Festival-Tipp: Jazz Fest Wien 2014

von Manfred Horak mit den Schlagworten:

malia_jazzfestwien2014 Das alljährlich stattfindende Jazz Fest Wien steht wieder in den Startlöchern und geht 2014 zwischen 26.6. und 8.7. mit einigen hochkarätigen internationalen Acts über die Bühnen der Wiener Staatsoper, Porgy & Bess, Jazzland, Miles Smiles, Reigen, Rathaus/Arkadenhof, Wien Energie, sowie bei freiem Eintritt auf der Summerstage und am Rathausplatz. Zuschauen dürfen die Musiker der österreichischen Szene für Jazz- und improvisierte Musik. Die Quote erinnert an den ORF.

Harri Stojka India Express. Markus Gottschlich. Tribal Dialects. Célia Mara. Das war es auch schon wieder, was aus eigenen Reihen beim Jazz Fest Wien 2014 gegen Eintritt zu hören sein wird. Der gute Rest - Clara Blume, Anne Marie Höller & Mario Berger, Ben Sky, Christiana Uikiza - darf bei harri-stojka_jazzfestwien2014 freiem Eintritt bewundert werden. Diesen acht stehen 27 internationale Acts gegenüber. Eine mangelnde Repräsentation der österreichischen Musikszene am Jazzfest Wien, die viele aufregt. So auch Saxofonist Fabian Rucker und Pianist Clemens Wenger, die auf Facebook einen Brief veröffentlichten, in dem sie auf den wachsenden Unmut über die künstlerische Programmierung aufmerksam machen, der unter den Musikern der österreichischen Szene für Jazz- und improvisierte Musik seit einigen Jahren herrscht. "In der gegenwärtigen Musiklandschaft sind Festivals diesen Kalibers Magnete für Publikum und Branche", so Rucker und Wenger. "Man sollte auch in Wien die Chance nicht verpassen das Jazzfest als Sprungbrett für die heimische Szene zu nutzen. [...] Mit diesem Schreiben wollen wir niemanden anprangern, aber sie dazu auffordern mit uns in einen Dialog zu treten um unsere [...] Forderungen so schnell wie möglich umzusetzen." Dezidiert angesprochen fühlen soll sich Stadtrat Dr. Mailath-Pokorny, Mag. Dr. Bernhard Denscher (Leiter MA 7) und Fritz Thom (Jazzfest Wien).

Was gefordert wird

Rucker/Wenger: "Auf der Homepage des Jazzfest Wien wird behauptet: 'Wien wird oft als Welthauptstadt der Musik bezeichnet. Neben Wiener Klassik, Walzer und Oper gibt es hier auch in Sachen Jazz, Blues, Soul, Worldmusic oder Downbeat viel zu entdecken.' Ja, dieser Meinung sind wir auch. Nur können wir den Willen zur Abbildung der hiesigen Szene am Jazzfest Wien leider nicht erkennen.
Deshalb fordern wir:
1) ein zusätzliches, politisch unabhängiges und mit der österreichischen Musikszene vertrautes Kuratorenteam zur Programmierung und Qualitätssicherung mit speziellem Fokus auf heimische Acts
1a) um stilistische und ästhetische Diversität zu garantieren soll dieses Kuratorenteam in gewissen Abständen neu besetzt werden (nach Vorbild Popfest Wien, Jazzfest Berlin)
2) Präsenz der heimischen Acts an denselben Spielorten wie die vom Jazzfest Wien gebuchten internationalen Acts
3) ein gleichwertig angemessenes Werbe- und Marketingbudget für alle Acts des Jazzfest Wien, nicht nur für die Headliner, um der Öffentlichkeit die Programmvielfalt besser zu kommunizieren und darzustellen.
4) ein wie von der Musikergilde Österreich vorgeschlagenes Mindesthonorar von € 550,- pro MusikerIn (exklusive Spesen) für nationale Acts
Das Jazzfest Wien, welches zu einem großen Teil von der öffentlichen Hand getragen wird, muss auch dazu beitragen die österreichische Jazz- und improvisierte Musikszene zu fördern."
Zitat Ende.
Anders gefragt: Was spricht eigentlich dagegen, in z.B. der Staatsoper Doppelkonzerte zu bringen - mit einem österreichischen Act und einem internationalen?
Link: Brief zum Ausdrucken, Unterschreiben, Wegschicken.

al-jarreau_jazzfestwien2014 Jazz at the Opera

Bleiben wir gleich in der Internationalen Oper, die zwischen 1. und 7.7. die Pforten für das Jazz Fest Wien öffnet: Buika (lest dazu unser Interview-Portrait mit der Sängerin), Al Jarreau, Al Di Meola (lest dazu unser Interview mit dem Gitarristen) sind die jazzigen Highlights, The Daptone Super Soul Revue feat. Sharon Jones, sowie Sinéad O'Connor sind freilich ebenfalls zu empfehlen, bei Natalie Cole sollte man zumindest für smoothige Eleganz und große Kitschmomente aufgeschlossen sein und was Pet Shop Boys bei einem Jazz Fest verloren hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Hoch erfreulich jedenfalls, dass Al Jarreau wieder nach Wien kommt, der nach allzu vielen mittelmäßigen Alben in den letzten 10 Jahren wieder zur Hochform auflief - nachzuhören z.B. auf "Accentuate The Positive" (2004), "Givin' It Up" mit George Benson (2006), sowie auf dem mit dem Metropole Orkest veröffentlichten Live-Album (2012), das mit seiner fast schon irritierenden Intensität bei gleichzeitigem spielerischen Umgang pure Freude vermittelt. Ein aktuelles Album gibt es auch, nämlich "My Old Friend: Celebrating George Duke", das mit einer Heerschar an prominenten Musikerfreunden aufgenommen wurde, wie z.B. Marcus Miller, Dr. John, Dianne Reeves, Gerald Albright, Stanley Clarke, und wie sie alle heißen. Ein fast schon monumentales Album, in jedem Fall very sophisticated. Kann ein großer Konzertabend werden.

Große Dinge

Im Porgy & Bess findet jenes Konzert statt, auf das ich mich im Rahmen vom Jazz Fest Wien 2014 am meisten freue, nämlich am 2.7. mit Malia, eine der größten zeitgenössischen Sängerinnen überhaupt. Gemeinsam mit preservation-jazzhall-band_jazzfestwien2014 Yello-Chefelektroniker Boris Blank veröffentlichte Malia das herausragende Jazz-Album "Convergence", da aber Boris Blank keine Live-Konzerte gibt, formierte die Sängerin die Musiker Nis Kötting (Keyboards), Lars Cölln (Guitar), Gerd Bauder (Bass), Michael Pahlich (Schlagzeug) um sich. "Musik muss eine Reise sein, bei der man nicht weiß, wo man ankommen wird", lautet eine Hauptaussage von Malia, und das Album mit Boris Blank zählt für mich zu den absoluten musikalischen Highlights der letzten Jahre. Kurzum: Dringende Empfehlung, sich einerseits das Album zu besorgen und andererseits am 2.7. ins Porgy & Bess zu pilgern. Am 8.7. im Rathaus/Arkadenhof findet schließlich das zweite Konzert statt, das man keinesfalls versäumen sollte: Dr. John & The Nite Trippers feat. Sarah Morrow und die Preservation Hall Jazz Band. Da ich davon ausgehe, dass jeder, der Kulturwoche.at liest, weiß, wer Dr. John ist, konzentrieren wir uns an dieser Stelle auf den zweiten Act des Abends, der Preservation Hall Jazz Band. Viele der Mitglieder der ersten Besetzung spielten noch mit New-Orleans-Legenden wie Louis Armstrong, Jelly Roll Morton und Buddy Bolden. Im Laufe ihrer langen Geschichte hat diese großartig groovende Kombo zahlreiche Popstars begleitet. In den späten Sixties bei Konzerten etwa Grateful Dead, Steppenwolf und Santana, später die Blind Boys Of Alabama auf deren mit einem Grammy ausgezeichneten Tonträger "Down In New Orleans". 2010 setzt man ein Album in die Welt, das dem "Outreach Program" der Preservation Hall zugute kam. Zu Hilfe kamen Allzeitgrößen wie der legendäre Pete Seeger, aber auch Tom Waits und - Dr. John. Nicht versäumen! (Text: Manfred Horak; Fotos: Jan Balaz, Wolfgang Gonaus, Lisa Houlgrave, Jazz Fest Wien Archiv, Mali Lazell, Donal Moloney)