christmas-rules-1Weihnachtsalben anno 2012 tragen so verheißungsvolle Titel wie "This Christmas", "O Jesulein süß", "Songs of December", "Merry Christmas, Baby" und "Christmas Rules". Dies sind denn auch die diesjährigen fünf Weihnachtsalben, die wir uns genauer anhörten.

Kinder, heute wird's was geben. Wenn es draußen kalt ist, werden wieder allerlei Weihnachtsfrauen und Männer mit langen Bärten die schönsten Weihnachtsmelodien diesseits und jenseits des Atlantiks in Punschseligkeit versenken und wir sind einmal mehr der Frage ausgesetzt: In wessen Namen passiert das? Im Glauben an das gute, alte Geld, oder an die kindliche Vorfreude endlich wieder Weihnachten zelebrieren zu können? Begeben wir uns daher gleich mal in "This Christmas" von John Travolta & Olivia Newton-John. Mehr als drei Jahrzehnte nach dem schmierigen "Grease" Musical und ihren darauf enthaltenen Duo-Charts-Hits wie "You're The One That I Want" und "Summer Nights" flöten sie sich diesmal Besinnlichkeiten wie "Baby, It's Cold Outside", "Winter Wonderland" und andere Klassiker zu. Interessanterweise kommen die 13 dargebrachten Songs besser als befürchtet zur Geltung - nun, vor allem, wenn man sich auf die musikalische Umsetzung konzentriert. Hier mischen nämlich immerhin Koryphäen wie Chick Corea, James Taylor, The Count Basie Orchestra, Monty Alexander und Gäste wie Tony Bennett, Barbra Streisand und Cliff Richard mit. Und genau diese krude Mischung macht's wohl auch aus, dass "This Christmas" nicht zur Lachnummer verkommt, sondern gar nicht mal wenige gelungene Momente hat. "I Think You Might Like It", heißt ein Song darauf, und das kann man durchaus als Behauptung stehen lassen.

Red-Suited Super Man

Wenn man sich allerdings gleich darauf die "Songs of December" von Paul Anka anhört, fallen die Travolta-Newton-John Gesangsübungen aber dann doch sehr stark ab, auch musikalisch. Gleich in der Eröffnungsnummer "Let It Snow" hört man die Kälte und den Schnee und die Wärme und das Gefühl und diesen ganzen Zauber, den Weihnachten ausmacht, bzw. ausmachen kann, wenn man es möglichst stressfrei angeht. Dieses musikalische Grundgefühl an Zartheit zieht sich durchs ganze Album, und auch wenn Paul Anka nicht an die Nat King Cole Version vom "Christmas Song" rankommt (wie auch? Anka ist ja ein Paul und nicht King), so ist er doch meilenweit mit seinem Rentierschlitten von der Travolta-Newton-John-Version entfernt. Im Repertoire der elf Songs befinden sich - wenig überraschend - keine Überraschungen. Die Lieder kennt man wohl alle: "Have Yourself A Merry Little Christmas", "Winter Wonderland", "White Christmas", "Blue Christmas", "Silver Bells", und wie sie alle heißen, sind bei Paul Anka bestens aufgehoben. Diese Songs serviert uns übrigens auch Rod Stewart auf seinem Weihnachts-Opus "Merry Christmas, Baby". Zudem gibt es noch eine weitere Übereinstimmung mit Paul Ankas Weihnachtsalbum, nämlich im Personal. Der Gitarrist Dean Parks ist hier wie da zu hören, außerdem bei Rod Stewart mit dabei: Peter Erskine (dr), David Foster (p), Dave Koz (sax), Chris Botti (tr), Trombone Shorty (tr), Michael Bublé (voc), sowie - ein Wunder ist geschehen! - Ella Fitzgerald. Ho Ho Ho! Ein Wunder? Nein, natürlich nicht, Ella Fitzgerald ruht weiterhin in ihrem Grabe, ob sie da drin rotiert, ist uns nicht bekannt, nur, dass halt Dank digitaler Technologie ... und so weiter. Musste das sein, und wollen wir wirklich wissen, was Ella Fitzgerald zu Neujahr macht? Einerseits. Andererseits: ein bisschen Grusel schadet nie. Warum Rod Stewart allerdings beim Hadern "Blue Christmas" auf ein Duett mit Elvis Presley verzichtet hat, ist auch so eine Frage, die wir ihm einmal stellen könnten. Wie auch immer: Höhepunkt ist sicherlich das von Rod Stewart eigenkomponierte "Red-Suited Super Man", sein erster eigener Song seit gefühlten 100 Jahren. Dieser Song hat tatsächlich Zunder und entschädigt für einige Schwächen, Stichwort Kitschalarm. Unterm Strich bleibt jedenfalls ein überraschend gelungenes Weihnachtsalbum.

Sakrale Schwerkraft

And Now for Something Completely Different: Bekannte Weihnachtslieder in jazzig frischem Gesang, Augenzwinkern inclusive, verspricht uns das Vokalsextett Vocal Visions aus Österreich. Mit dem Album "O Jesulein süß" entfernen wir uns daher für einen kurzen Moment von der verspielten Leichtigkeit der Songs aus dem amerikanischen Weihnachts-Song-Book und begeben uns in die sakrale Schwerkraft hiesiger Weihnachtslieder. Auf "O Jesulein süß" befinden sich Lieder wie "Es hat sich halt eröffnet", "Es ist ein Ros entsprungen", "Es wird scho glei dumpa", "Fröhliche Weihnacht" und deren mehr. Dargebracht im vorzüglichen a cappella Gesang, erinnert uns dieses Liedgut wieder einmal daran, dass es bei Weihnachten ja nicht ums Liebe und Kind machen geht, wie es uns die Amis schon seit langem glauben lassen wollen (I ought to say no, no, no - Mind if I move in closer? / At least I'm gonna say that I tried - What's the sense in hurting my pride? / I really can't stay - Baby don't hold out / Ah, but it's cold outside), sondern um die Geburt von Jesus, und nicht zuletzt um die Pflege religiösen Brauchtums, sowie um ein Dulci Jubilo und nicht um den Love Train im Soul. Erraten, mit "O Jesulein süß" werden auch wieder die Erinnerungen an Weihnachtsmetten in unbeheizten Kirchen wachgerufen. Häppchenweise angewendet kriechen aus dem harten kalten Steinboden sogar ein paar Wärmestrahlen hoch, dermaßen schön singen die Gesangsvisionäre, dennoch sehnt man sich recht rasch wieder nach den weihnachtlichen Liebesliedern und dem Kachelofen.

Christmas Rules!

Somit kommen wir wieder zu den in englischer Sprache gesungenen Leichtigkeiten. Das mit Abstand am besten gelungene Weihnachtsalbum ist eine Kompilation mit zum Teil eigens für dieses Album eingespielten Liedern. "Christmas Rules" heißt die 17 Song starke Zusammenstellung mit unter anderem Rufus Wainwright, Paul McCartney, Calexico, fun. und Irma Thomas. Im Jahr 1996 gab es mit "New Wave X-Mas" aus dem Hause Rhino eine ähnlich gelungene Kompilation mit heute gesuchten Raritäten von The Three Wise Men aka XTC, Squeeze, Captain Sensible, Timbuk 3, Throwing Muses (uvm.). Man kann sich gut vorstellen, dass "Christmas Rules" in einigen Jahren ein ebenso gesuchtes Album sein wird, alleine, weil etliche der darauf enthaltenen Versionen gängiger Klassiker und neuer(er) Songs unglaublich gut gelungen sind. Schon alleine der Einstieg von fun. mit "Sleigh Ride" bereitet große Freude, ebenso der McCartney-Song "Wonderful Christmastime", hier in einer Version von The Shins. In "Sleigh Ride" bekommt man bereits in den ersten 40 Sekunden die ganz großen Weihnachtsgefühle serviert. Verspielt und sinnlich gelingt der Truppe eine hervorragende Mischung aus Drum Programming und echtem Orchester. Es ist was es ist: fun. Interessant ist dann auch, was The Shins aus dem McCartney-Hit aus dem Jahr 1979 macht, nämlich eine zeitgemäße Auffettung mit Stil, Lust und Freude. Sir Paul McCartney himself singt hingegen mehr als formidabel "The Christmas Song" (eh schon wissen, der Mel Tormé Klassiker, der in der Interpretation von Nat King Cole eine Steilvorlage bekam), begleitet wird er dabei von Diana Krall am Piano und John Pizzarelli an der Gitarre. Die Chestnuts Roasting On An Open Fire hört man hier sehr genau und Sir Paul singt sich einmal mehr in die Herzen und kommt ganz schön nah an Nat King Cole ran. Auf diesem hohen Niveau ist auch "Baby, It's Cold Outside" in der Version von Rufus Wainwright featuring Sharon Van Etten, begleitet von Andy Burton am Piano, angesiedelt. Die vom Arrangement her extreme Reduktion ist ein ungemeiner Gewinn fürs Allgemeinwohl und lässt alle anderen Interpretationen dieses Songs (vielleicht mit Ausnahme von Dean Martins Version aus dem Jahr 1959) weit hinter sich. Das muss man einfach kennen. Das muss man einfach hören. Die fünfte Großtat auf dem vorliegenden Album kommt von der Band Black Prairie featuring Sallie Ford und deren Beitrag "(Everybody's Waitin' For) The Man With The Bag". Man denkt dabei an ein Shanty und hört irgendwie auch Weihnachten, man hört den extra special fun, eine Tanzmusik für Fortgeschrittene und eine Sängerin mit Verve und Esprit. "Green Grows The Holly" heißt es hingegen bei Calexico, einem uralten Song, geschrieben von King Henry VIII aus England. Hat daraus Leonard Cohen dereinst die melodiöse Inspiration für "Who By Fire" erhalten? Gut möglich, aber in diesem Falle egal. Calexico gehen es sehr atmosphärisch an, lassen natürlich die Trompeten singen und somit alle frohlocken. Sehr hübsch ist auch "That's What I Want For Christmas" von Holly Golightly geworden. Da haben wir die Situation, dass es schon sehr spät ist, und das Tanzlokal schön langsam zur Sperrstunde aufruft. "Kiss me, that's what I want for Christmas" heißt es da, bevor wir alle rausgeschmissen werden. Aber keine Sorge, das Lokal nebenan ist noch offen, und dort hören wir Irma Thomas with The Preservation Hall Jazz Band ein Weihnachtslied von Louis Jordan (also ebenfalls ein uraltes) singen. "May Ev'ry Day Be Christmas", singt sie und dazu schwingt es wie früher in der Carnegie Hall, als der Jazz noch jung war. Die Heartless Bastards wiederum, diese herzlosen Gesellen, schmalzen sich ordentlich durch den Gassenhauer "Blue Christmas" - und so geht es dahin, insgesamt 17 Lieder lang. Jedes für sich ein Highlight, ein großes Vergnügen, ein musikalisches Fest für Musikliebhaber. Ein Weihnachtsalbum, wie man es sich wünscht. Abwechslungsreich. Sinnlich. Originell. (Manfred Horak)

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John Travolta & Olivia Newton-John: This Christmas
Musik: @@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Constellation/Universal (2012)





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Paul Anka: Songs of December
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Universal (2012)





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Rod Stewart: Merry Christmas, Baby
Musik: @@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Verve/Universal (2012)





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Vocal Visions: O Jesulein süß
Musik: @@@
Klang: @@@
Label/Vertrieb: ATS Records (2012)





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Christmas Rules
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Concord/Universal (2012)