mit den Schlagworten:

baker_chet_75th_birthday_celebrationMusik: @@@@@@
Klang: @@@@@@

Label/Vertrieb: Prestige/ZYX (2005)
 

Dem großen und sentimentalen Helden der Jazzgeschichte gewidmet ist dieses umfassende Set mit (fast) allen seinen wichtigen Einspielungen. Seine schwierige Persönlichkeit und seinen musikalischen Werdegang beschreibt Marcus A. Woelfle in einem umfangreichen Booklet sehr einfühlsam.

Chet Baker, der Mann mit der Tendenz zur Selbstzerstörung, war immer von Selbstzweifel geplagt. Er, der mit seinem sanften, weichen Trompetenton viele Menschen die mit Jazz nichts am Hut hatten für diese Musik begeistern konnte, und Dank seines knabenhaften, androgynen Aussehens zur ersten wahren Ikone der Gay Community wurde genierte sich, laut Miles Davis, für den Sieg, als er vom Fachmagazin "Down Beat" im Jahr 1953 zum besten Trompeter gewählt wurde. Ihm wurde vorgeworfen er würde vor allem die schwarzen Jazzer plagiieren. Ihm wurde ebenfalls vorgeworfen, er würde den Ruhm ernten der anderen zustehen würde. Dieser lebenslange Selbstzweifel und die nicht immer von Zwängen und Repressionen freie Kindheit und Jugend könnten ein Erklärungsansatz für seine Flucht in die Drogen sein.

Er spielte wie ein Engel

Seine Musik zeichnete sich durch eine fast jenseitige Schönheit aus die mit der Realität nichts zu tun hatte. So dachte man lange, so lange bis sein Strafregister, vor allem wegen Drogenmissbrauchs kam er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt, bekannt wurde. Dann plötzlich erspürten die Hörer auch die "dunkle Seite" des Mannes an der Trompete, fühlten die Getriebenheit und die Rastlosigkeit des Outlaws. Chet Baker war, vor allem in jungen Jahren, nicht der alles überragende Virtuose auf der Trompete, er hatte aber, auch weil ihm ein Schneidezahn fehlte, einen ganz speziellen Sound entwickelt der ihn von allen anderen Trompetern seiner Zeit abhob. In späteren Jahren änderte sich der Sound, er wurde tiefer, dunkler, geheimnisvoller. So wie er trotz des fehlenden Zahns spielte, erlernte er auch nach einer Prügelei, bei dem ihm auch noch weitere Zähne ausgeschlagen wurden, das Trompetenspiel zum zweiten Mal, diesmal eben mit dritten Zähnen. Sein Ton klang danach als ob die Luft auf einer Wolke herbeischweben würde und fast körperlos entlockte sie seinem Instrument die Töne.

Liebe oder Sex in der Vorstadt?

Melancholie, Schmerz und Tristesse wurden in seiner Musik geortet, aber niemand kann sagen, ob es der Realität entsprach oder ob es ganz einfach die nach wie vor technische Unzulänglichkeit und/oder die Art der Tongebung war, die seine Musik für die wahrlich Verliebten bzw. für die Lover aus der Vorstadt so anziehend machte.
Was hier mit einem Satz so abgehandelt wird gibt aber noch immer keinen Aufschluss über das wahre Sein des Trompeters. Sein "James Dean Image" in der Musik lässt sich dadurch nur mangelhaft erklären. Die Wahrheit, seine ureigenste Wahrheit, wird wohl immer im Dunkeln bleiben und genau diese verklärte Sicht der Dinge macht seine unwiderstehliche Anziehungskraft bis Heute aus.
Die Musik von Chet Baker, vor allem sein Zugang zu "seiner" Art der Interpretation, lässt sich ganz einfach nicht erklären.
Der zeitgenössische Rezipient seiner Musik muss schon über ein gewaltiges Emotionsspektrum verfügen um den Sound dieses einzigartigen Trompeters vollinhaltlich genießen zu können.

Einigkeit herrscht nur über sein Genie

Die vielen Facetten die er offenbarte, von Zeitgenossen wird er extrem widersprüchlich beschrieben, vom arroganten bis zum freundlichsten Menschen der Welt, vom Weisen bis zum Verrückten, vom Liebenswürdigen bis zum Hassenswerten, machen ihn ganz einfach unbegreiflich. Allumfassende Einigkeit herrschte nur über sein Genie, um seine Fähigkeit alle und jeden zu bezaubern mit dem Ton seiner Trompete.
Was von ihm blieb ist eine verschwommene Erinnerung und vor allem seine Musik.
Chat Baker starb mit 58 Jahren. Für einen Menschen mit einer derartigen Vita ein nahezu biblisches Alter. (akro)