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Anoushka Shankar veröffentlicht mit "Traces Of You" ein Album, an deren Entstehung die österreichischen Musiker Manu Delago und Bernhard Schimpelsberger beteiligt waren. Robert Fischer traf Shankar und Schimpelsberger zu einem Interview.

Kulturwoche.at: Ihr Vater ist kurz vor dem Beginn der Aufnahmen zu "Traces Of You" leider verstorben. Inwieweit hat dieser Vorfall die Arbeit im Studio beeinflusst?

Anoushka Shankar (AS): Natürlich hat der Verlust meines Vaters die Musik der neuen CD stark beeinflusst, weil mich das beim Komponieren stark beschäftigt hat. Aber ich habe trotzdem versucht nicht zu persönlich zu werden, sondern in einer abstrakten Art über Verlust und Trauer zu schreiben, und gleichzeitig natürlich auch über Liebe, Frieden und Hoffnung. Das ist auch die Art, wie ich sonst beim Schreiben meiner Musik vorgehe. Ich mag keine Musik, die in ihrer Aussage allzu spezifisch und persönlich ist, vielmehr versuche ich in meinen Stücken große Themen eher universell abzuhandeln.

Bei "Traces Of You" haben Sie im Studio mit einer kleineren Anzahl von Musikern gearbeitet als auf den Vorgängeralben. War das eine bewusste Entscheidung?

AS: Eigentlich schon. Natürlich hat es auch Vorteile mit einer größeren Anzahl von Musikern zu arbeiten. Auf den letzten Alben war ich sehr experimentell unterwegs und ständig auf der Suche nach neuen Sounds. Bei der neuen CD wollte ich mehr eine gewisse Art von Durchgängigkeit in der Musik erreichen und mir war z.B. auch wichtig, dass die Übergänge von einem Track zum nächsten gut passen, weil alle Teil eines größeren Konzepts sind. Deshalb habe ich auf "Traces Of You" z.B. auch mit weniger verschiedenen Sängern gearbeitet als früher. Auch von der Instrumentierung her hatte ich das Ziel, dass bestimmte Instrumente im Laufe der Abfolge der Songs immer wieder auftauchen sollten. Im Studio haben mich neben meinem Produzenten Nitin Sawhney u.a. auch zwei Musiker aus Österreich sehr unterstützt: der Hang-Spieler Manu Delago und der Percussionist Bernhard Schimpelsberger. 

bernhard-schimpelsbergerBernhard, wie bist du zu den Aufnahme-Sessions für "Traces Of You" dazugekommen?

Bernhard Schimpelsberger (BS): Im Juni 2011 spielte ich mit meiner Band Circle of Sound ein Konzert im Kings Place in London. Anoushka Shankar war im Publikum und sehr angetan. Scheinbar so sehr, dass wir kurz darauf von Anoushkas Mutter, Sukanya Shankar, eingeladen wurden bei einem privaten Hauskonzert für Großmeister Ravi Shankar zu spielen. Wir spielten für Ravi und seine Familie und verbrachten einen wunderbaren Abend gemeinsam. An diesem Abend entstand die Verbindung zwischen Anoushka und mir und in Folge hat sie mich dann eingeladen, als Musiker auf ihrer mehrwöchigen US-Tournee und danach bei ihrem Traveller Projekt dabei zu sein. Die Einladung auch auf "Traces Of You" dabei zu sein, resultiert daher von dieser musikalischen Verbindung.

Wie war die Zusammenarbeit mit Anoushka Shankar? 

BS: Ich genieße die Zusammenarbeit mit ihr sehr. Anoushka repräsentiert eine neue Generation weltoffener Musikerinnen. Sie trägt nicht nur das klassische Wissen und den musikalischen Spirit ihres Vaters Ravi Shankar in sich weiter, sie ist überdies auch sehr versiert in westlicher Musik. Diese Einflüsse machen ihre Musik einzigartig.

Anoushka, auf drei Tracks von "Traces Of You" ist außerdem Ihre Schwester Norah Jones zu hören. Wie war die Zusammenarbeit mit ihr?

AS: Sehr schön! Es war das erste Mal, dass wir bei einem Projekt wirklich so intensiv zusammengearbeitet haben. Das hat wirklich Spaß gemacht, die Songs gemeinsam mit Norah zu schreiben und aufzunehmen. Wir sind ja beide Musikerinnen, aber wir kommen selten dazu gemeinsam Musik zu machen.

Ravi Shankar hat die Sitar durch seine langjährige Karriere inklusive vieler Plattenaufnahmen und Tourneen weltweit bekannt gemacht. Jetzt setzen Sie seine Tradition auf dem Instrument fort, er war ja auch ihr Lehrer. Warum, glauben Sie, ist das Publikum überall auf dem Globus von indischer Musik und der Sitar fasziniert?

AS: Ich denke, weil die Sitar einfach ein einzigartiges Instrument ist und auch über einen einzigartigen Klang verfügt. Dazu kommt, dass indische klassische Musik eine jahrhundertalte Tradition hat. In dieser Musik schwingt immer auch etwas sehr Spirituelles mit, und das spürt das Publikum. Diese Faktoren machen die indische Musik auf eine Art zeitlos und unabhängig von den aktuellen Moden in der Musik.

Was reizt Dich, Bernhard, generell an der Zusammenarbeit mit Musikern aus anderen Kulturen?

BS: Ich genieße das Aufeinandertreffen von Persönlichkeiten. Die Kultur und das Genre sind dabei nebensächlich. Eine Kollaboration ist immer etwas Neues, etwas Undefinierbares. Was ist die Geschichte meines Gegenübers? Und welche Geschichte können wir gemeinsam erzählen? Für mich beschreibt Musik immer den Moment, in dem sie geschaffen wird. Es ist eine Art und Weise im Moment zu leben.

Das Interview führte Robert Fischer.
Fotos: Pritpal Ajimal, Yuval Hen (DG); Jamie-James Medina

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Live-Tipp:

Anoushka Shankar
23.10.2016 (Beginn: 19:30 Uhr)
Wiener Konzerthaus

CD-Tipp:
Anoushka Shankar: Traces Of You
Label/Vertrieb: Deutsche Grammophon / Universal (2013)