney nahm es offenbar auch locker, und meinte nur: "The BBC got some of the words wrong. But I suppose it is a bit of a dirty song if sex is dirty and naughty. I was in a sensuous mood in Spain when I wrote it." 2010 nochmals darauf angesprochen, zeigte sich McCartney rückblickend dann doch erstaunt und verglich sein "Hi, Hi, Hi" mit Bob Dylans "Rainy Day Women #12 & 35", als er sagte: "Look at Bob Dylan, 'everybody must get stoned.' It was like, 'Ooh, does he mean you get high? Or does he mean getting drunk?' So there was that ambiguity and I assumed the same would apply to me." Und auch recht aktuell, 2018 nämlich, dachte der Sir laut über die Verbannungsmaßnahme der BBC nach: "A lot of people were getting high, so to me it was just like a fantasy song, sort of saying, 'Hey girl, come on let's get high.' It was just about the times. It's very much a period piece, but it goes down well."

Happy With You

Bleiben wir gleich in der Gegenwart, denn auch auf "Egypt Station", dem jüngsten Album von Paul McCartney, gibt es mit dem Song "Happy With You" ein Lied, das von des Sängers Drogenerfahrungen handelt. "I sat round all day / I used to get stoned / I liked to get wasted / But these days I don't", singt er darin und spielt auf die unmittelbare Zeit nach dem Ende von The Beatles an. "I was bummed out and in the middle of this horrendous s--t where someone was going to take every penny we'd ever made. That wasn't easy and led to a very difficult time in my life. I definitely self-medicated there and drank more than I ever had and probably more than I ever have since. But you go through it." Es ist ein recht einfacher melodiöser akustischer Song, mit elektrischer Gitarre aufgemotzt und im Fairchild komprimiert. McCartney greift also in "Happy With You" auf klassische Beatles-Techniken zurück, wenn er sich an seine Drogen- und Alkoholerfahrungen erinnert. Und dann gibt es natürlich noch den Wings-Klassiker "Band on the Run" vom gleichnamigen Album (1973). Wobei das Lied auf die Kriminalisierung anspielt, die Paul McCartney - aber auch Bands wie The Eagles oder The Byrds - aufgrund der Drogenerfahrungen widerfuhr. "We're not criminals. We just would rather do this than hit the booze - which had been a traditional way to do it. We felt that this was a better move."

Rocksong für Kinder, oder:
Everybody singing
La, la, la, la, la, la, la, la, la, la, la, la, la

Weit zurück in die Traditionskiste griff Paul McCartney, als er zwischen den zwei von der BBC auf den Index gesetzten Singles "Give Ireland back to the Irish" und "Hi, Hi, Hi" das Kinderlied "Mary had a little Lamb" veröffentlichte. Erstmals erschien der Kinderreim 1830 und Thomas Alva Edison nahm das Gedicht 1877 auf seinem Phonographen auf. Bevor McCartney seine eigene Melodie für die Single-Veröffentlichung 1972 aufnahm, griff bereits der Bluesmusiker Buddy Guy dieses Thema in einer eigenen Version 1968 auf, die wiederum Stevie Ray Vaughan für sein Debüt-Album 1983 coverte. Die McCartney Version kam hingegen bei Kritikern gar nicht gut an, wurde, höflich formuliert, belächelt, erreichte aber dennoch eine Top-Ten Platzierung in den Charts. Das Musikmagazin Rolling Stone wiederum reihte McCartneys "Mary had a little Lamb "unter die 12 schräg-seltsam-sonderbarsten Songs von ihm ein, um the mad-genius side of the silly-love songsmith zu entdecken, was also positiv gemeint war. Ja, und warum auch nicht? Eine naive Melodie mit psychedelischen Ansätzen, und im Chor singen die McCartney Kinder. Mehr braucht es nicht, um ein kurzweiliges Rock-Lied für Kinder zu schaffen.

Kleiner Song mit Monster Arrangement

Am 31. Oktober und 3. November 1980 nahm Paul McCartney in den Londoner Air Studios ein weiteres Kinderlied auf. Ein Song, der gleichermaßen von Kritikern und vom Publikum gut angenommen wurde. Die Rede ist von "We all stand together", das ein einziges tierisches Vergnügen ist und 1984 bis auf Platz 3 in den britischen Charts hochkletterte. Im Jahr darauf erhielt Sir Paul bei den Ivor Novello Awards die Auszeichnung für den besten Filmsong des Jahres. Ein weiteres Jahr danach stand das Video auf der Shortlist des besten Musikvideos bei den Grammy-Awards. Paul McCartney wunderte sich darüber und meinte: "Es ist schon komisch, Dinge, die du einfach so hinlegst, sind manchmal die grössten." Aber eigentlich hätte er sich nicht wirklich darüber wundern müssen, denn "We all stand together" war die erste Zusammenarbeit von Paul McCartney und George Martin seit "Live And Let Die" (1973). Die musikalische Wirkkraft dieses Kinderliedes geht eindeutig auf das Arrangement von George Martin zurück. Sein Arrangement ist nämlich der eigentliche Song. Das Lied basiert - ähnlich wie "Mary had a little Lamb" - auf altbekanntes, nämlich auf Ruppert, dem weißen Bärenknaben. Erstmals erschien die Geschichte als Comic am 8. November 1920. Aufgrund der Popularität erschienen in Folge auch Bücher und in den frühen 1970er Jahren sogar eine Fernsehserie. Die McCartney Familie war von Ruppert begeistert und Sir Paul kaufte sich die Filmrechte und schrieb einen Song dazu, oder, wie er es formulierte: "Ich hatte gerade diesen kleinen Song und George Martin nahm ihn mit und bastelte ein Monster Arrangement drumherum." George Martin engagierte die Academy of Saint Martin in the field unter der Leitung von Kenneth Sillito. Die Chorpassagen übernahmen die renommierten King's Singers, der Knabenchor wiederum war der St. Paul's Boy Choir von der Londoner St. Paul's Cathedral. Heraus kam ein exzellentes Stück, das eigentlich der Klassik zuzuordnen ist und dennoch seine popmusikalische Wirkung nicht verfehlt. Im Gegenteil.

Vaudeville, Jazz und Exotik: Das Lied von der tropischen Insel

Imagine a land where all the animals are free - und dann schrieb Paul McCartney sein eigenes Kinderbuch. "High In The Clouds: An Urban Furry Tale" (2005) handelt von der Geschichte eines Eichhörnchens, das auf der Suche nach einem Ort namens Animalia ist - einem Land, in dem alle Tiere frei und in Harmonie leben können. Wirral the Squirrel muss im Wald vor Jägern fliehen. Gemeinsam mit dem Frosch Froggo gelingt es Wirral im Heißluftballon zu fliehen. Sie werden vom Wind über das Meer getrieben und landen schlussendlich auf einer Insel, die ausschließlich von Tieren bevölkert ist. Und dort wird schließlich der "Tropic Island Hum" gesungen. Paul McCartney nahm dieses Lied an vier Tagen im Dezember 1987 auf, fertiggestellt und mit Overdubs versehen wurde es allerdings erst im September 1994. Bis es zur Erstveröffentlichung kam, dauerte es allerdings nochmals zehn Jahre. Grund dafür war der Tod von Linda McCartney am 17. April 1998. "Tropic Island Hum" wurde schließlich 2004 als Limited Edition Single mit gelbem Vinyl veröffentlicht. Die B-Seite celebrating the 20th anniversary of 'We All Stand Together' während die A-Seite eine lebhafte und fröhliche Tierparty zum Besten gibt und dabei verschiedene Musikstile wie Vaudeville, Jazz und exotische Rhythmen vereint. An die Qualität von "We All Stand Together" kommt "Tropic Island Hum" nicht ran, aber es ist was es ist, eine klingende Magie in all seiner Fröhlichkeit und Ausgelassenheit.

Wonderful Christmastime

Zu guter Letzt wenden wir uns noch dem McCartneyschen Weihnachtslied zu. Ein Lied, das eigentlich eh jeder kennt bzw. kennen sollte, denn so wie man "Happy Xmas (War is over)" von John Lennon und Yoko Ono, "Do They Know It's Christmas" von Band Aid und "Last Christmas" von Wham! Jahr für Jahr in der Weihnachtszeit hört, so kommt man auch an den Song von McCartney nicht vorbei. Während die zwei erstgenannten politisch moralische Lieder sind und "Last Christmas" ein Trennungslied ist, so ist "Wonderful Christmastime" das, was der Liedtitel bereits verspricht: pure Lust und Freude, quasi Positivismus bis zum letzten Ton, oder, wie es gleich in der ersten Strophe heißt: "The mood is right, the spirit's up / We’re here tonight and that's enough / Simply having a wonderful christmastime". Schwache Leistung von McCartney, sagten die Kritiker, dennoch (oder vielleicht sogar gerade deshalb) listet die American Society of Composers, Authors and Publishers (ASCAP) das Lied 2006 auf einer Liste der 25 am meisten gespielten Weihnachtssongs. Zudem war es das neueste Lied auf dieser Liste. Durch die zahlreichen Coverversionen und das konstante Airplay zur Weihnachtszeit erhält McCartney zwischen 400.000 und 600.000 US-Dollar an Tantiemen jährlich. Damit hat er bereits weit mehr als 15 Millionen US-Dollar mit diesem Lied verdient. Das, nur mal zu verdeutlichen, was selbst „eine schwache Leistung von McCartney“ wert ist. Chris Chase von USA Today versucht in einem grottenschlechten Artikel zu beschreiben, warum Paul McCartney's "Wonderful Christmastime" das schlechteste Weihnachtlied aller Zeiten ist. Na ja, wie auch immer. Paul McCartney jedenfalls spielt alle Instrumente bei dem Song selbst, besonders auffallend dabei sind die ko(s)mischen Synthesizer-Sounds, und letzten Endes ist es halt der Versuch stressbefreiend zu wirken. Das Lied gibt es nun seit Weihnachten 1979 und auch wenn man dem Lied durchaus das Produktionsalter anhört, hat es die Gabe, nicht zu nerven, so oft man es auch hört. Man darf annehmen, dass es damit zusammenhängt, wie Paul McCartney prinzipiell ans Liederschreiben rangeht, oder, wie er es einmal formulierte: "Musik ist ein Vehikel für Traurigkeit - aber auch für höchste Freude. Und wenn es uns gelingt, beide Extreme zusammenzubringen, entsteht klingende Magie." //

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Text: Manfred Horak
Foto: Tropic Island Hum (Filmstill)

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