corea_chick_pk_mozart_teaser Anlässlich des Mozart Jahres 2006 vergab Peter Marboe an den hochbegabten Pianisten Chick Corea den Auftrag, es dem anderen hochbegabten Pianisten Mozart gleich zu tun, nämlich seine Musik für eine Orchesterbesetzung zu notieren.

Der Pianist im Interview über "the Spirit of Mozart".  Der weltberühmte amerikanische Jazzpianist, Komponist und Bandleader Chick Corea betrat mit Mozart-Jahr-Intendant Dr. Peter Marboe und Fritz Thom, dem Veranstalter vom Jazz Fest Wien, einen der Salons im ersten Untergeschoss des Grand Hotels Wien. Für Chick Corea saßen die Journalisten - mit einem guten Meter Abstand - "so weit weg" und er stellte fest, dass es in Wien "so viel Parfüm gebe". Außerdem hätte er gerne erfahren, aus welchen Ländern denn die Journalisten kämen, worauf sich kaum einer der Anwesenden geäußert hat. Fritz Thom, der Chick Corea schon seit vielen Jahren kennt, und einer der Hauptinitiatoren für das Auftragswerk "Piano Concerto #2" war, entschuldigte sich für die außergewöhnlich frühe Zeit - 10.30 Uhr, und betonte, dass er sehr glücklich ist, dass sich Herr Corea bereit erklärt hat, diesen Termin für die Presse wahrzunehmen.

corea_chick_pk_mozart1corea_chick_pk_mozart3corea_chick_pk_mozart2corea_chick_pk_mozart4Zu Beginn des Gesprächs erklärten Dr. Peter Marboe und Fritz Thom die Entstehungsgeschichte des Auftrags zum 2. Klavierkonzert von Chick Corea - "im Geiste Mozarts" (siehe Konzertkritik). Fritz Thom und Chick Corea kennen sich schon seit vielen Jahren durch zahlreiche Auftritte Coreas beim Jazz Fest Wien. Anlässlich des Mozart Jahres 2006 vergab Dr. Peter Marboe an den hochbegabten Pianisten Corea den Auftrag, es dem anderen hochbegabten Pianisten Mozart gleich zu tun, nämlich seine Musik für eine Orchesterbesetzung zu notieren. Corea erklärte, dass ihm bei der näheren Beschäftigung mit klassischer Musik aufgefallen ist, "dass oft die großen Komponisten auch außergewöhnliche Pianisten waren." Und er ist persönlich der Meinung: "To live with Mozart is nicer than to live without him." Alles wies daraufhin, dass es bis Ende Juli 2006 in Europa insgesamt 14 Konzerte von dieser Welturaufführung geben wird. Dr. Marboe war sehr begeistert von dem Titel des von ihm in Auftrag gegebenen Werks im Geiste Mozarts: "The Continents". Er empfand es als eine Möglichkeit damit der Welt 'Europa' zu präsentieren, wobei Corea es eher empfindet "der Welt Mozart zu zeigen und im Moment ist er hier."

Kulturwoche.at: Wie war es für Sie diese Partitur, die ich hier in meinen Händen halten darf, zu schreiben?

Chick Corea: Ich setzte meine Arbeit fort. Normalerweise schreibe ich für Duetts oder vielleicht eine 4-5-köpfige Band. Die Idee ein Klavierkonzert à la Mozart zu schreiben kam mir vor 23 Jahren, als ich seiner Musik das erste Mal bewusst begegnet bin. Ich wollte mehr von Mozarts Konzerten spielen, dabei ist mir aufgefallen, dass es nur zwei Konzerte in Moll gibt - von 27. Die haben mich interessiert. Die Phrasierungen erinnerten mich an Bebop.

Wie kommt es, dass Sie erst relativ spät mit Musik von Mozart in Berührung kamen?


corea_chick_pk_mozart8corea_chick_pk_mozart7corea_chick_pk_mozart10corea_chick_pk_mozart5Wollen Sie die kurze oder die lange Geschichte hören?! Ok, die lange: mein Vater war (allgemeines Gelächter) - mein Vater war ein Bandleader. So wuchs ich mit Jazz auf, mit Miles Davis und Charlie Parker. Klassische Musik war für mich etwas, das man studieren kann, was man vielleicht übt, aber nichts, was man aufführt! (Er fasst sich an die Nasenspitze) Ich habe mal von einem Jungen gehört, der mit acht Jahren angefangen hat klassisches Klavier zu lernen. 'Weil er so wild war.' Die Eltern wussten sich nicht mehr zu helfen, also haben sie versucht ihn auf diese Art zu disziplinieren, mit klassischer Musik. Sie haben ihn nicht nur diszipliniert, sondern aus ihm wurde im Endeffekt ein anerkannter Pianist. In den 1980er Jahren begegnete ich dann Nicolas Economou. Er war ein klassischer Pianist mit einem ganz außergewöhnlichen Klang. [1981/82 gab es eine Konzertreihe der beiden Pianisten, bei denen sie jeweils ihren Stil improvisierten. 1983 wurde die Platte "On Two Pianos" aufgenommen; Anm.] 1983 wurde ich dann zum Münchner Klaviersommer eingeladen, wo sonst nur klassische Pianisten spielten. Ich war dort der einzige Jazzpianist. Es spielte auch Friedrich Gulda, wahrscheinlich Mozart und Beethoven, und er ließ mir ausrichten, dass er mich treffen wollte. Ich dachte: 'Who the f… is Gulda?!' Er wollte mich nicht sehen oder sprechen, sondern wir sollten uns gleich im Konzertsaal auf der Bühne begegnen. Also spielten wir. Es galt zu improvisieren. Wir fanden Dinge - es war wilde Musik. Und nach einer Zeit, gerade als er mit dem ganzen Arm das Klavier bearbeitet hat, entschied ich mich aufzuhören, und ihn sich zeigen zu lassen. Es ging noch ziemlich wild zu, bis er plötzlich ganz zart eine kleine Melodie spielte, die ganz offensichtlich notierte Musik war. Ich dachte, das muss von einem jungen talentierten Komponisten sein, von einem, von dem ich noch nichts gehört hatte, der im klassischen Stil schreibt. Später hab ich Gulda gefragt, von wem diese Musik war, und er hat ganz entsetzt geantwortet: 'Natürlich Mozart!' Jetzt wollte ich mehr wissen. [Das Resultat dieser Begegnung ist die Platte 'The Meeting'; Anm.] Einige Zeit später hatte ich in meinem Briefkasten einen riesigen Umschlag (er dreht und wendet seine neue Partitur) ungefähr so groß wie das hier, und darin war die Partitur von Mozarts Konzert für zwei Klaviere in Es-Dur KV 365 mit einer kleinen Notiz von Gulda: 'Du wolltest mehr über Mozart lernen?! Du spielst die zweite Stimme beim Amsterdamer Festival.' Beide, Nikolaus Harnoncourt und Friedrich Gulda, haben mir Mut gemacht, und so spielten wir mit dem Amsterdamer Concertgebouw Orchester ohne Probe das Konzert. Gulda war einer der mutigsten Kerle, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe. [1984 wurde die CD 'Mozart Double Piano Concerto Fantasy for two Pianos' eingespielt; Anm.] Seit dieser Zeit habe ich mich mit Mozart beschäftigt und lebe in der Spannung selbst mein erstes eigenes Werk schreiben zu wollen. Traditionell beginnt man ja mit Bach, der übrigens auch wieder ein Pianist war, der komponiert. [1996 entstand die Aufnahme 'Mozart Sessions' mit Bobby McFerrin und dem St. Paul Chamber Orchestra, und 1999 wurde anlässlich des Milleniumswechsel Chick Coreas Piano Concerto No. 1 für eine 30-köpfige Mozart-Besetzung mit dem London Philharmonic Orchestra eingespielt; Anm.]

Wie geht es Ihnen jetzt mit Ihrem neuen Klavierkonzert No. 2 in the Spirit of Mozart?

corea_chick_pk_mozart11Für mich ist das wichtigste die Musik nach außen zu bringen. Mich treibt der Spaß etwas Neues zu erfinden. Auch dieses Orchesterwerk ist wie ein 'Song'. Es soll auch aufgeführt werden wie ein 'Song'. Dafür ist kein Dirigent notwendig. Ich kenne das Stück selbst kaum, ich habe es nur geschrieben. Die Musiker werden es jetzt erschaffen. Jedes einzelne Individuum wird das Stück fühlen, es erspielen. Das Konzert beinhaltet auch eine Aufführung von W. A. Mozarts Klavierkonzert No. 24 - was wird daran besonders sein? Ich habe in der Orchestrierung zwei Sachen verändert. Damals hat Mozart für die Trompeten nur zwei Töne geschrieben, dabei sind heute die Trompeter große Virtuosen. Also habe ich Tom Toms auf C und G stimmen lassen. Und der wunderbare englische Saxophonspieler und auch großartige Komponist, Tim Garland, wird die Bassklarinette spielen. Wir haben für unsere Jazzformation sehr lange nach einem guten Bassisten gesucht, und ihn dann im Endeffekt in New York gefunden, den Grazer Hans Glawischnig. Der erste Teil des Konzerts wird 'The Continents' sein, mein 2. Klavierkonzert, dann werden wir Mozarts Klavierkonzert No. 24 aufführen, und der dritte Teil gilt der Improvisation.

Können Sie uns noch etwas zu 'The Continents' sagen?

corea_chick_pk_mozart9Die Form, die ich geschrieben habe ist flexibel. Es sind sechs Bewegungen verschiedenster Art, verschiedenster Rhythmen. Ich wollte ein modulares System. Man kann sich die Reihenfolge selbst zusammenstellen. Ich selbst bin ein Mischling, eine kulturelle Promenadenmischung, geboren in Boston, meine Großeltern kamen zum Teil aus Süditalien, es gab keine familiären Wurzeln. Wer bin ich?! Meine kulturelle Persönlichkeit habe ich entwickelt durch die Musiker, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Durch die verschiedenen Einflüsse der Rhythmen aus allen möglichen Erdteilen dieser Welt. - Ich muss gestehen, dass ich immer dachte Nordamerika und Südamerika sind zwei Kontinente, es ist aber nur einer. Dafür ist die Antarktis der wahre 6. Kontinent. - Jeder einzelne Satz wird wie eine eigenständige Komposition spielbar sein. Das Werk wird sich die ganze Zeit verändern - die Musiker kommen damit das erste Mal in Berührung.

Der letzte Satz

"'Erhebend', das ist der Effekt von Mozart - wenn Sie verstehen, was ich meine. Kunst ist ein Ausdruck des Lebens und nicht des Todes. Der Effekt von Beethoven lässt Dich wieder runterkommen. Aber Mozart hebt dich hoch." //

Text: Stephanie Lang
Fotos: Anna Gromova

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