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"Zur Musik gibt es eigentlich nie was zu sagen. Deshalb gibt es sie ja. Und zur Vergangenheit ist alles gesagt", meinte einmal Brian Eno in einem Interview. Dennoch sollte über die Musik auf "Someday World" gesprochen und geschrieben werden, denn ihr gebührt volle Aufmerksamkeit.

Bis (hier) her

Zur Erinnerung: Der 1948 in Woodbridge, Suffolk geborene Brian Peter George St. John le Baptiste de la Salle Eno, kurz, Brian Eno, war unter anderem Mitgründer von Roxy Music, Produzent von u.a. Talking Heads [More Songs About Buildings and Food (1978), Fear of Music (1979), Remain in Light (1980)], David Bowie [Low (1977), Heroes (1977), Lodger (1979)] und U2 [u.a. The Joshua Tree (1987)], zudem veröffentlichte er mit Alben wie "Before and After Science" (1977), "My Life In The Bush Of Ghosts" (mit David Byrne; 1981), "Wrong Way Up" (mit John Cale; 1990) und "Everything That Happens Will Happen Today" (mit David Byrne; 2008) absolute Meisterwerke der Popkultur, außerdem verhalf er der Ambient Musik das Dasein. So viel in aller Kürze zu seiner musikalischen Vergangenheit.

Von Underworld...

Karl Hyde wiederum war Teil des Elektronik-Duos Underworld (gemeinsam mit Rick Smith), das zwischen 1988 und 2010 acht Alben veröffentlichte, darunter 1999 das Album "Beaucoup Fish" (in UK Platz 3), sowie 1995 das richtungsweisende Stück "Born Slippy" vom Soundtrack des Films "Trainspotting". Gegenüber dem Magazin The European erklärte Karl Hyde, dass seine Wurzeln in der deutschen Elektronikmusik der späten 60er-, frühen 70er-Jahre liegen, "kombiniert mit jeder Art von Musik, die wir als Jugendliche mochten. Wir haben aber schon immer Musik gemocht, die maschinell entstand. Als ich zum ersten Mal Kraftwerk hörte, klang das für mich wie eine neue Sprache. Es war fernab der klassischen Blues-Rhythmen, die in den 60ern rauf- und runtergespielt wurden. Das war eine neue Sprache, die aus dem Wiederaufleben der deutschen Kultur, der neuen deutschen Kultur entstand. Maschinenmusik, die ja der Ursprung von Techno ist, ist das eigentliche Kernstück unseres Schaffens." Eine musikalische Zusammenarbeit mit Brian Eno kommt demnach nicht ganz überraschend.

...zu Someday World

Überraschend ist allerdings, dass "Someday World" weitestgehend auf experimentelle neue Klangsprachen verzichtet und also einigermaßen reminiszent klingt. Auf zwei Stücken kommt es zu einem Wiederhören mit Andy Mackay (Saxofonist von Roxy Music), und zwar auf dem überragenden Album-Opener "The Satellites" und auf dem Meisterstück "When I built this World", das fast schon mehr mythologisch denn mystisch daher kommt, und mit seinen Elektro-Folk und Stakkato-Läufen überzeugt. Noch überzeugender allerdings sind jene Momente mit den feinen Retro-Anstrichen, wie z.B. das bereits erwähnte "The Satellites", aber auch das in unglaublichen Harmonien getränkte "Daddy's Car" oder das zauberhaft-geniale "Witness" mit der grandiosen Gastsprecherin Kasia Daszykowska oder die freimütig zwischen Elegie und Eleganz pendelnde Elektro-Pop-Glanztat "Strip it Down" mit Eno-Tochter Daria als Background-Sängerin. Vertraute Erinnerungen, die im Soundlabor von Brian Eno und Karl Hyde (und gemeinsam mit dem Koproduzenten Fred Gibson) freilich zu etwas Neuem, Unnachahmlichen, Unnahbaren bis Herzerwärmenden wird. Vertrackte Rhythmen, ein Wall of Sound, formvollendete Harmonien - hier sind Meister am Werk, die sich nicht zurückhalten ihr Können auszuleben. Egal, welcher Track der neun Songs, da gibt es keinen Füller, keine Schwächen (wenn, dann eher textinhaltlich), auch wenn einige der Songs erst nach mehrmaligen Hören aufgehen, wie z.B. "Mother of a Dog". Wenn es dann aber so weit ist, kommt man nicht mehr los davon. Manches geht richtig hymnisch ab ("The Satellites"), manches ist einfach nur schön ("Who Rings the Bell"), getragen von einer großen Melodie. Raffinierte Gitarrenlicks verweben sich auf dem Album mit freischwebenden melodiösen Synthie-Flächen und jeder Menge rhythmischer Motive. Die Songs auf Someday World sind ein schier endloser Ideenpool, die einem durchs ganze Jahr bringen. Mindestens. //

CD-Tipp:
Eno / Hyde: Someday World
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Opal / Warp / Rough Trade (2014)

Text: Manfred Horak
Foto: Warp